••• Von Dinko Fejzuli und Georg Sohler
Insgesamt 43 Tage verhandelten ÖVP und FPÖ über eine mögliche gemeinsame Koalition. So lange war auch zu befürchten, dass es – nicht nur, aber auch – im Medienbereich zu einschneidenden Veränderungen entlang der ideologischen ÖVP/FPÖ-Linie kommen würde.
Vor allem die Ideen hinsichtlich des ORF, etwa die Abschaffung der kürzlich erst beschlossenen Haushaltsabgabe hin zu einer Finanzierung des ORF durch das Bundesbudget, wurden als eklatante Bedrohung betrachtet – hätten doch Blau und Türkis den ORF damit am finanziellen Gängelband gehalten. All das kommt jetzt nicht. Eine Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos, die sich bereits auf ein neues Medien-Paket geeinigt haben, führt nun Österreich. Wie die Neuerungen im Regierungsprogramm aussehen, was die politisch Verantwortlichen, Opposition und Betroffene wie ORF, VÖZ und VÖP dazu sagen, fasst medianet in einem ersten Überblick mit Statements aller wichtigen Beteiligten zusammen. Die Koalitionspartner selbst loben ihr Programm, naturgemäß. Gefragt nach den nun anstehenden thematischen Prioritäten meint ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger auf Anfrage von medianet, Österreich brauche vor allem einen „resilienten und zukunftsfähigen Medienstandort”.
Medien-Prioritätenliste
Daher habe für die Volkspartei „die rasche Umsetzung zentraler medienpolitischer Vorhaben” oberste Priorität: Dazu zählen die Reform der ORF-Gremien, die Förderung der Digitaltransformation, eine gezielte Vertriebsförderung sowie die Einführung eines Schüler-Abos zur Stärkung des Qualitätsjournalismus.
„Nur durch konsequentes Handeln kann die Medienvielfalt in Österreich nachhaltig gesichert und der Medienstandort zukunftsfit gemacht werden”, so Egger. Bezüglich der Besetzung des obersten ORF-Aufsichtsgremiums ist ein VfGH-Urteil umzusetzen, wonach, vereinfacht betrachtet, der Einfluss der Bundesregierung bei dessen Bestellung zu minimieren ist und diese künftig nur sechs Vertreter entsenden darf. Ein Einwand seitens VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger: „Das Vorschlagsrecht bedeutet aus meiner Sicht allerdings nicht, dass es sich dabei um ‚Politkommissare' handelt.”
Insgesamt äußert sich der VÖZ-Vertreter aber durchaus positiv zum neuen Medienkapitel im Regierungsprogramm, auch wenn die Regierung bereits angekündigt hat, bei den öffentlichen Kommunikationsausgaben zu sparen, was nicht nur, aber auch vom VÖZ vertretene Medien (be)treffen würde. Grünberger im Gespräch mit medianet: „Richtig ist, dass die Maßnahmen im Medienkapitel des Regierungsprogramms einen Gutteil unserer Vorstellungen zur Sicherung des Medienstandortes adressieren, daher haben wir dies auch entsprechend positiv beurteilt. Jeder, der bereits einen legistischen Prozess beobachtet hat, weiß natürlich, dass die Mühen der Ebene in der Regel in der Umsetzung liegen. In diesem Zusammenhang ist auch die budgetäre Situation zu sehen, die für vieles eine Limitierung darstellt und auch die Werbeausgaben des Bundes betrifft. Der Rückgang bei öffentlicher Werbung trifft alle Mediengattungen – nicht nur Print. Uns geht es nicht um eine Neiddebatte, sondern um die Sicherung des heimischen Medienstandortes im Sinne von Wertschöpfung und Beschäftigung.”
Ähnlich äußert sich Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbands der Privatsender VÖP. Sie mahnt jedoch gleichzeitig ein, dass die Einsparungen vor allem auf Sozial Media-Plattformen passieren sollten: „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die öffentliche Hand – ebenso wie werbetreibende Unternehmen – Kommunikationsbedürfnisse hat, die österreichische Medien hervorragend erfüllen können, denn im Gegensatz zu Social Media-Plattformen bieten wir werbliche Qualitätsumfelder. Die geplanten Einsparungen sollten daher vor allem bei den Buchungen auf diesen Plattformen umgesetzt werden.”
Bessere Rahmenbedingungen
Für die eigene Branche wünscht sich Drumm, analog zur von der Bundesregierung angekündigten Stärkung der Förderung analoger Vertriebswege, nicht nur Unterstützung bei der Verbreitung und Zustellung von Zeitungen. Es müsse auch „für die Verbreitung von privaten Rundfunkprogrammen” etwas getan werden. Zusätzlich, so Drumm brauche es „Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen, unser vielfältiges und qualitatives Angebot aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Dazu gehören faire Wettbewerbsbedingungen im internationalen und im nationalen Wettbewerb und ein Ausbau der Förderungen für Privatsender.”
Und sie schließt auch gleich eine konkrete Forderung an: „Absolut erfolgskritisch ist die leichte Auffindbarkeit österreichischer Medien auf allen relevanten Benutzeroberflächen, wie zum Beispiel Smart TV, Smart Speaker oder Car Dashboards. Auf nationaler Ebene müssen möglichst rasch entsprechende ‚must-be-found'-Vorgaben umgesetzt werden, so wie das die neue Bundesregierung ja auch vorhat.”
„Digitalsteuer an Medien”
Bei der von der Bundesregierung angekündigten Digitalsteuer, die von den Big-Techs zu bezahlen ist, geht Drumm davon aus, dass diese zusätzlichen Mittel nicht ins Budget fließen, sondern in den Medienstandort reinvestiert werden. VÖZ-Geschäftsführer Grünberger zum gleichen Thema: „Ziel ist es, einen wesentlichen Teil der Digitalsteuer wieder mittels EU-notifizierter Förderung in den Markt zu reinvestieren, um österreichische Medienangebote zu sichern. Ich denke, das haben mittlerweile alle politischen Parteien erkannt”. Vom ORF verlangt die Bundesregierung, so das Regierungsprogramm „schlanker, digitaler, transparenter, bürgernäher, regionaler und nachhaltiger zu werden”. Mehr Geld will man ihm dafür aber nicht zur Verfügung stellen. Im Gegenteil: Die Haushaltsabgabe soll für die bis 2029 eingefroren werden. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann betrachtet das gegenüber medianet kritisch: „Das Einfrieren des ORF-Beitrags bis 2029 bedeutet eine zusätzliche Belastung, die nur mit weiteren strikten Einsparungsmaßnahmen zu stemmen sein wird.”
Und er verweist dabei auf bereits jetzt laufende Anstrengungen, die Kosten zu senken: „Der ORF setzt bis 2026 schon ein sehr striktes Sparprogramm von rund 320 Milionen Euro um. Wenn der ORF-Beitrag nun bis 2029 nicht an die Inflation angepasst werden soll, bedeutet das weitere einschneidende Sparmaßnahmen. Wir analysieren das gerade im Detail.” Generell, so Weißmann bekenne man sich zu Sparwillen, aber der ORF-Chef möchte auch bei zu großen Sparvorhaben vor den Folgen warnen, vor allem hinsichtlich des programmlichen Angebots. Er meint dazu: „Man muss auch ganz klar sagen, dass es irgendwann nicht mehr ohne Einschnitte ins Programm geht. Ich denke nicht, dass wir zu zurückhaltend sind. Mein Geschäftsführungsteam und ich setzen uns seit Beginn unserer Amtszeit laufend und mit Nachdruck für den ORF und einen starken Medienstandort ein. Wir tun dies im direkten Gespräch mit unseren Stakeholdern und nicht über die Medien.”
Häme von der FPÖ
Seitens der Nun-doch-nicht-Regierungspartei FPÖ hagelt es erwartungsgemäß Spott, Häme und Kritik, nicht nur, aber auch in Richtung ORF. Christian Hafenecker spricht gegenüber medianet von einer „Verliererampel”: „Was ÖVP, SPÖ und Neos beim ORF vorhaben, ist nichts anderes als ein ‚Weiter wie bisher'. Die Systemparteien wollen an ihrem linken Systemlautsprecher nichts ändern. Weder wird die ORF-‚Zwangssteuer' abgeschafft, noch der ORF einer so dringend notwendigen Reform in Richtung eines verschlankten Rundfunks unterzogen. Einseitige, manipulative Berichterstattung und Regierungspropaganda auf der einen, Luxusgagen sowie Privilegien für die Chefetage am Küniglberg auf der anderen Seite werden mit der Verlierer-Ampel weiter fröhliche Urständ auf Kosten der Zwangsgebührenzahler feiern”.
Hafenecker spricht sich auch gegen die Anhebung diverser Förderungen aus. Diese bewirkten „eine Stärkung der Abhängigkeit der Medien von staatlichen Zuwendungen”. Die Mediensprecherin der Grünen, Sigi Maurer, beurteilt die Anhebung genau dieser Förderungen gegenteilig, nämlich als eine „Stärkung von unabhängigem Journalismus im Land”. Aber auch sie spart nicht mit Kritik und präzisiert im Gespräch mit medianet: „Besonders bedenklich ist aus unserer Sicht die im Regierungsprogramm vorgesehene gezielte Schwächung des ORF. Das ist weder im Sinne der Bevölkerung noch wird eine Schwächung des Öffentlich-Rechtlichen der privaten Konkurrenz helfen, wie leider noch immer einige – offenbar auch in der neuen Regierung – glauben.”
„Pinke Handschrift”
Seitens der Neos sieht deren Mediensprecherin Henrike Brandstötter eine „klare pinke Handschrift” beim Medienpaket im Regierungsübereinkommen. Als Beispiel nennt sie etwa die Abschaffung des Anhörungsrechts der Landeshauptleute bei der Bestellung der ORF Landeshauptleute. „Außerdem wird mit dem Ausbau der Förderungen für Medien-Start-ups und neue Medienprodukte die Medienvielfalt gestärkt”, so Brandstötter. Und sie ergänzt: „Die Neos bekennen sich zum dualen Medienstandort, der gestärkt und auf wirtschaftlich gesunde Beine gestellt wird. Im Sinne der Zukunftsfähigkeit und Medienvielfalt bekommen die Medienunternehmen bei der digitalen Transformation die nötige Unterstützung, um unabhängigen Journalismus zu stärken.”
SPÖ & Standortpolitik
Und last but not least hieß es aus dem nun rot geführten Vizekanzleramt, dass man auf einem guten Weg sei „wie die Medienpolitik in den kommenden Jahren gestaltet werden soll. Mit einer starken und zielgerichteten Förderpolitik, der Stärkung der Unabhängigkeit des ORF, der weiteren Kontrolle von großen Plattformen in Hinblick auf Desinformation, Hass und Hetze und damit zusammenhängend dem Bekämpfen von Desinformation”.
Gefragt, was man seitens der SPÖ generell für den Medienstandort Österreich tun will, heißt es: „Aufgabe der Politik ist es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass es eine entsprechende Medienvielfalt gibt. Das tun wir, indem wir Medienförderung zur Verfügung stellen möchten, die einem breiten Medienbegriff gerecht wird. Also vom Printmedium über digitale und audiovisuelle Medien bis hin zum Medien Start-up. Die Mittel dafür sollen aus der Digitalsteuer kommen.”
Lesen Sie dazu die Interviews mit ORF-Generaldirektor Roland Weißmann, VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger und VÖP-Geschäftsführerin Corinna Drumm.
Ausführliches zum geplanten Medienpaket der neuen Regierung finden Sie außerdem hier.