••• Von Paul Christian Jezek
Für Landwirte stehen bei neuen Technologien zwei Faktoren ganz klar im Vordergrund: Sie müssen zuverlässig funktionieren und wirtschaftlich sein. – Dieser Erkenntnis von Capgemini Consulting folgend, hat die Melzer PR Group vor Kurzem die erste „Chefsache Digital Farming” im malerischen Schloss Weinzierl bei Wieselburg ausgerichtet, zu der 15 Geschäftsführer und Innovations- bzw. Vertriebschefs von führenden Landmaschinen-herstellern wie Traktorenwerke Lindner, Reform Werke, Bauer Group, CNH, Fliegl, Komptech bzw. Farmtech und Vakutec eingeladen waren.
Es geht noch zu langsam
Es gibt mittlerweile zahlreiche Apps und Anwendungen (auch) für die Landwirtschaft. Doch: Funktioniert die Technologie „draußen”? „Das ist die Frage, die mir Landwirte immer wieder stellen”, sagte Bastian Thöle, Senior Manager im Bereich Corporate Excellence & Transformation bei Capgemini Consulting. „Denn nur wenn vom Hersteller eine reibungslose Funktionalität gewährleistet wird, ist der Kunde bereit, dafür auch Geld auszugeben.” Künftig werde es viele Funktionen „on demand” geben, betonte Thöle, also Features, die erst auf dem Weg zum Feld freigeschaltet werden, nämlich dann, wenn der Landwirt sie tatsächlich braucht.
Auch eine Mietfunktion diverser Technologien werde künftig die Kosten erheblich senken und so die Digitalisierung auch in der Landwirtschaft weiter vorantreiben. Thöle: „Ein Grundproblem bei der Digitalisierung besteht darin, dass es in vielen ländlichen Gegenden noch nicht die passende digitale Infrastruktur gibt und so vieles einfach aufgrund der mangelnden Datengeschwindigkeit nicht möglich ist.”
Welche Technologien es bereits gibt und was derzeit möglich ist, ergänzte Roberto Ferrari, Managing Director der TTControl Srl, in der zweiten Keynote des informativen Nachmittags.
How to do it
„Die Herausforderung beim autonomen Fahren im sogenannten Off-Highway-Bereich stellt sicherlich die nicht vorhersehbare Beschaffenheit des Bodens und der Umgebung dar”, so Ferrari. „Felder und Wiesen sind natürlich nicht so eben wie Straßen und bieten dem autonomen System kaum Anhaltspunkte, wie es z.B. bei Fahrstreifen auf Schnellstraßen oder Autobahnen der Fall ist. Unvorhersehbare starre Hindernisse wie Steine oder Holz, aber auch Tiere stellen zudem große Risikofaktoren dar und können letztlich die Sicherheit der Landwirte und Maschinen erheblich beeinflussen.”
„Die grundlegende Voraussetzung ist somit eine modulare und sichere Plattform”, folgerte Ferrari. „Der Kunde kann in der Folge selbst entscheiden, was er für seine spezifische Landmaschine braucht und welche Funktionen dieses Modul umsetzen soll.”
Es müsse daher eine Plattform-Lösung geben, die für alle beteiligten Maschinen durchgehend einsetzbar ist: „Nur so kann die systemübergreifende Autonomisierung in der Landwirtschaft effizient und reibungslos funktionieren.”
Standards wären vonnöten
Die Diskutanten waren einig, dass es vor allem an den Händlern liegt, die neuen Technologien zu vermitteln und deren Mehrwert sichtbar zu machen.
Ferrari: „Möglicherweise braucht es hier einen Generationenwechsel, damit die Digitalisierung endgültig in der Landwirtschaft ankommt.” Hagen Adam von der AVL Commercial Driveline & Tractor Engineering, Steyr: „Diese Jahre haben wir aber nicht. Die Architekturen der Technologien müssen flexibel sein und Unvorhersehbares vorhersehen.” Das Problem seien allerdings nicht nur die Schnittstellen, so Sebastian Birx, Vertriebsleiter Precision Farming bei CNH Industrial: „Es gibt viele Maschinen auf dem Markt, die für die Digitalisierung noch gar nicht gerüstet sind. Und dann geht es vor allem um die Basis, die Plattform, die überall implementiert sein muss – und das vor allem schnell genug.”
Für einen weltweit tätigen Landmaschinenhersteller wie die Bauer Group (Voitsberg) hat die Schnittstellenthematik besondere Bedeutung: „Theoretisch müsste man jedes Anbaugerät mit jedem Traktor testen”, meinte Bauer-Vertriebschef Franz Peter Roll. „Hier wären international verbindliche Standards sehr hilfreich.”
Clemens Malina-Altzinger, Geschäftsführender Gesellschafter der Reform Werke Bauer in Wels, verwies auf die Bedeutung der Digitalisierung für kleinstrukturierte Agrarländer wie Österreich oder die Schweiz: „Wichtig ist, dass die entsprechenden Softwarelösungen dann auch für diese kleineren Betriebe erschwinglich sind.”
Für den Erfolg und die massentaugliche Implementierung der digitalen Helfer sei ein offener Austausch in der Industrie nötig, so Simon El Dib, Head of Corporate Excellence &Transformation bei Capgemini Consulting. „Der Zusammenschluss mehrerer Anbieter wird notwendig, um eine Plattform zu schaffen, die alle Wünsche erfüllt. Es ist entscheidend, dass auch in der Landmaschinen-Industrie ein Community-Gedanke entsteht!”