Bauhaus trifft Freud
© Werkstätte Carl Auböck
Seit vier Generationen am Werk und jetzt erstmals im MAK mit einer Ausstellung gewürdigt: Das wunderbare und vielfältige Werk der Design-Dynastie Auböck.
LUXURY BRANDS&RETAIL Redaktion 12.07.2024

Bauhaus trifft Freud

Manufaktur Carl Auböck In den Objekten verschmelzen Surrealismus und gereifte Moderne.

WIEN. Die Granitplatten fliegen tief dieser Tage in der Bernardgasse, und die Fahrradfahrer müssen Umwege zwischen Schotterflächen suchen. Im Wiener Siebten entsteht gerade eine weitere Mikrozone. Grünraum und spannend gestaltetes Stadtmobiliar sind demnächst Teil davon. Mitten drin auf Hausnummer 21–23: ein Ankerplatz des österreichischen Nachkriegsdesigns, seit vier Generationen. Die Werkstätte Carl Auböck, die im 19. Jahrhundert von Karl Heinrich Auböck (1872–1925) gegründet worden ist, ist mehr als ein „Grätzel-Hero“, wie es heute heißen würde. Auch „Traditionshersteller von Wiener Bronzewaren“ greift zu kurz. Auböck ist Designhistorie in Rot-Weiß-Rot, das trifft es weit besser. Auch wenn man sich wundern mag, dass ein avantgardistisches Labor der Frühmoderne, die Wiener Stadt eines Wagner, Hofmann, Koloman Moser, nach dem Zweiten Weltkrieg in Sachen Produktdesign lange nur überschaubare Erfolge zuwege brachte. Zu den dünn gesäten Ausnahmen des österreichischen Nachkriegsdesigns zählt die Werkstätte Carl Auböck. Aber alles der Reihe nach.

Der talentierte Carl II.
Nach Firmengründer Karl I. machte eine Generation später Carl II. (1900–1957) von sich reden. Denn dieser, begabt im Zeichnen, belegte an der Wiener Hochschule für Bildende Kunst entsprechende Kurse, lernte kurz darauf bei Johannes Itten weiter, dem späteren Erfinder der Ittenschen Farblehre. Itten holte Carl II. Auböck nach Weimar, ans von ihm mitbegründete Bauhaus. Damit hatte ein Wiener Kunst- und Metallhandwerker den Fuß in der Tür der Avantgarde der Zwischenkriegszeit – und trug so maßgeblich zum Ruhm der ikonischen, handgefertigten Designklassiker aus der Werkstatt Carl Auböck bei.

Angewandte Kunst
Das Wiener MAK, das dieser Erfolgsgeschichte unter dem Titel „Iconic Auböck – Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff“ heuer eine lange überfällige Ausstellung widmet (bis 13.10.), rückt denn auch Entwürfe des Carl II. in den Fokus. Aber was heißt hier Entwürfe? Es waren zunächst stets im Rahmen der überschaubar gebliebenen Manufaktur handgefertigte Unikate, die heute in Sammlungen wie dem MoMA oder dem Londoner V&A Museum präsent sind und die einen stets signifikanten Stil aufweisen – so unverkennbar, dass der im amerikanischen Exil weilende Walter Gropius eine ganze Sammlung an Auböck-Briefbeschwerern auf seinem Schreibtisch versammelte: Füße, Hände, sonderbar gekurvte Formen aus Messingguss. Die Auseinandersetzung mit der Linie verwandelt sich in den von Carl II. Auböck geschaffenen Vasen, Aschenbechern, Schuhlöffeln oder Kerzenständern in fließende, abstrakte Ausformungen. Sie reflektieren Prinzipien des Surrealismus sowie des Objet trouvé.

Aber auch eine recht einzigartige Wiener Mischung zeichnet dieses Oeuvre aus: Betrachtet man die ungewöhnlichen Motive dieser Metallarbeiten, die das Thema Fetisch und Pflanzenmotive gleichermaßen aufgreifen, so lassen sich diese mit dem eigenwilligen Motto „Bauhaus meets Freud“ wenn schon nicht um-, so doch zumindest anreißen.

Vom Unikat zur Kleinserie
Der Sprung vom Einzelstück zur ähnlich handverlesenen Kleinserie blieb schließlich der dritten Generation vorbehalten. Carl III. Auböck (1924–1993), Architekt und Designer und beeinflusst durch die Ausbildung am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT), sorgte für diese erweiterte Vermarktung. Eigene Kooperationen mit Hermés und Tiffany erschlossen der ikonischen Werkstätte schließlich einen noch weiteren Bekanntheitskreis. Heute, in der vierten Generation, wird diese Erbe mit Augenmaß gewahrt und weitergeführt, die Kollektion lieferbarer Metallarbeiten ist gleichermaßen umfangreich wie unverwechselbar. Die nun auf City-Wohnzimmer getrimmte Bernardgasse im angesagten Wien-Neubau ist keine schlechte Adresse für dieses Kapitel Designgeschichte.

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