Wenn der Sicherheitsgurt und der Airbag ihren Dienst versagen
FINANCENET 30.01.2015

Wenn der Sicherheitsgurt und der Airbag ihren Dienst versagen

Franken-Fallout Leidgeprüfte Kreditnehmer müssen jetzt auch auf der Absicherungsseite teilweise schwere Verluste hinnehmen

Stop-Loss-Orders haben sich im Ernstfall als ungeeignet erwiesen – das „Frankenkonzept” steht unter schwerem Beschuss.

Wien. Franken-Kreditnehmer kommen nicht zur Ruhe: Wie sich jetzt herausstellt, haben die oft teuer verkauften Absicherungen vielfach nicht gehalten. Stop-Loss-Orders, die mit einem automatischen Schließen der Franken-Position die Verluste begrenzen und so die Anleger vor einem weiteren hohen Verlust bei einem Kurssturz schützen hätten sollen, haben offenbar ihre Versprechen nicht erfüllt.

Einfaches Instrument …

Die Funktionsweise von sogenannten Stop-Loss-Orders ist eigentlich einfach: Verändert sich der Kurs einer Fremdwährung über eine vorher festgelegte Grenze hinaus, wird der Kredit automatisch in den Euro konvertiert. Dann werden zwar Währungsverluste bis zu diesem Punkt realisiert, weitere aber vermieden. Man wollte damit einer Aufhebung der 1,20er-Grenze, die die Schweizerische Nationalbank SNB festgelegt hatte, vorbeugen. Viele Kreditnehmer haben daher eine Konvertierung bei knapp unter 1,20 in Auftrag gegeben. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Aufträge erst weit später – bei Kursen um 1 oder tiefer – ausgeführt wurden.

… in der Praxis ungeeignet

Der Hintergrund: In Zeiten extremer Schwankungen werden oft die nötigen Kurse gar nicht gebildet, eine Ausführung der Order ist dann technisch nicht möglich. Dies kann dann geschehen, wenn der Markt die Volumina nicht aufnehmen kann, was besonders automatisierte Programme treffen kann – Devisenprofis wissen davon ein trauriges Lied zu singen. Und so wurden die Kreditnehmer ihre Franken erst bei wesentlich tieferen Kursen und zu deutlich höheren Verlusten los. Auf dieser Front zeichnet sich bereits ein Entgegenkommen für Kunden ab: Einige Banken haben ihre Bereitschaft signalisiert, den Zustand vor den schiefgelaufenen Orders wiederherzustellen, also in den Franken zurückzuwechseln.

„Frankenkonzept” im Sturm

Auch das sogenannte Frankenkonzept, das die Firma Censeo von Gerhard Massenbauer (sein Vater Johann gilt als „Vater der Fremdwährungsfinanzierung”; er hat übrigens im Vorjahr seinen Vertrags- und Kundenbestand auf die Infina Credit Broker GmbH mit Sitz in Innsbruck und Wien übertragen; Anm.) auf diversen Kundenveranstaltungen vertrieben hat, könnte die Erwartungen der Kreditnehmer nicht erfüllt haben. Massenbauer, der sich noch in der Vorwoche in einer Aussendung als „Öster-reichs führender Währungsexperte” bezeichnen ließ, der „als Einziger den Kursanstieg angekündigt hatte”, machte auf „Workshops”, die die Teilnehmer bezahlen mussten, Stimmung für Absicherungen.

Zukäufe bei Verlusten

In Spezialberatungen, für die meist wieder Geld fällig wurde, erläuterte Massenbauer dann das „Frankenkonzept”, das wiederum extra bezahlt werden musste; bei diesem wurde offenbar für Kreditnehmer bei einer dänischen Bank die Schweizer Währung bei einem Franken-Anstieg angekauft, um Verluste durch die Gewinne der neuen Franken auszugleichen. Damit war natürlich ein deutlich höherer Kapitalaufwand verbunden als nur mit dem Kredit selbst. Nach der Entscheidung der SNB zeigte sich dann auch, dass am Markt nicht so viele Franken wie benötigt aufzutreiben waren. Vor wenigen Tagen musste Massenbauer einräumen, dass „nachträgliche Abänderungen” von Ausführungspreisen durchgeführt worden seien; die Saxo Bank habe „Gegenbuchungen durchgeführt und die gutgeschriebenen Gewinne entzogen”. Die Bank habe die Sicherheiten für Devisenhandel massiv erhöht – im Franken auf 20 Prozent der ursprünglich zu kaufenden Summe, hieß es. Der von Massenbauer betriebene Währungsfonds „Tenaxis Trendfinder” ist übrigens schon länger vom Markt verschwunden.Besonders tragisch für Konsumenten: Der Markt scheint sich wieder einzupendeln; die Verluste hätten sich von selbst verringert. Zum Redaktionsschluss stieg der Euro zur Schweizer Währung bereits wieder über die Parität. Experten erwarten übrigens einen Franken zwischen 1,13 und 1,25 (medianet berichtete) im Gegensatz zu Gerhard Massenbauer, der in seiner mit „Expertenmeinung” titulierten Aussendung schrieb, er glaube nicht, dass der Franken sich in wenigen Wochen bei 1,10 einpendeln wird, sondern im Gegenteil noch einmal stark aufwerten könnte.

Insolvenz bei Alpari

Unter die Räder der Entscheidung der Schweizer Nationalbank kam übrigens auch die Devisenhandels-Plattform Alpari: Sie musste Insolvenz anmelden, weil viele Kunden beim Franken ins Minus gerutscht waren und das russische Unternehmen mit Sitz in London für die Verluste geradestehen musste. Kundengelder sind vorhanden; als Insolvenzverwalter wurde die britische KPMG bestellt. Sollte sich herausstellen, dass zu wenig Vermögen vorhanden sein sollte, fallen Private unter die britische Einlagesicherung, die für bis 50.000 £ pro Kunde geradesteht. Auch bei der FX-Plattform FXCM mussten Gelder nachgeschossen werden, um eine Insolvenz zu vermeiden.(rk/APA)

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