„Sicher, skalierbar und dabei zukunftsfähig“
© TTTech
Georg Kopetz
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 14.11.2025

„Sicher, skalierbar und dabei zukunftsfähig“

Georg Kopetz, Mitgründer und Vorstand der TTTech, über Gebote an Technologie, Innovationskraft und Märkte.

•• Von Helga Krémer

Im selben Jahr, das technologisch Geschichte geschrieben hat – Google wurde gegründet, der iMac kam auf den Markt, Microsoft veröffentlichte Windows 98 – wurde TTTech 1998 als Spin-off der TU Wien gegründet. Heute ist ­Google nahezu allgegenwärtig und ein Synonym für das Suchen im World Wide Web. Und TTTech? Georg Kopetz, Mitgründer und Vorstand der TTTech Computertechnik AG, nahm medianet mit auf eine Entdeckungsreise.

medianet: Herr Kopetz, gemeinsam mit Ihrem Vater, Professor Hermann Kopetz, und seinem damaligen Studenten Stefan Poledna haben Sie ein Unternehmen aufgebaut, das heute weltweit tätig ist. Was war Ihre Vision damals – und wie hat diese besondere Gründungskonstellation Ihre Unter­nehmenskultur bis heute geprägt?
Georg Kopetz: Die Vision hinter TTTech entstand aus einem sehr persönlichen und zugleich strategischen Impuls. Mein Vater, Professor Hermann Kopetz, hatte bereits zwei Jahrzehnte zuvor bei voestalpine die Grundlagen für seine Forschungsarbeit zu sicheren Echtzeitsystemen gelegt – eine technologische Basis, die später zur DNA unseres Unternehmens wurde. Bei einem Ski-Trip in Garmisch-Partenkirchen traf ich meinen Mitgründer Stefan Poledna zum ersten Mal. Auf der Zugspitze, zwischen Pisten und Diskussionen über technische Herausforderungen, entstand die gemeinsame Idee: Wir wollten eine Tech Company in Wien gründen – unser ‚Silicon Wieden‘, inspiriert vom Spirit des Silicon Valley, aber mit europäischer Substanz. Unsere Motivation war klar: Wir wollten komplexe Computersysteme so gestalten, dass sie zuverlässig, sicher und in Echtzeit funktionieren – und das nicht nur theoretisch, sondern in der Praxis. Die Kombination aus wissenschaftlicher Forschung, praktischer Anwendung in der Industrie und den starken europäischen Sektoren Luft- und Raumfahrt sowie Automobil war für uns die perfekte Aus­gangslage. Diese Gründungskonstellation hat eine Unternehmenskultur geprägt, die bis heute auf Vertrauen, Interdisziplinarität und Innovationsdrang basiert.  Wir wollten nicht nur Technologie entwickeln, sondern wir wollen in enger Zusammen­arbeit mit Forschungsein­richtungen neue, innovative Ansätze in Produkte umwandeln – denn davon profitieren Industrie und Wirtschaftsstandort – das ist bis heute unser Leitmotiv.

medianet: Heute ist TTTech eine internationale Unternehmensgruppe. Was waren aus Ihrer Sicht die entscheidenden Meilen­steine auf diesem Weg? Können Sie uns ein paar Highlights dieser Reise nennen? Was gehört heute alles zu TTTech – und wo auf der Welt sind Sie aktiv?
Kopetz: Ein zentraler Meilenstein war sicher die frühe Entscheidung, unsere Technologie nicht nur in der Luft- und Raumfahrt und in der Automobilbranche einzusetzen. Wir haben bereits sehr früh mit großen internationalen Luft- und Raumfahrtunternehmen und der Audi AG zusammengearbeitet. Die Gründung von TTTech Auto 2018 und die Beteiligung von Partnern wie Samsung, Infineon und später Aptiv haben uns im Automobilsektor global sichtbar gemacht. Aber auch im Off-Highway-Markt, etwa bei Landmaschinen, Kommunalfahrzeugen oder Baumaschinen, sind wir mit unserer Steuerungstechnologie sehr gut positioniert. Diese Maschinen werden zunehmend autonom und mit der Cloud sicher vernetzt – und genau hier kommen unsere Stärken ins Spiel. Mit der HYDAC haben wir 2008 einen global aufgestellten und sehr wettbewerbsfähigen Joint-Venture Partner gefunden. Ein weiterer Bereich, in dem wir wachsen wollen, ist die Industrieautomation, die sich durch Digitalisierung und neue EU-Vorgaben zur Cybersecurity stark verändert. Mit TTTechIndustrial und TTTechDigital Solutions bieten wir sichere Cloud-to-Edge-Plattformen und Cloud-basierte Maschinenautomationslösungen – zertifiziert nach internationalen Standards, wie z.B. der industriellen Cybersicherheitsnorm IEC 62443. Das ist auch im Bereich der kritischen Infrastruktur, z.B. bei Eisenbahn oder im Energiesektor essenziell. Da haben wir mit ­TTTech Zyne seit kurzem auch ein Joint Venture mit dem Verbund.
Unsere strategischen Schwerpunkte liegen klar auf Safety und Security – das zieht sich durch alle Märkte. Ob in der Luftfahrt, wo wir höchste Sicherheitsstandards erfüllen, in der Raumfahrt, wo wir mit NASA und ESA zusammenarbeiten, oder im Energiesektor, wo wir mit TTTech Zyne die Twin Transition – also die digitale und nachhaltige Transformation des Energiesystems – aktiv mitgestalten. Technologisch setzen wir auf die zunehmende Autonomie und physikalische KI, um verlässliche Computing-Plattformen und Netzwerklösungen bereitzustellen. Das gilt für industrielle Anwendungen genauso wie für mobile Maschinen oder unbemannte Luftfahrzeuge. Und mit Blick auf die geopolitische Lage wird auch der Bereich Defense zunehmend relevant – etwa bei Satellitenkommunikation und Positionierungssystemen, wo es um die technologische Souveränität Europas geht. Kurz gesagt: TTTech steht heute für sichere, skalierbare und zukunftsfähige Technologien – und wir arbeiten jeden Tag daran, diese in neue Märkte und Anwendungen zu bringen. Wir sind weltweit aktiv und beschäftigen mehr als 1.100 Mitarbeitende an unserem Hauptsitz in Wien und den Standorten in Europa, den USA und Asien.

medianet: Herr Kopetz, TTTech hat in diesem Jahr mehrere strategische Weichenstellungen vorgenommen – darunter ein umfassendes Rebranding, der Verkauf Ihrer Anteile an TTTech Auto an NXP Semiconductors sowie die Gründung eines Joint Ventures mit Verbund. Was war der Hintergrund dieser Entscheidungen und welche Richtung schlagen Sie damit ein?
Kopetz: Diese Schritte waren Teil einer strategischen Fokussierung auf unsere Kerntechnologie – sichere, vernetzte Netzwerk- und Steuerungslösungen. Wir wollen diese in neue Bereiche und Märkte bringen mit noch stärkerer Ausrichtung auf Autonomie, künstliche Intelligenz (KI) und Nachhaltigkeit
Das Rebranding war ein Teil davon, angeregt durch unser 25-Jahr-Jubiläum 2024 – wir wollen TTTech als branchenübergreifende Marke stärken und sie gleichzeitig visuell klarer und moderner für die Zukunft aufstellen. Auf Geschäftsseite war der Verkauf unserer Anteile an TTTech Auto an unseren langjährigen strategischen Partner NXP ein wichtiger Bestandteil unserer Fokussierung auf die Kernbereiche, deren globale Skalierung und Weiterentwicklung.
Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahrzehnten unsere technologische Kompetenz weiter zu stärken und unsere Ressourcen und Lösungen gezielt für Zukunftsthemen und Zukunftsmärke einzusetzen.

medianet: Sie haben sich gegen einen Börsengang von TTTech Auto und für einen strategischen Exit entschieden. Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit europäische Tech-Unternehmen besser skalieren können?
Kopetz: Wir haben uns nicht für einen Börsengang entschieden, sondern für eine Partnerschaft mit NXP, da diese mehr strategische Gestaltungsmöglichkeiten im Automobilsektor bietet und somit für TTTech Auto die bessere Option war.
Europa braucht dringend bessere Bedingungen für Tech-Scale-ups: mehr langfristiges Kapital, weniger Fragmentierung am Kapitalmarkt und mehr Mut zur Skalierung. In Österreich brauchen wir viel mehr privates Risikokapital für Deep Tech Unternehmen. Damit Unternehmen nachhaltig wachsen können, braucht es vielleicht auch steuerliche Anreize und Beteiligungsmodelle über die Gründungsphase hinaus.

medianet: Sie haben es bereits erwähnt, aber wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen – etwa in Form von Partnerschaften oder Joint Ventures?
Kopetz: Zusammenarbeit ist für uns zentral. Wir glauben nicht an Insellösungen, sondern an ein starkes Ökosystem und suchen gezielt nach Partnern, die unsere Werte teilen und mit uns gemeinsam Innovationen vorantreiben. Unsere Technologie ist oft das Rückgrat komplexer Systeme – und das funktioniert nur im Zusammenspiel, wie z.B. mit der HYDAC bei TTControl. Das Bewusstsein in der Branche hat sich zum Glück verändert: Man erkennt, dass man gemeinsam im Ökosystem viel weiter kommen kann als im reinen Wettbewerb gegeneinander. Was mir dabei wichtig ist: Die politischen Rahmenbedingungen müssen diese Vernetzung unterstützen – nicht ausbremsen.

medianet: TTTech ist in Wien verwurzelt. Wie sehen Sie den Standort Österreich – als Innovationsstandort, als Heimat für Tech-Unternehmen? Gibt es Dinge, die Sie sich anders wünschen würden?
Kopetz: Österreich ist für uns als Standort wichtig – nicht nur, weil TTTech hier gegründet wurde, sondern weil wir hier unser globales Headquarter haben. Die Lebensqualität ist hoch, die Forschungs- und Universitätslandschaft gut aufgestellt.
Aber um als High-Tech-Unternehmen wirklich international zu wachsen, braucht es noch mehr. Wir beschäftigen Menschen aus 35 Nationen. Damit das funktioniert, brauchen wir ein Umfeld, das offen ist für Vielfalt und internationalen Austausch. Eine Einheitskultur wäre für uns ein Nachteil – wir leben von unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen.
Was ich mir wünsche, ist mehr Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. ‚Science to Business‘ läuft heute besser als zur Entstehungszeit von ­TTTech, aber es ist noch nicht dort, wo es sein könnte. Es braucht deutlich mehr Spin-offs, die Forschung in marktfähige Produkte überführen.  Innovation heißt nicht nur, neue Technologien zu entwickeln, sondern sie auch erfolgreich in den Markt zu bringen. Dafür braucht es langfristiges Denken, gute Rahmenbedingungen – und vor allem privates Kapital. Gerade Österreich hat hier noch Luft nach oben.

medianet: Laut EY Innovation Index 2025 halten Österreichs Großunternehmen trotz schwieriger Zeiten an ihren Innovationsstrategien fest. Wie sieht das bei TTTech aus – was treibt Ihre Innovationskraft?
Kopetz: Innovation ist für uns kein Luxus, sondern eine unternehmerische Notwendigkeit. Gerade in herausfordernden Zeiten zeigt sich, wer bereit ist, langfristig zu denken und konsequent zu handeln. Wir investieren gezielt in Schlüsselbereiche wie physikalische KI, funktionale Sicherheit und Cybersecurity – und das über alle Branchen hinweg. Dabei geht es uns nicht um das schnelle Ausprobieren vieler Ideen, sondern um das Durchhalten bei den richtigen Themen. Wir haben gelernt, dass technologische Lerneffekte oft dort entstehen, wo man aktiv mitgestaltet – auch wenn nicht jeder Versuch sofort zum Erfolg führt. Entscheidend ist, dass wir unsere Innovationskraft bewahren und selbstbestimmt an Zukunftsthemen herangehen. Denn nur so entstehen Lösungen, die nicht nur funktionieren, sondern Vertrauen schaffen. Wir leben in einer Zeit, die von raschen und extremen Änderungen geprägt ist, auf die Systeme und Strukturen in Unternehmen und Wirtschaft reagieren müssen. In Europa und auch in Österreich tun wir uns oft schwer mit dieser Geschwindigkeit. Wir gehen eher vorsichtig und überlegt, manchmal sogar zurückhaltend an diese Herausforderungen heran – und das Scheitern wird oft stärker gewichtet als die möglichen positiven Auswirkungen. Das hemmt den Mut zur Skalierung und die Innovation und steht im Gegensatz zu den USA, aber auch vielen Ländern im Nahen und Mittleren Osten oder Asien, die bei der Anwendung von Zukunftstechnologien viel risikofreudiger sind. Was es braucht, ist eine starke digitale Technologiebörse in Europa, die langfristiges Denken belohnt und Innovationen nicht nur in der Frühphase fördert, sondern auch beim Wachstum unterstützt. Nur so schaffen wir ein Umfeld, in dem Technologieunternehmen nicht nur entstehen, sondern auch nachhaltig wachsen können.

medianet: Was sind Ihre Pläne für das kommende Jahr – und darüber hinaus? Gibt es neue Themen, auf die Sie sich fokussieren möchten?
Kopetz: Autonomie, KI und sichere Vernetzung und Steuerung sind unsere zentralen Themen. Wir wollen Technologien entwickeln, die nicht nur funktionieren, sondern auch nachhaltig wirken – egal in welcher Branche oder Anwendung. Die Zukunft gehört vernetzten, intelligenten Systemen – und wir wollen sie mitgestalten. Dabei geht es uns nicht um abstrakte Visionen, sondern um konkrete Anwendungen. Wir arbeiten intensiv an praktischen Applikationen, bei denen KI echten Nutzen bringt. Unsere Plattformen für industrielle Echtzeitsysteme oder die KI-gestützte Bildverarbeitung für mobile Maschinen zeigen, wie KI heute schon zur Umwelterkennung, zur Sicherheit und zur Effizienzsteigerung beiträgt – etwa in der Industrie, der Energieversorgung oder der Präzisionslandwirtschaft. Aber wir dürfen nicht vergessen: Technologie verändert nicht nur Systeme, sondern auch uns als Menschen. Die Frage ist nicht nur, was künstliche Intelligenz kann – sondern was sie mit uns macht. Wir müssen das Menschliche im Digitalen bewahren. Das heißt: Verantwortung übernehmen, ethische Standards setzen und Systeme so gestalten, dass sie Vertrauen schaffen.

medianet: Wenn wir 30 Jahre in die Zukunft blicken – wo sehen Sie TTTech im Jahr 2055? Was möchten Sie bis dahin erreicht haben? Und welche Rolle soll Technologie dann in unserem Alltag spielen?
Kopetz: Die Zukunft wird immer in der Gegenwart kreiert, also unsere jetzigen Handlungen werden entscheiden, wie unsere Zukunft aussieht und diese sind natürlich auch immer durch unsere Vergangenheit beeinflusst. Somit ist für mich ein Blick in die Zukunft auch immer mit einem Blick in unseren Werdegang verbunden.  Wir konnten in über zwei Jahrzehnten, auch dank des Vertrauens unserer Partner und Kunden, viel erreichen.  Ich wünsche mir, dass wir in einem nachhaltigen Tempo weiterwachsen und TTTech 2055 ein Synonym für vertrauenswürdige Technologie ist – weltweit. Technologie soll uns nicht ersetzen, sondern befähigen. Wenn wir das schaffen, erfüllen wir unsere Mission der Sicherheit in Computersystemen.

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