Zahlen mit Blech, Papier, Plastik oder Elektronen
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FINANCENET Redaktion 06.10.2023

Zahlen mit Blech, Papier, Plastik oder Elektronen

Eine hochkarätig besetzte Expertenrunde diskutierte, wie die Zukunft unserer Bezahlsysteme aussehen wird.

••• Von Reinhard Krémer

Mastercard, Apple Pay, PayPal, Gutscheine, Bargeld und bald auch der digitale Euro: Wie die Lücken im Zahlungssystem geschlossen werden können, welche Chancen der digitale Euro bietet und warum Europa wieder die Kontrolle über seine Zahlungssysteme erringen muss, diskutierten im Salzburger Mozarteum bei der Top Speakers Lounge der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein Roger Niederer (abrantix), Erich Falkensteiner (Falkensteiner, Hotels & Residences), Wolfgang Haunold (Oesterreichische Nationalbank) und Claudia Wuppinger (Team-axess). Für Unternehmen wird es immer komplizierter, einen klaren Überblick über alle Zahlungstransaktionen zu behalten. Das verursacht Kosten. Experten schätzen, dass bis zu zwei Prozent des Umsatzes durch fehlerhafte Buchungsprozesse verloren gehen. Dazu kommt, dass Europa in der Vergangenheit die Kontrolle über seine Zahlungssysteme überwiegend an US-Firmen abgegeben hat.

Kommt digitaler Euro?

Im Oktober will die EU-Kommission über die Umsetzung des digitalen Euros entscheiden. Während viele die Vorteile der digitalen Währung sehen, gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre und der Rolle des Bargelds. „Der digitale Euro ist wie eine Barzahlung und hat die gleichen Vorteile wie Bargeld. Jeder Bettler kann eine Wallet haben, wenn er will. Jeder wird damit zahlen können, egal ob er oder sie bettlägerig ist oder nicht”, sagt Wolfgang Haunold, Oesterreichische Nationalbank (OeNB).

„Dem Bürger entstehen dadurch keine Kosten, und auch für die Händler sind die Kosten begrenzt. Die Kosten werden viel niedriger sein als heute. Es wäre wichtig, dass die Nutzer aufstehen und sagen, dass sie das wollen”, so Haunold. Der digitale Euro fördere auch die finanzielle Inklusion, indem er digitale Zahlungen für diejenigen bereitstellt, die zurzeit keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen haben.

Zahlen ohne Smartphone

So sollen etwa Scheckkarten ausgeben werden an alle, die kein Smartphone verwenden wollen. Wichtig ist für den Leiter des Referats für Zahlungsverkehrsstrategie der Oesterreichische Nationalbank, dass die Daten geschützt bleiben und hier in Europa lagern.

„Es geht also immer darum, wer die Daten hat. Das Euro-System will die Daten nicht sehen. Ich will nicht wissen, was ein Bürger kauft. Wir als Zentralbank wollen nicht sehen, was ein Bürger kauft”, sagt Haunold.

Vorteile für Unternehmen

Dabei hätte das System viele Vorteile für Unternehmen: „So etwas wie der Klimabonus könnte innerhalb von Sekunden an Millionen von Menschen überwiesen werden. Es gibt keine Provisionen, kein Papier und so weiter. Das ist der große Vorteil. Die elektronische Identität ist eine staatliche Anwendung, die mit der Wirtschaft kommuniziert. Oder mit den Ämtern. Mit einer digitalen Identität kann man alles von zu Hause aus am Sonntag am PC erledigen. Eine Sofortzahlung muss nicht teurer sein als eine normale Überweisung”, ist der OeNB-Experte überzeugt. Die neue Bezahlwelt steht und fällt für Roger Niederer mit dem Schutz der Daten: „Der Zahlungsverkehr kann kein Ausverkauf an amerikanische und chinesische Unternehmen sein. Die Europäer müssen über ihren Schatten springen und sagen, dass das Zahlungsgeschäft mit der zweitwichtigsten Währung der Welt, dem Euro, sollte auch in europäischen Händen liegen. Also muss man das in sein Geschäft integrieren.”

Geopolitischer Machtfaktor

Der Grund dafür ist simpel. Getreu dem Motto „Wer zahlt, schafft an”, können Mastercard und Co. innerhalb weniger Tage, wie man bei Russland gesehen hat, ein ganzes Land abschalten. „Ein Kreditkartenbetreiber wie Mastercard könnte jederzeit sagen, dass du in der Schweiz nicht mehr handeln darfst, sonst verlierst du deine Lizenz. Wir versuchen daher, diese Macht wieder nach Europa zurückzubringen. Wir hier sollten selbst entscheiden, wo wir unsere Zahlungssysteme einsetzen dürfen”, so Niederer.

Datenschutz im Griff

Für Erich Falkensteiner ist der Datenschutz ein Problem, das sich auf technischem Wege lösen lässt. „Das Loyality-Thema kann man mit Blockchain, glaube ich, schon lösen. 99 Prozent unserer Branche beschäftigen sich nicht mit Payment. Man hat einfach keine Zeit. Einmal im Jahr den Steuerberater zu fragen, wie es aussieht, ist aber nicht mehr zeitgemäß. Man muss nach vorne schauen und nicht zurück.”

Digital und automatisiert

Bei diesem Thema hakt Roger Niederer ein, der mit ReconHub eine Lösung entwickelte, die Unternehmen eine Vereinfachung und Optimierung von Buchungsprozessen bietet. Und zwar unabhängig davon, wer was wo und wie bezahlt. „Die Abstimmungssoftware ist voll digital und automatisiert, kann unbegrenzt Finanztransaktionen zu jedem Buchhaltungssystem oder ERP verarbeiten und lässt sich leicht an jede zukünftige oder zusätzliche Zahlungsmethode anpassen”, sagt Niederer.

Wer macht das Rennen?

Den Fokus auf die Zukunft legt auch Claudia Wuppinger, CMO bei Teamaxess. „Wir kommen aus dem Skibereich und haben uns im Ticketing auf Themenparks, Stadien, Parkplätze usw. spezialisiert”.

„Deshalb ist bei uns auch der Fokus, wie man mit einer Destination vernetzt zusammenarbeitet und die Bedürfnisse optimiert. Wir haben eine Software entwickelt, wo die Destinationen Anwendungen hineinschieben können”, sagt Wuppinger.
„Das ist wie bei Amazon, wo man alles in einen Warenkorb legen kann. Man kann sein Parkhaus, die Skischule, die Tankstelle auf diese Plattform schieben. Die Frage wird sein: Welche Commerceplattform gewinnt an Schluss? Was wird der neue Standard? Wird es Amazon sein, wo ich auch Hotels buchen kann?”, stellt die Teamaxess-Expertin in den Raum.

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