„Der digitale Werbemarkt ist dysfunktional“
© VÖZ/Franz Helmreich Fotografie
Gerald Grünberger
MARKETING & MEDIA Redaktion 07.03.2025

„Der digitale Werbemarkt ist dysfunktional“

VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger über Medienkompetenzförderung, öffentliche Werbeausgaben auf Big-Tech-Plattformen und der geplanten Entpolitisierung des ORF-Stiftungsrats.

WIEN. Laut den aktuellen Zahlen der Österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK) verzeichneten die meisten Printmedien im zweiten Halbjahr 2024 rückläufige Verkaufsauflagen. Die neue Bundesregierung könnte hier gegensteuern – will man doch jungen Menschen ein Zeitungsabo schenken. medianet hat darüber mit Gerald Grünberger, dem Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ), gesprochen und ihn um weitere Einschätzung zu Vorhaben der neuen Regierung gebeten.

medianet: Herr Grünberger, die erste Reaktion des VÖZ zu den Maßnahmen im Regierungsprogramm betreffend die Medien fiel durchaus positiv aus. Etwas überraschend klingt das Verständnis für angedachte Kürzungen in den Kommunikationsausgaben des Bundes. Diese verwundert deshalb etwas, den ging es bei der Kritik an den Werbeausgaben des Bundes und insbesondere der Stadt Wien nicht eher darum, dass ein beträchtlicher Teil dieser Ausgaben bei Printwerbung vor allem an drei Medien ging und man hier eine Umverteilung nach objektiven Kriterien verlangt hat?
Gerald Grünberger: Richtig ist, dass die Maßnahmen im Medienkapitel des Regierungsprogramms einen Gutteil unserer Vorstellungen zur Sicherung des Medienstandortes adressieren, daher haben wir dies auch entsprechend positiv beurteilt. Jeder, der bereits einen legistischen Prozess beobachtet hat, weiß natürlich, dass die Mühen der Ebene in der Regel in der Umsetzung liegen. In diesem Zusammenhang ist auch die budgetäre Situation zu sehen, die für vieles eine Limitierung darstellt und auch die Werbeausgaben des Bundes betrifft. Der Rückgang bei öffentlicher Werbung trifft alle Mediengattungen – nicht nur Print. Uns geht es nicht um eine Neiddebatte, sondern um die Sicherung des heimischen Medienstandortes im Sinne von Wertschöpfung und Beschäftigung.

medianet: Bleiben wir gleich bei den Werbebuchungen des Bundes: Wie sieht hier der VÖZ diese Ausgaben auf Plattformen wie vor allem TikTok, X und anderen, die nach der Wahl von Trump zum US-Präsidenten angekündigt haben, ihre Faktencheck-Programme zurückzufahren. In diesem Zusammenhang erwähnen Sie etwa die Brand-Safety, die anders als bei den Social Media Plattformen bei den VÖZ-Mitgliedern gewährleistet sei. Sollen hier überhaupt öffentliche Gelder für Kommunikationsmaßnahmen des Bundes verwendet werden?
Grünberger: Ich denke nicht, denn öffentliche Kommunikationsbudgets sollten nicht an Plattformen fließen, die nichts zur Prävention von Desinformation und Rechtsverletzungen tun. Redaktionelle Verantwortung schafft ein sicheres Werbeumfeld, und darauf sollten Mediaplaner im Allgemeinen und vor allem jene, die Kommunikation mit öffentlichen Mitteln betreiben, im Speziellen achten.

medianet: Die neue Bundesregierung spricht in ihrem Programm von einer „Anpassung der Digitalsteuer“. Wie groß ist Ihre Hoffnung dieses Mal, dass nicht wieder Einnahmen aus der Digitalsteuer ins Budget statt zu den heimischen Medien fließen?
Grünberger: Der digitale Werbemarkt ist dysfunktional und von Marktversagen zulasten österreichischer Onlineangebote geprägt. Mehr als die Hälfte der österreichischen Werbespendings fließen an die internationalen Big-Tech-Giganten. Ziel ist es daher, einen wesentlichen Teil der Digitalsteuer wieder mittels EU-notifizierter Förderung in den Markt zu reinvestieren, um österreichische Medienangebote zu sichern. Ich denke, das haben mittlerweile alle politischen Parteien erkannt – daher ja, die Hoffnung besteht.

medianet: Erfreulich aus Sicht des VÖZ sind die Bestrebungen, die Medienkompetenz des Bundes vor allem bei Jungen zu fördern. Man will ihnen sogar ein Zeitungsabo ihrer Wahl schenken. Jetzt gibt es, mit den neuen digitalen Möglichkeiten, auch viele neue, junge Medienprojekte, die ebenfalls einen Beitrag zur Demokratie und Media Literacy beitragen. Diese scheinen hier nicht mitgemeint zu sein. Auch als Vertreter des VÖZ; sollte man diese Initiativen nicht auch mehr stärken?
Grünberger: Aus unserer Sicht geht es bei dieser Maßnahme um eine zentrale Kulturtechnik, nämlich die Lesekompetenz. Sinnerfassendes Lesen, das Verständnis von Alltagstexten und Zusammenhängen, die in Zeitungen und Magazinen umfassend über alle Lebensbereiche hinweg aufgezeigt werden, stellen gewissermaßen das Rüstzeug für informierte demokratische Partizipation dar. Es geht in diesem Zusammenhang um die massenmediale Integrationsfunktion.

medianet: Der VÖP, ihr Pendant bei den elektronischen Medien, fordert eine Einschränkung der Werbung im ORF. Es ist bekannt, dass die Werbetreibende Wirtschaft, als Alternative zum Inventar der Digitalgiganten, einen massentauglichen heimischen Werbemarkt benötigt. Schwächt deren Forderung nicht in diesem Zusammenhang den ORF als wichtigen Partner in diesem österreichischen Pool aus privaten elektronischen Medien und der Printmedien?
Grünberger: Fragen des Wettbewerbs auf dem Rundfunk-Werbemarkt zählen zu den Kernthemen des Privatsenderverbands. Wenngleich ich dies daher nicht kommentieren möchte, muss klar sein, dass der Werbemarkt für österreichische Medien derzeit gesamthaft rückläufig ist und der ORF bei seiner Finanzierung perspektivisch stark auf den ORF-Beitrag setzen muss.

medianet: Zum Schluss noch eine Frage zum ORF: Dessen Gremien müssen nach einem höchstrichterlichen Urteil neu bestellt werden. Hier hat die Bundesregierung folgende Regelung angekündigt: Das Vorschlagsrecht für drei Mitglieder des Stiftungsrates liegt beim Bundeskanzler, für zwei Mitglieder beim Vizekanzler und für ein Mitglied beim ranghöchsten Regierungsmitglied der Neos. Das klingt für manche nicht wirklich nach einer Entpolitisierung des ORF-Aufsichtsorgans. Sehen Sie das ähnlich?
Grünberger: Richtig ist, dass in Kürze das Erkenntnis des VfGH betreffend der Gremienzusammensetzung im ORF umgesetzt werden muss. Im Wesentlichen besagt dieses Erkenntnis, dass der Einfluss der Bundesregierung auf die Gremien zu groß sei. Ich denke, diesem Kritikpunkt wird aufgrund der Festlegungen im Regierungsprogramm nachgekommen: Weniger Entsendungen durch die Bundesregierung, neue Qualifikationserfordernisse für Stiftungsräte und Besetzung nach öffentlicher Ausschreibung. Die sechs Stiftungsräte der Bundesregierung – für die künftig die vorhin genannten Maßgaben gelten – sollen nach Logik der Zusammensetzung der Regierungskoalition vorgeschlagen werden. Das Vorschlagsrecht bedeutet aus meiner Sicht allerdings nicht, dass es sich dabei um „Politkommissare“ handelt.

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