••• Von Jakob Klawatsch
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) hat längst Einzug gehalten in den Journalismus, die Nutzung von KI-Systemen gehört zum Alltag in den Redaktionen der heimischen Medienhäuser. Im Textjournalismus wird die KI auf vielfältige Weise eingesetzt, etwa als Unterstützung bei der Recherche oder bei der Generierung oder Publikation von Texten. Die unterschiedlichen Einsatzgebiete werfen die Frage auf, ab wann ein Text, bei dessen Erstellung KI verwendet wurde, gekennzeichnet werden muss? Und vor allem: Wie kann der KI-Einsatz sinnvoll gekennzeichnet werden?
Mit diesen Fragen hat sich Katharina Schell, stellvertretende Chefredakteurin der APA – Austrian Presse Agentur, im Rahmen des APA-Geiringer-Fellowship 2024 am Reuters Institute for the Study of Journalism an der Universität Oxford drei Monate lang intensiv beschäftigt. Ihre Forschungsergebnisse hat sie jetzt im Whitepaper „Autonomie und Autorenschaft: KI-Transparenz im hybriden Journalismus” zusammengefasst und im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt.
Unklare Offenlegung
„Wir hatten im vergangenen Jahr bei der APA oft die Diskussion, ob gekennzeichnet werden muss, wenn ich etwas mit KI übersetze oder mir damit ein Transkript anfertigen lasse. Ich habe deshalb gemerkt, dass es eine fundierte Argumentation braucht, wann der Einsatz von KI gekennzeichnet wird”, erklärt Schell die Motivation hinter ihrer Forschung. Zudem habe sie festgestellt, dass der Einsatz von KI im Journalismus sehr technologiefixiert ist: Die Technologie wird in den Vordergrund gestellt, nicht der Journalismus oder die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer.
Um der Frage nachzugehen, was gekennzeichnet wird, hat sich Schell zuerst den aktuellen Diskussionsstand angeschaut. Es herrsche zwar weitgehend Einigkeit darüber, dass der Einsatz von KI im Journalismus unter gewissen Umständen transparent gemacht werden soll. Welcher Einsatz aber genau offengelegt werden soll, sei hingegen unklar. Initiativen wie der AI Act der EU seien für den Textjournalismus wenig aussagekräftig, genauso wie Leitlinien von Medienhäusern, da diese keine eindeutigen Festlegungen, was zu kennzeichnen ist und wie, ausweisen, erklärt Schell.
Autonomie entscheidend
Der Einzug von KI-Systemen in die Newsrooms habe zu einem „hybriden Journalismus” geführt Die Schlüsselfaktoren seien dabei die redaktionelle Autonomie (Wie beeinflussen KI-Systeme redaktionelle Entscheidungen?) und die Autorenschaft (Wer ist Autor des Werks?) „Es geht dabei um die Frage: Mensch oder Maschine? Also, wie viel Autonomie hat der Mensch, und wie viel die Maschine? Ich empfehle, sich hier zu fragen, wer die Entscheidungen trifft und wer der Autor oder die Autorin der Story ist”, so Schell
Im Zuge ihrer Forschungsarbeit hat die stellvertretende APA-Chefredakteurin eine Klassifizierungshilfe für Medienhäuser ausgearbeitet, die zeigt, wie sich der Einsatz von KI auf die Schlüsselfaktoren auswirkt und wann eine Kennzeichnung demnach Sinn macht.
„Wir haben bei einem Finanz-Nachrichtenfeed KI-Übersetzungen im Testeinsatz. Dort kennzeichnen wir den Einsatz von KI nicht, weil die Meldungen lediglich von der KI übersetzt werden. Sowohl die Autorenschaft als auch die redaktionelle Autonomie werden hier nicht berührt”, sagt Schell über ein hausinternes Anwendungsbeispiel.
Einblicke statt Labels
Bleibt die Frage bestehen, wie der KI-Einsatz richtig gekennzeichnet werden soll. Hier warnt Schell klar vor simplen Labels im Stil von „mit KI erstellt.” Dazu die stellvertretende Chefredakteurin: „Die Userinnen und User wissen praktisch nichts über den Einsatz von KI im Journalismus. Ein simples KI-Label kann daher dazu führen, dass den gelabelten Inhalten weniger vertraut wird, als solchen ohne ein Label.”
Eine inflationäre Benutzung solcher Labels würde sie wirkungslos machen, zudem seien sie intransparent, weil sie keine Aufschlüsse über den Entstehungsprozess des Contents geben, erklärt Schell weiter.
Stattdessen rät sie Medienhäusern, der Leserschaft einen prozeduralen Einblick zu gewähren, etwa durch zugängliche und leicht verständliche Erklärungen der redaktionellen Prinzipien und der hauseigenen KI-Guidelines.
Kennzeichnung neu denken
„Ich bin der Ansicht, dass der Transparenz- und Kennzeichnungsbedarf von KI im öffentlichen Diskurs überschätzt wird. Es ist nicht sinnvoll, bei jedem kleinen KI-Einsatz alles zu kennzeichnen. Medienhäuser sollten sich eher auf der Grundlage von öffentlich einsehbaren KI-Guidelines fragen, wo und wie stark die Autonomie der Redaktion beschnitten wird”, so Schell abschließend. Dies sollte offen nach außen kommuniziert werden – nach dem Motto „Let’s not label AI – let’s label journalism”.