„Die Wahrheit ist uns allen zumutbar”
© Martina Berger
Walter Zinggl
MARKETING & MEDIA Redaktion 29.03.2024

„Die Wahrheit ist uns allen zumutbar”

Demokratie, was ist das – und warum können sie Big Tech-Unternehmen abschaffen? Walter Zinggl zur Frage, ob Google & Co eine Gefahr sind.

Gastkommentar ••• Von Walter Zinggl

WIEN. Es war beim letzten Screenforce-Experten Forum, als ein Wissenschaftler der Universität Köln sagte: „Meta, Alphabet und Amazon ziehen bis zu 90 Prozent der globalen Werbeinvestitionen auf sich, wodurch etablierten Medienmarken die wirtschaftliche Grundlage entzogen wird. Zudem kontrollieren die Plattformen durch ihre Algorithmen die politische Öffentlichkeit. Um den Traffic zu erhöhen, fördern sie konsequent Fake News, Hate Speech und demokratiefeindliches Verhalten”, warnt Martin Andree.

Starker Tobak

„Wenn Big Tech nicht in die Schranken gewiesen wird, verabschieden wir uns ohne Not konsequent von der Demokratie. Die Plattformen verdienen mit strafbaren und kriminellen Inhalten Geld”, ist der Autor und Wissenschaftler überzeugt.(Martin Andree habilitierte 2018 an der Universität zu Köln im Fach Medienwissenschaften.)

Starker Tobak! Aber kennen wir das nicht alle aus unseren eigenen Erfahrungen?
Wer die Entwicklung seiner Facebook-Timeline oder seines Instagram-Feeds mit wachem Geist verfolgt, merkt, wie die thematische Auswahl der angebotenen Beiträge immer enger wird. Und kann dann noch weiterdenken, wie sich das auf Menschen auswirkt, die ihre „Informationen” über die Welt, aktuelle Problemstellungen oder auch wissenschaftliche Erkenntnisse ausschließlich von den „Plattformen” beziehen: Ein extremer Tunnelblick, der die Welt verengt und alles außerhalb der eigenen „like”-Welt ausschließt.

Verschiedene Standpunkte

Nun hat die Demokratie in der Antike zwar auch Frauen (also 50% der Bevölkerung) und „Unfreie” (weitere ca. 25%) von der Teilhabe am Entscheidungsprozess wie selbstverständlich ausgeschlossen.

Aber erstens leben wir nicht mehr im Athen der Antike, und zweitens sollten die letzten 100 Jahre der aufgeklärten Demokratie die Vorteile des Willensbildungsprozesses durch Argumentation für unterschiedliche Standpunkte und gemeinsame Kompromissfindung jedem Menschen aufgezeigt haben.
Aber dazu müssen die unterschiedlichen Standpunkte auch wahrgenommen werden bzw. wenigstens die Chance der Wahrnehmung für „durchschnittlich gebildeten Medien-Verwender” bieten.

Es braucht Experten

Und wer dies durch „traffic-optimierende Algorithmen” ersetzt, der gefährdet die Demokratie. Weil die Aufbereitung und objektive Darstellung unterschiedlicher Standpunkte in einer arbeitsteiligen Gesellschaft Menschen, Expertinnen und Experten benötigt. Journalistinnen und Journalisten eben. Und wer keine Journalisten beschäftigt und durch redaktionsinterne Regulative in ihrer Arbeit prüft, sondern ungeprüfte „Beiträge” durch Algorithmen selektiv reihen lässt, der zerstört die Basis der Demokratie.

Die(se) Wahrheit ist uns allen zumutbar.

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