••• Von Evelyn Holley-Spiess
Gerade einmal drei Monate liegen zwischen den Prognosen – das erwartete Budgetloch bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) ist in diesem Zeitraum um gute 100 Mio. € größer geworden. Hatte man im November des Vorjahres noch einen Abgang von rund 800 Mio. für 2025 erwartet, so ist vergangene Woche die aktuelle Einschätzung mit einem Minus von 906 Mio. beziffert worden. Damit liegt das prognostizierte Defizit bei 4,29 Prozent bei einem Gesamtbudget von 21 Mrd. € für 2025.
Beitragseinnahmen fehlen
Bei der Ursachenforschung ganz oben auf der Liste steht die anhaltende Wirtschaftsflaute. Die ÖGK ist beitragsfinanziert – die schwache Wirtschaftsentwicklung und parallel dazu steigende Arbeitslosigkeit würden die Beitragseinnahmen reduzieren, heißt es. Die Wirtschaftsforscher sehen in ihren jüngsten Prognosen keine echte Aufhellung für die Konjunktur. Das Wifo hat das Wirtschaftswachstum für 2024 zuletzt nach unten korrigiert – auf ein Minus von 0,9 Prozent. Für das laufende Jahr geht man von einer Stagnation aus. Die monatelange Hängepartie bei der Regierungsbildung macht die Sache nicht besser.
Als weiteren Grund für das klaffende Finanzloch verweist die ÖGK auf den demografischen Wandel, sprich: die Alterung der Gesellschaft. Ältere Menschen würden häufiger zum Arzt gehen und seien öfter chronisch krank. Wobei die Arztbesuche ganz generell steigen würden.
Hauptgründe dafür sind nach Aussage der ÖGK eine massive Leistungsausweitung sowie die Entlastung der Krankenhäuser und die Verlagerung der Versorgung in den niedergelassenen Bereich.
„Diese Prognose muss die Talsohle bleiben, von der es wieder bergauf geht” – mit diesen Worten reagierte ÖGK-Co-Obmann Peter McDonald (ÖVP), der sich die Obmannschaft halbjährlich mit Andreas Huss (SPÖ) teilt, auf die aktuelle Finanzvorschau.
Finanzspritze gefordert
McDonald kündigte als Konsequenz ein internes Sparprogramm an. Investitionen etwa im Baubereich sollen aufgeschoben werden. Zudem werde es künftig mehr Controller und Ökonomen brauchen, dafür weniger Juristen. Damit allein wird es freilich nicht getan sein, zumal der umfassende Zugang zum medizinischen Fortschritt für die Patienten nicht infrage gestellt werden soll.
Daher verlangt die ÖGK auch Maßnahmen, um die Lücke einnahmenseitig zu schließen. Soll heißen: Es braucht mehr Geld von der öffentlichen Hand. Der vom Parlament geforderte Leistungsausbau sei nicht entsprechend finanziert worden. Beide Obmänner wollen daher noch vor Abschluss der Regierungsbildung das Gespräch mit den Klubobleuten im Parlament suchen. Ein weiterer Finanzierungsbeitrag des Bundes sei „natürlich unumgänglich”, sagt McDonald.
Ärztekammer alarmiert
Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) zeigt sich angesichts der jüngsten Daten in Alarmbereitschaft. „Die Kasse als wichtige Säule der Gesundheitsversorgung wackelt immer weiter”, formuliert Johannes Steinhart, Präsident der ÖÄK. Die Verantwortlichen stünden in der Pflicht, das solidarische Gesundheitssystem wieder nachhaltig zu stärken und abzusichern, appelliert er an die Systempartner. Inhaltlich gemeint ist damit neben einer gesicherten Finanzierung auch die wiederholt geforderte Umsetzung eines einheitlichen Leistungskatalogs.
„Ein Staat wie Österreich kann und muss es sich leisten, dass die Gesundheitsversorgung eine der Kernaufgaben der Bundesregierung darstellt”, setzt Edgar Wutscher, ÖÄK-Vizepräsident und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte, nach. In allen Bundesländern würden sich die Probleme zuspitzen, in einigen sei die ÖGK als Verhandlungspartner überhaupt inexistent. Die ÖÄK fordert daher einen Krisengipfel mit allen Vertretern in der Gesundheitspolitik.