Marcel Wanders ist anders
© Laufen
Wanders mit dem „Falconnier Chandelier” im Laufen space Milano. Unten: „Mother-of-Pearl”-Beistelltisch aus Perlmutt für die Triennale-Ausstellung der Duson Gallery Seoul.
LUXURY BRANDS&RETAIL Markus Schraml 14.07.2023

Marcel Wanders ist anders

Die Designs des Niederländers leben von poetischer Kraft, sind mitunter provokant, aber niemals langweilig.

Mailand. Marcel Wanders liebt die Mailänder Designwoche. Den Trubel, die Heiterkeit, den Stress. Auf einem Scooter flitzt er von Termin zu Termin, trifft Partner, selten gesehene Freunde und mutiert zum Partylöwen. Er streicht Lob ein für Leistungen, die Monate zurückliegen, und spricht gerne darüber – auch mit luxury brands&retail im Mailänder Showroom von Laufen in der Via Manzoni 23. Dort präsentierte der Schweizer Keramikspezialist dieses Jahr die neue „space Collection”. Mit dabei war eine Arbeit von Wanders, der seinen The New Classic-Waschtischen, die 2019 mit einem iF Design Award ausgezeichnet wurden, drei romantische Dekors verpasste. Es ist ein Spiel mit Keramik, genauer mit der feinen Safir­keramik von Laufen. „Cosmopolitan”, „Bohemian” und „Ornamental” sind dekorative Reliefmotive, die der grundsätzlichen Härte von Keramik visuelle Weichheit hinzufügen. „Ein Dekor ist sehr floral strukturiert, eines eher ländlich, und das dritte geht in Richtung Art déco. Die Inspirationen und Einflüsse dahinter sind unterschiedlich und sehr vielfältig. Wichtig ist die Bearbeitung der Oberfläche, wodurch eine gewisse Dreidimensionalität entsteht”, sagt Wanders während des Interviews im „Laufen space Milano”.

Wider die Dogmen

Mit jedem neuen Projekt trotzt Marcel Wanders Design-Dogmen und konzentriert sich lieber auf das Ganzheitliche, Romantisch-Surreale und Archetypische als auf das Technokratische. Die Kälte der Industrialisierung will er durch Poesie, Fantasie und Anleihen aus verschiedenen Epochen der Gestaltungsgeschichte mildern.
Der Niederländer meint, dass die Art und Weise, wie das Verhältnis des Menschen und seiner künstlichen Umgebung organisiert ist, nicht sehr freundlich sei. „Grundsätzlich sind unsere Wohnungen hart, es gibt viel Beton. Deshalb brauchen wir Schichten zwischen uns und dem Gebauten. Farbe an den Wänden, Tapeten vielleicht oder ein Sofa, damit wir nicht auf dem Boden sitzen müssen. Das heißt, wir fügen Dinge hinzu, die unsere Umgebung attraktiver machen”, betont Wanders. Dieser Sichtweise folgend, nimmt das Badezimmer eine Sonderstellung ein. Keramik ist zunächst einmal hart: „Die Einrichtung ist weiß und muss Nässe aushalten. Dazu kommt, dass das durchschnittliche Badezimmer eher klein ist. Vielleicht kümmert das die Menschen nicht; mich schon, obwohl ich nicht endlos Zeit im Badezimmer verbringe. Aber viele Menschen halten sich gerne etwas länger im Bad auf.”
Wanders sieht es als seine Aufgabe an, das Badezimmer schöner zu machen. Und das sei eine Herausforderung. „Heutzutage soll es ein Ort der Entspannung sein. Das ist in einem normalen Haus gar nicht so leicht zu erreichen. Deshalb war es für uns wichtig, ein bisschen Weichheit ins Badezimmer zu bringen”, erläutert er. Diese Aussage verdeutlicht den Kern seines Schaffens: Die humanistische Perspektive, die das Leben der Menschen besser machen möchte.
In einer technokratischen Welt fehle es an Menschlichkeit, deshalb strebt Wanders nach einer zeitgenössischen „Renaissance des Humanismus”. Geschwungene Linien, feminine Formen im Design sind Ausdruck dieses Strebens. Davon profitiert neben all den Unternehmen, für die Wanders in seiner über 30-jährigen Karriere gearbeitet hat (es sind mehr als 1.900 Produkte und Raumgestaltungen dabei entstanden), auch Laufen. Es eröffnet dem Badausstatter eine zunehmend anspruchsvolle, gebildete und geschichtsbewusste Zielgruppe.

Ideen und Schönheit

Wenn über Marcel Wanders diskutiert wird – und einige Verfechter eines strikten Form follows Function-Dogmas tun dies durchaus kritisch –, taucht ein Begriff immer wieder auf: Schönheit. „Es gibt viele Dinge, die ich schön finde, aber die ich nicht einmal als Design ansehen würde. Ich denke, dass Design von Ideen und Schönheit lebt. Es muss keine große Idee sein, aber wenn man überhaupt nichts ändert, ist es nicht Design, sondern bloß ein schönes Objekt. Fein. Dagegen habe ich nichts, aber wenn ein Designer involviert ist, sollte zumindest eine kleine Idee vorhanden sein. Immerhin ist es die Aufgabe von Designern, Ideen zu haben und sie auf fantastische Weise umzusetzen”, stellt Wanders klar.

Glas und Keramik

Ebenfalls bei Laufen in Mailand zu sehen war der „Falconnier Chandelier”, ein wirklich einzigartiger Kronleuchter, den Marcel Wanders als Hommage an Gustave Falconnier, den Erfinder der „briques de verre”, kreiert hat.
Mit einer speziellen Technik stellte der Schweizer Architekt ganz besondere Glasbausteine her. Wanders kombiniert acht Hänge-Elemente aus Falconnier-Glas mit elf aus Saphirkeramik in drei Blautönen und einem in Weiß. „Gutes Design ermöglicht es, auf begrenztem Raum unbegrenzte Fantasie zu mobilisieren”, meint er.

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