Heuer gibt’s kalt-warm in Sachen Konjunktur
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FINANCENET Redaktion 09.06.2023

Heuer gibt’s kalt-warm in Sachen Konjunktur

Der Tourismus macht den Unterschied im Bank Austria-Bundesländervergleich – wer den hat, punktet.

••• Von Reinhard Krémer

Nach dem pandemiebedingten historischen Wirtschafts-einbruch im Jahr 2020 verzeichnete die österreichische Wirtschaft 2021 und im abgelaufenen Jahr ein Wirtschaftswachstum von 4,6% bzw. fünf Prozent. Im Jahr 2021 wurde der Anstieg sehr stark vom Produktionssektor mitgetragen. 2022 waren es vor allem die Dienstleistungssektoren, die für das starke Wachstum verantwortlich waren. In erster Linie stützten die Branchen Tourismus, Verkehrswirtschaft und der Handel das Wachstum.

Sie profitierten trotz Teuerung stark von der hohen Nachfrage aufgrund der gelockerten Corona-Maßnahmen. Die in den ersten Monaten des Jahres noch starke Industrie- und Baukonjunktur kühlte sich im Laufe des Jahres 2022 zunehmend ab. Das allgemeine Konjunkturbild im Jahr 2022 spiegelte sich dementsprechend in der Wirtschaftsentwicklung der einzelnen Bundesländer wider.

Tourismus klar im Vorteil

„Die Tourismushochburgen im Westen und die Stadtwirtschaft Wien mit einem hohen Dienstleistungsanteil waren gegenüber den industrieorientierten Regionen im Vorteil. Dennoch konnten alle Bundesländer ein Wachstum von deutlich über drei Prozent erzielen”, sagt UniCredit Bank Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer. „Tirol und Salzburg, die am stärksten von der wiedererstarkten Tourismuswirtschaft abhängen, verzeichneten im Vorjahr mit 7,9 bzw. 7,7 Prozent das stärkste Wirtschaftswachstum”, sagt UniCredit Bank Austria-Ökonom Robert Schwarz.

„Das Schlusslicht bilden die beiden Industrieländer Oberösterreich mit einem Plus von 3,8 und die Steiermark mit einem Anstieg von 3,5 Prozent”, so Schwarz. Die Regionen Kärnten (+5,8%) mit einer außerordentlich guten Industriekonjunktur, die Bundeshauptstadt Wien (+5,4%) mit ihrem hohen Dienstleistungsanteil und Vorarlberg (+5,2%) mit einer starken Tourismus- und Bauwirtschaft wiesen im Vorjahr ein überdurchschnittliches Wachstum auf.

Der Osten schwächelt

Einen etwas geringeren Anstieg der Wirtschaftsleistung gab es im Burgenland (+4,1%) und Niederösterreich (+3,9%), die 2022 nicht so stark vom Rebound-Effekt speziell im Tourismus profitieren konnten.

Sowohl 2021 als auch im Vorjahr gab es einen Rückgang der Arbeitslosenquote in allen Bundesländern.
„In einigen Bundesländern sank 2022 die Arbeitslosenquote auf ein Niveau, das zuletzt vor über 30 Jahren erreicht wurde”, sagt Robert Schwarz.
Die Wirtschaftslage widerspiegelnd, gab es in allen Bundesländern einen starken Rückgang der Arbeitslosigkeit in den Branchen Beherbergung und Gastronomie, Handel und sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen.

Salzburg gegen Wien

Erstmals seit 2017 verzeichnete im Vorjahr wieder Salzburg mit 3,7% die niedrigste Arbeitslosenquote. Die Region mit der höchsten Arbeitslosigkeit bleibt Wien mit einer Quote von 10,5% im Jahresschnitt 2022. Der Gesamtwert der Importe von Waren ist nominell um 19,8% auf 213,72 Mrd. € über dem Vorjahreswert gestiegen; gleichzeitig stiegen die Exporte von Waren um 17,2% auf 194,13 Mrd. €. Der Anstieg der Importe ist maßgeblich auf die Preissteigerungen bei Brennstoffen und Energie zurückzuführen.

Export im Burgenland boomte

Auf der Exportseite wurden die Zuwächse hauptsächlich durch die gute Entwicklung bei Maschinen und Fahrzeugen gestützt. „Das mit Abstand wichtigste Exportland ist weiterhin Oberösterreich mit einem Ausfuhrvolumen 2022 von über 51 Mrd. € bzw. 26,4 Prozent der gesamten österreichischen Warenexporte”, sagt Ökonom Schwarz und fügt hinzu: „ Alle Bundesländer verzeichneten zweistellige Zuwachsraten bei den Ausfuhren.”

Die dynamischste Entwicklung zeigte das Burgenland mit einem Anstieg von über 30%, zurückzuführen in erster Linie auf die Exporte von mineralischen Brennstoffen.

Industrie ging vom Gas

Die Industriekonjunktur kühlte 2022 mit einem realen Wertschöpfungsplus von 3,5% gegenüber 2021 mit plus 9,5% deutlich ab.

Eine hohe Dynamik in Schlüsselunternehmen führte zu einem überdurchschnittlichen Industriewachstum in Kärnten und in der Steiermark, in Wien und Niederösterreich hingegen gab es keinen Anstieg. Ein ähnliches Bild zeigte sich in der österreichischen Bauwirtschaft. Auch hier schwächte sich die Konjunktur 2022 ab mit einem realen Wachstum der Wertschöpfung von 1,4% gegenüber einem Plus von 2,6% im Jahr 2021.

Wer beim Bau stark war

Vorarlberg und das Burgenland verzeichneten die beste Baukonjunktur. In Tirol und Wien gab es im Vorjahr nach Schätzungen der UniCredit Bank Austria-Ökonomen ein reales Wertschöpfungsminus beim Bau.

Der gesamte Dienstleistungsbereich profitierte im Vorjahr trotz Teuerung von der hohen Nachfrage aufgrund der g­elockerten Corona-Maßnahmen. Die reale Wertschöpfung aller Dienstleistungsbranchen stieg 2022 um über sechs Prozent.
Damit lag die Dienstleistungswertschöpfung über dem Vorpandemieniveau aus dem Jahr 2019 nach dem starken Einbruch 2020. Die mit Abstand wichtigste Wachstumsstütze war der Bereich Beherbergung und Gastronomie mit einem Wertschöpfungsplus von über 50%.

Wie es heuer weitergeht

Die Verkehrswirtschaft und die sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen verzeichneten 2022 ebenfalls eine lebhafte Konjunktur.

Von diesem positiven Konjunkturumfeld profitierten vor allem die Tourismushochburgen im Westen Tirol und Salzburg und die Bundeshauptstadt Wien mit ihrem hohen Dienstleistungsanteil. Nach dem Anstieg des BIP um fünf Prozent im Vorjahr gehen die UniCredit Bank Austria-Ökonomen von einer deutlichen Abkühlung der Konjunktur in Österreich mit einem Rückgang des Wirtschaftswachstums auf 0,7% aus.

Die Gäste bringen die Kohle

„Die Regionen Wien, Salzburg und Tirol werden auch heuer von einer robusten Dienstleistungskonjunktur profitieren und voraussichtlich ein überdurchschnittliches Wachstum aufweisen. Für die Bundesländer mit einem hohen Industrieanteil wie die Steiermark und Oberösterreich erwarten wir hingegen eine unterdurchschnittliche Entwicklung”, sagt der UniCredit Bank Austria-Ökonom.

Trotz Konjunkturabkühlung dürften heuer die regionalen Arbeitsmärkte stabil bleiben mit einem leichten Anstieg der geschätzten Arbeitslosenquote in Österreich von 10,3% im Vorjahr auf 10,4%.
In allen Bundesländern sollten die durchschnittlichen Arbeitslosenquoten in diesem Jahr um maximal ±0,2 Prozentpunkte von den Quoten im Vorjahr abweichen.

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