Voll versorgt auf hoher See
© MSC/Conrad Schutt
LUXURY BRANDS&RETAIL Günter Fritz 30.06.2023

Voll versorgt auf hoher See

Unterwegs mit der MSC Seashore, einem der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt. Eine Reportage über eine Urlaubsart, die polarisiert wie keine andere: Die einen lieben Kreuzfahrten, den anderen können sie gestohlen bleiben.

Miami. Die Luft ist warm, weiße Sandstrände – das ist Ocean Cay auf den Bahamas. Ein idyllisches Bild, das sich den Beobachtern bietet, wenngleich irgendwie auch ein leicht schräges. Denn Ocean Cay ist eine Privatinsel der Kreuzfahrtlinie MSC Cruises, und die wenigen Beobachter, die frühmorgens schon auf den Beinen sind, stehen am Heck der MSC Seashore, die sich ruhig einem riesigen Betondock nähert. In Kürze wird eines der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt hier anlegen und nach dem Frühstück Tausende Gäste ausspucken.

Robinson-Feeling

Denen soll dort Robinson-Feeling mit Öko-Ambition geboten werden – mit allen Annehmlichkeiten, versteht sich. Nach dem Anlegen packt die Crew alles aus, was vor Ort für das leibliche Wohl nötig ist, und abends vor dem Ablegen wird wieder alles eingepackt. In der Zwischenzeit spazieren die Gäste bequem über den Schiffssteg auf das Inselparadies, planschen an einer der verschiedenen Beaches, sonnen sich, buchen eine Paddleboard-oder Schnorcheltour, besteigen den markanten Leuchtturm, um das Eiland zu überblicken, oder suchen eine der Bars oder ein Restaurant auf – und das alles immer in Sichtweite des Kreuzfahrtschiffs.
Auf der nur wenig aus dem Meer ragenden Sand-Korallen-Formation – rund 65 Meilen südöstlich von Miami gelegen, von wo Karibik-Cruises normalerweise starten, wurde früher Sand für indus-trielle Zwecke abgebaut; seit 2017 hat sie die Reederei auf 99 Jahre gepachtet und über 200 Mio. USD in deren Entwicklung investiert. Das 38,5 ha große Eiland wurde renaturiert, mit 75.000 Sträuchern, Blumen, Bäumen und 4.600 Palmen bepflanzt und zu einem exklusiven Paradies ausschließlich für MSC-Gäste gemacht.

Beliebt, aber umstritten

Die Reederei folgt damit einem Trend der Branche hin zu noch mehr Exklusivität und ausgefalleneren Attraktionen, um sich vom Mitbewerb abzuheben. Kreuzfahrten sind zwar umstritten – auch aus Umweltgründen –, aber sie boomen scheinbar ungebremst. Seit dem weitgehenden Ende der Corona-Auflagen ist die Nachfrage stärker denn je. Während die einen Kreuzfahrten nichts abgewinnen können, lieben die anderen sie – aus durchaus nachvollziehbaren Motiven, die viel mit Bequemlichkeit und den gebotenen Annehmlichkeiten zu tun haben: Man ist von einer Destination zur anderen unterwegs, ohne die Koffer ein-und auspacken und das Hotelzimmer wechseln zu müssen. Den Kreuzfahrtfans gefällt es, dass ihnen organisatorisch so gut wie alles abgenommen wird und sie sich um nichts kümmern müssen. Sie bekommen ständig ein Programm geboten, können neue Bekanntschaften schließen, Smalltalk führen und nach Herzenslust shoppen – oder sie tun auch einfach gar nichts und lassen sich treiben. Und was für viele ebenfalls wichtig ist: Man bekommt ständig etwas zu essen und zu trinken. Für viele gibt es offenbar nichts Schöneres, als den lieben Tag lang mit einem Cocktail im Whirlpool zu sitzen und sich die Sonne auf den Kopf scheinen zu lassen. Und am Ende haben sie dennoch wahrscheinlich mehr gesehen als in einem gewöhnlichen Urlaub.

Zahlreiche Attraktionen

So ein Kreuzfahrtriese bietet jedenfalls eine enorme Vielfalt an Unterhaltungs-und Freizeitmöglichkeiten, damit garantiert keine Fadesse aufkommt. Egal, ob überdimensionale Rutschen, Rennsimulator, Legoland für Kinder oder Gym und Spa samt vielfältigen Wellnessanwendungen sowie Entertainment und Bars für die Erwachsenen – für Abwechslung und Ablenkung ist gesorgt.
Und das so gut wie rund um die Uhr. Sogar eine Sportarena ist vorhanden für alle, die trotz aller anderweitiger Verlockungen aktiv bleiben und Tennis oder Fuß-, Volley- bzw. Basketball spielen wollen.

Beeindruckende Zahlen

Platz dafür gibt es genug: Die MSC Seashore ist 339 m lang, 41 m breit und 74 m bzw. 19 Decks hoch. Bei Maximalbelegung haben 5.877 Passagiere darauf Platz – plus 1.648 Crewmitglieder. Eine kleine schwimmende Stadt sozusagen, oder mehr noch ein All-inclusive-Club auf hoher See, der keine Wünsche offen lässt. Abgesehen von dem nach Einsamkeit. Denn eines ist klar: Auf einem derartigen Riesenschiff ist man selten alleine – außer vielleicht in seiner Kabine. Für jemanden, der im Urlaub üblicherweise abseits der Massen unterwegs ist und eine ursprüngliche Umgebung samt ebensolcher Atmosphäre bevorzugt, ist eine Kreuzfahrt daher nichts.

Klischees und Wirklichkeit

Manche Klischees, wie sie sich ein Kreuzfahrt-Novize vielleicht erwartet, treffen zu – etwa, was die Zahl übergewichtiger Amerikaner oder die herdentierartigen organisatorischen Abläufe bei den Landausflügen betrifft –, vieles wiederum ist aber auch unerwartet anders. Das Wine-Tasting des indischstämmigen Sommeliers aus Las Vegas entpuppt sich nach anfänglichen Befürchtungen nicht als Event für gänzlich unbedarfte Pauschalurlauber, sondern als einer, der auf engagierte Weise interessante Einblicke in das Winzergeschehen der neuen Welt und die Trinkgewohnheiten außerhalb Europas gewährt. Und auch die Köche im japanischen Spezialitätenrestaurant Kaito Teppanyaki tischen trotz lautstarker Show authentische und schmackhafte Gerichte auf.
Dennoch, zwischendurch stellt sich immer wieder einmal die Frage: Was ist real, was Fiktion oder Fake? Ein Fotospot mit Heißluftballon vor dem nächtlichen Paris fällt eindeutig in letztere Kategorie – so wie wohl auch die Walking Tour in der karibischen Hafenstadt mit der Besichtigung von Pseudosehenswürdigkeiten, obligatorischem Souvenirshop-Stopp und einem verzichtbaren Odeur von Touristennepp.
Eine virtuelle Angelegenheit sind auch die drei Meter hohe Nachbildung der Freiheitsstatue im Herzen des stets gut besuchten Spielcasinos und der weitläufige Shopping-und Unterhaltungsbereich namens Times Square – selbst wenn dort eine 8,5 m hohe LED-Wand über vier Decks die Skyline Manhattans widerspiegelt.
Die MSC Seashore ist als Hommage an New York City gestaltet und soll Entdeckergeist und kulturelle Erlebnisse repräsentieren – wer’s glaubt. Big Apple-inspirierte Designs und entsprechendes Ambiente in den diversen Bars und Lokalen sind freilich durchaus stimmig, ebenso wie die glitzernden Swarovski-Kristalltreppen.

Exklusives Flair für VIPs

Ebenso wie auf Ocean Cay gibt es auch an Bord Bereiche, die den besser zahlenden VIP-Gästen vorbehalten sind. Wer sich von den Massen absentieren möchte, bucht sich im MSC Yacht Club ein – dem exklusiven Schiff-im-Schiff-Konzept am Bug des Schiffs. Er erstreckt sich über vier Decks und bietet ein gehobenes All-inclusive-Erlebnis mit Privatsphäre, eigener Lounge und Gourmetrestaurant plus 24-Stunden-Butler-Service. Natürlich gibt es auch ein abgeschottetes Pool-und Sonnendeck sowie 131 luxuriöse Suiten in fünf Kategorien, 41 extragroße Deluxe-Grand-Suiten mit begehbarem Kleiderschrank sowie zwei Owner’s Suites. Die sind 98 m² groß und mit einem Balkon samt Whirlpool und Sitzbereich, einer Panorama-Glaswand und separatem Ess-und Wohnbereich ausgestattet. Mit dem nötigen Kleingeld lässt es sich auch auf hoher See sehr luxuriös urlauben.

Internationales Feeling

Aber auch sonst haben Kreuzfahrten bei näherer Betrachtung einiges auf der Habenseite vorzuweisen: Neben den diversen Annehmlichkeiten ist vor allem der internationale Touch speziell. Auf der MSC Seashore sind Mitarbeiter aus 45 Nationen – viele aus Indonesien, Asien oder Brasilien – beschäftigt. Der Gästemix ist ebenfalls bunt: Neben Nordamerikanern, die 40% der Passagiere ausmachen, sind vor allem Süd-und Mittelamerikaner, Europäer – Italiener, Briten, Spanier, Deutsche, Franzosen, Portugiesen, Skandinavier und Niederländer – sowie Araber und Australier an Bord. Und alle haben ihre Eigenheiten, denen Rechnung getragen werden muss, wie der aus Griechenland stammende Hotel- und Food-&-Beverage-Manager erklärt. Wer will, kann auf einer Kreuzfahrt also auch seine Sprachkenntnisse und Skills im Umgang mit anderen Nationalitäten aufpolieren.

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