WIEN. Fünf Monate nach der Nationalratswahl ist die neue Bundesregierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS angelobt worden. Für den ORF bedeutet dies, dass die unter einer anderen Regierungskonstellation drohende Finanzierung aus dem Budget nicht kommt. Dennoch steht der der ORF künftig vor einer doppelten Herausforderung: Die neue Bundesregierung fordert mehr Digitalisierung, Transparenz und Bürgernähe, zugleich soll der ORF weiter sparen – obwohl bereits ein umfangreiches Sparprogramm läuft. medianet bat dazu ORF-Generaldirektor Roland Weißmann zum Interview.
medianet: Herr Weißmann, die neue Bundesregierung verlangt vom ORF „schlanker, digitaler, transparenter, bürgernäher, regionaler und nachhaltiger“ zu werden. Zusätzlich findet sich im Regierungsübereinkommen zum ORF ein Kapitel namens „Schlankerer ORF mit bester Qualität“. Klingt für Außenstehende wie ein Widerspruch in sich. Hat man im Haus schon eine Vorstellung davon, wie ein weiterer Spagat aus weniger Ressourcen und mehr Leistung zu schaffen sein soll?
Roland Weißmann: Die Bundesregierung bekennt sich zu einem starken ORF mit einem breiten Programmangebot. Die nachhaltige und unabhängige Finanzierung des ORF durch den ORF-Beitrag bleibt erhalten. Das ist zu begrüßen, denn bei den kolportierten Plänen aus vorangegangenen Regierungsgesprächen in anderer Konstellation war das nicht immer so klar. Der ORF setzt bis 2026 schon ein sehr striktes Sparprogramm von rund 320 Millionen Euro um. Wenn der ORF-Beitrag nun bis 2029 nicht an die Inflation angepasst werden soll, bedeutet das weitere einschneidende Sparmaßnahmen. Wir analysieren das gerade im Detail.
medianet: Immer wieder ist auch die Rede davon, das programmliche Angebot des ORF zu kürzen. Hier fallen vor allem die Namen ORF Sport plus, ORF III aber auch FM4 oder das RSO. Sie haben in einem Zeitungsinterview kürzlich die Bedeutung dieser Programme hervorgehoben, aber gleichzeitig sinngemäß gemeint, dass die Entscheidung darüber letztendlich der Gesetzgeber fälle. Dies klang eher nach Hinnahme des Faktischen als Widerstand in Zusammenhang mit möglichen Plänen dieser Art. Ist der ORF hier zu zurückhaltend?
Weißmann: Jedes ORF-Angebot hat seinen Platz und seine spezifische Positionierung in der ORF-Senderflotte beziehungsweise dem ORF.at-Netzwerk. Mit diesem breiten Angebot erreichen wir jede Woche 90 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher. Ich bekenne mich in vollem Umfang zu einem sparsamen ORF, wir haben gezeigt, dass wir mit Sparvorgaben umgehen können. Aber man muss auch ganz klar sagen, dass es irgendwann nicht mehr ohne Einschnitte ins Programm geht. Ich denke nicht, dass wir zu zurückhaltend sind. Mein Geschäftsführungsteam und ich setzen uns seit Beginn unserer Amtszeit laufend und mit Nachdruck für den ORF und einen starken Medienstandort ein. Wir tun dies im direkten Gespräch mit unseren Stakeholdern und nicht über die Medien.
medianet: Künftig wird vom ORF auch eine engere Kooperation mit privaten Medien verlangt. Dies soll ihm sogar unter Umständen gesetzlich vorgeschrieben werden. Als mögliche Bereiche nennt man neben gemeinsamen KI-Rechenzentren auch Dinge wie den Sportrechte-Einkauf. Eine Idee, der Sie etwas abgewinnen können?
Weißmann: Der ORF hat in den letzten Jahren schon sehr deutlich gezeigt, dass ihm Kooperation im Sinne eines starken, eigenständigen Medienstandortes sehr wichtig ist. Wir haben eine Vielzahl von Initiativen umgesetzt, von der Videoplattform der APA, über Zusammenarbeit im Sportrechtebereich bis hin zum gemeinsamen Branchen Log In Mediakey. Es liegt auf der Hand, auch im KI-Bereich zusammenzuarbeiten wo es sinnvoll ist. Der ORF ist mit dem international preisgekrönten AiDitor hier schon recht weit.
medianet: In diesem Zusammenhang kritisieren Sie immer wieder etwa die schon bestehende Forderung der Privatsender, ihnen vom ORF mit öffentlichen Geldern produzierten Content zur Verfügung zu stellen. Könnte es hier künftig zu einer Annäherung in diesem Punkt kommen?
Weißmann: Das kann man so pauschal nicht beantworten, da damit natürlich auch komplexe wirtschaftliche und rechtliche Fragestellungen verbunden sind. Wenn auf dem Tisch liegt, was genau geplant ist, werden wir uns das ansehen.
medianet: Zur Finanzierung des ORF: Die in einer anderen Regierungskonstellation drohende Finanzierung des ORF via Budget kommt nicht, die Haushaltsabgabe bleibt, soll aber für die nächste Jahre eingefroren werden. Im ORF läuft aktuell ein 320 Millionen-Sparprogramm über vier Jahre. Bedeutet das Einfrieren der Haushaltsabgabe eine zusätzliche Belastung zu den 320 Millionen Euro und wie groß ist die Erleichterung, dass wenigstens die Haushaltsabgabe nun doch nicht gekippt wird?
Weißmann: Ich hab es eingangs schon gesagt: Den ORF-Beitrag beizubehalten ist für das Unternehmen und seine Unabhängigkeit eine gute Entscheidung. Das Einfrieren des ORF-Beitrags bis 2029 bedeutet aber eine zusätzliche Belastung, die nur mit weiteren strikten Einsparungsmaßnahmen zu stemmen sein wird.
medianet: Frage zum Schluss: Auch wenn es nicht danach aussieht, könnte die neue Regierung versuchen, personelle Veränderungen über einen dann neu besetzten Stiftungsrat an der ORF Spitze umzusetzen. Hat sich aus Ihrer Sicht, nach drei Jahren als ORF-Generaldirektor, die derzeitige Struktur und Ressortverteilung bewährt oder gäbe es Optimierungsbedarf?
Weißmann: Nichts ist in Stein gemeißelt, aber aktuell sehe ich keinen Änderungsbedarf.