••• Von Dinko Fejzuli
WIEN. Die Entwicklungen der letzten Wochen hatten einen ausschlaggebenden Einfluss auf die österreichische Medienlandschaft. Die Vorwürfe der mutmaßlichen Gefälligkeitsberichterstattung sorgen nun für einen Aufruf in Richtung Reform der Medien- und Presseförderung. medianet bat den VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger zum Interview, um einen Einblick aus seiner Sicht zum Thema Transparenz innerhalb der Medien und das Zusammenspiel zwischen Presseförderung und Parteiförderung zu erhalten.
medianet: Die Regierungsausgaben für Medien sind aufgrund mutmaßlicher Gefälligkeitsberichterstattung für Inseratenschaltungen ins Rampenlicht gerückt. Wie schätzen Sie das Zeitfenster ein, damit endlich Bewegung in eine sinnvolle Reform der Presseförderung kommt?
Gerald Grünberger: Die Entwicklungen der letzten Wochen und die daraus resultierenden Diskussionen bieten aus meiner Sicht eine Chance, gesamthaft über die Zukunft der Medienfinanzierung nachzudenken. Dabei sollten alle Elemente und Mediengattungen berücksichtigt werden, ohne das sprichwörtliche und zum Teil bewusste Vertauschen von Äpfeln mit Birnen. Ein Teil davon ist sicherlich auch die Presseförderung, die seit Längerem einer Reform harrt. Hier wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob der Gesetzgeber dieses Momentum nutzt und eine nachhaltige Reform in Umsetzung bringt.
medianet: Bei ihrer Einführung war die Presseförderung etwa so hoch wie die damals ebenfalls eingeführte Parteiförderung. Heute klafft zwischen den beiden eine große Lücke: Während die Parteiförderung stieg, wurde die Presseförderung sogar mehrmals gekürzt. Können Sie eine konkrete Summe nennen, die man dann eine echte Presseförderung nennen könnte?
Grünberger: Ich denke, eine konkrete Summe wird sich letztendlich an der Zielsetzung und den damit verbundenen Förderzielen orientieren. Es gibt selbstverständlich Referenzwerte in Europa, aus Ländern, deren Größe und Pressemarktstrukturen mit jener Österreichs vergleichbar sind. Die Schweiz oder skandinavische Länder fördern die Presse mit 50 bis 70 Mio. Euro. Das wäre aus unserer Sicht ein nachvollziehbarer Referenzwert.
medianet: Das Argument der Politik beim Thema Presse- und Medienförderung ist oftmals, dass zu wenig Mittel vorhanden sind. Sieht man sich die Ausgaben für Regierungsinserate – auch in nicht Pandemiezeiten – an, gewinnt man einen anderen Eindruck. Was ist Ihre Vermutung, warum beim Thema Presseförderung so wenig weitergeht?
Grünberger: An diversen Vermutungen möchte ich mich nicht beteiligen. Die Frage zeigt aber das Grundproblem der derzeitigen Diskussion auf. Werbekampagnen und Schaltungen der öffentlichen Hand stellen keinen Ersatz für Presseförderung – die konkrete, gesetzlich festgelegte Zielsetzungen hat – dar. Auch wenn dies von manchen ständig anderslautend behauptet wird. Die relevanten Fragestellungen sind vielmehr: Wie viel ist unabhängiger Journalismus, welcher auf überprüften Fakten beruht, unserer Demokratie wert? Und wie können sowohl Presseförderung als auch öffentliche Kampagnenplanung objektiv und transparent gestaltet werden, sodass jeglicher Verdacht einer Einflussnahme auf den Journalismus ausgeschlossen werden kann?
medianet: Welche Kriterien wären für Sie für die Vergabe der dann neuen Presseförderung wichtig?
Grünberger: In den letzten zehn Jahren hat der VÖZ zahlreiche detaillierte Vorschläge zur Reform der Presseförderung gemacht. Neben einer stärkeren Berücksichtigung qualitativer Kriterien, wie zum Beispiel Vielfalt in der Berichterstattung, wäre auch der Ausbildungsbereich eine wichtige Komponente. Ein Blick über den europäischen Tellerrand zeigt außerdem, dass ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auf die Vertriebsleistung von Zeitungen eine interessante Möglichkeit der indirekten Presseförderung darstellt – eine Maßnahme, die vor dem Hintergrund der digitalen Transformation besonders Sinn macht.
medianet: Es gibt auch Ideen, die Vergabe der Presseförderung, aber auch von Regierungsinseraten, an bestimmte Bedingungen, wie etwa eine Mitgliedschaft im Presserat, zu binden und damit auch Sanktionen – etwa nach einer mehrmaligen Verurteilung durch den Presserat – zu schaffen. Wie sehen hier die Ideen des VÖZ aus?
Grünberger: Die Mitgliedschaft bei einem Selbstkontrollorgan der Branche, wie dem Presserat, als Fördervoraussetzung ist grundsätzlich vorstellbar. Allerdings betrachte ich dies nicht als hartes Qualitätskriterium, zumal ein überwiegender Teil der Marktteilnehmer Mitglieder sind. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist aber nicht die Zahl der Schiedssprüche, sondern vielmehr der Umgang damit.
medianet: Bleiben wir beim Thema Regierungsinserate. VGN-Chef Horst Pirker fordert vehement eine gesetzliche ex-ante-Regelung für Regierungskommunikation und vor allem die Erfassung aller Ausgaben in der Medientransparenz-Datenbank. Wie steht der VÖZ zu einer gesetzlichen Regelung vor Vergabe von Regierungsinseraten?
Grünberger: Die VGN ist Mitglied des VÖZ, und Horst Pirker war viele Jahre Präsident des Verbandes, daher wird es nicht überraschen, dass die genannten Forderungen zum einem nicht neu sind und bereits seinerzeit im Zuge des Medientransparenzgesetzes diskutiert wurden, und zum anderen aus Sicht des VÖZ eine sinnvolle Maßnahme zur Steigerung von Objektivität und Transparenz bei der öffentlichen Werbevergabe darstellt.
medianet: Frage zum Schluss: Die ganze Inseraten-Causa und diverse Chats haben zum Teil auch dem Image der heimischen Medien als unabhängige Instanz einer Demokratie geschadet. Wie beurteilen Sie die Dinge, die in den letzten Wochen so publik geworden sind?
Grünberger: Die in den letzten Wochen bekannt gewordenen Umstände haben mit Sicherheit dazu beigetragen, das Grundvertrauen in Institutionen, die Politik, aber auch die Medienlandschaft zu beschädigen. Die Aufarbeitung der strafrechtlich relevanten Tatbestände ist eine Sache, das Zurückgewinnen von Vertrauen mit Sicherheit eine sehr viel schwierigere Herausforderung. Ich bitte nur zu berücksichtigen, dass man aufgrund eines spezifischen Falls nicht generell auf ein Systemversagen der gesamten Branche schließen sollte. Aber selbstverständlich sollte alles unternommen werden, damit österreichische Medien die Rolle des public watchdog glaubhaft einnehmen können.