••• Von Chris Radda und Georg Sander
Florian Holzer wurde 1966 in Mistelbach geboren; seit 1988 ist er mit dem Thema „Essen & Trinken in Wien” beschäftigt. Zu lesen sind seine Texte seitdem im Falter, im Laufe der Jahre schrieb er aber auch für Arbeiterzeitung, den Standard, trend oder die Wiener Zeitung. Einige Zeit war er bei Gault Millau stellvertretender Chefredakteur, seit 2005 is(s)t er für die Kurier Freizeit (unterwegs). Einige Bücher sind über die Jahre entstanden, für die ORF-Serie „Ochs im Glas” hat er eine Romy gewonnen. Genau hier knüpfte er 2022 für W24 an.
Als während der Lockdowns der Slogan „buy local” groß gemacht wurde, kam ihm, aufbauend auf seiner Falter-Kolumne, die Idee, eine „kulinarische Grätzlreportage” ins TV zu bringen. Er passte das Print-Konzept ans Fernsehen an, also statt der Grätzln pro Bezirk eine Folge, in der alle Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können. W24 war begeistert, im März 2022 entstand die Pilotfolge mit dem Team der kleinen Filmproduktionsfirma „Jenseide”, mit welcher er auch schon „Ochs im Glas” und weitere Formate für die Dienstagnacht auf ORF1 gemacht hatte. Es gelang darüber hinaus, die Wiener Wirtschaftskammer als Sponsor zu gewinnen. 2022 wurde die erste Staffel mit sechs Folgen ausgestrahlt, die zweite Staffel sollte in Kürze starten. Die dritte Staffel wird im Sommer gedreht, die vierte und letzte im Herbst. Alle bereits gesendeten Folgen sind auf w24.at auf unbegrenzte Zeit abrufbar. medianet hat mit Florian Holzer gesprochen.
Was es nicht alles gibt
„Ich will vor allem herzeigen, welche Nahrungs- und Genussmittel in den Grätzln hergestellt werden”, erklärt Holzer. Der begeisterte Fahrradfahrer hat jedes Mal ein anderes Bike – kein Wunder, sammelt er sie doch und zeigt so nebenbei auch, wie wichtig nachhaltige Mobilität ist. Man glaube zudem ja gar nicht, was so alles „um’s Eck” hergestellt wird. Diese topaktuellen Themen wie Nachhaltigkeit, Regionalität und Co. überzeugen.
In der Sendung zeigen sich dann die Eigenheiten der Bezirke: „Im 23. Bezirk hat sich herausgestellt, dass es dort Handwerk in großem Ausmaß gibt. In der Inneren Stadt ist alles winzig und traditionell, im siebten und achten Bezirk gibt es Start-ups wie die, die im 3D-Drucker veganen Lachs herstellen. Klischeehafter oder typischer geht es gar nicht.” Jäger Tee mischt in einer sogenannten Teetrommel, man ist in der Operngasse – länger als es die Oper gibt, die junge Start-upperin Sandra Falkner stellt Wiens einzigen Kaugummi „Alpengummi” aus Baumharz und Bienenhonig her. Holzer hat mit Andreas Gugumuck Schneckenleber verkostet und in Erwin Gegenbauers Alchimistenlabor Marillen-Essig gebraut (alle 1100). Simon Xie Hong, Chef des Restaurants On, verwandelt mit chinesischem Equipment Tofu. Flora & Rauna fermentiert Rote Rüben zu veganem Bündnerfleisch, und mit der früheren Hollywood-Kulissendesignerin Monika Sims hat er Bio-Mais in Kalk eingeweicht, gepresst und zu Tacos nach original mexikanischer Rezeptur gebacken (alle 1050). Im vierten Bezirk wurde „Rick Gin” gebrannt, und in der Zuckerlwerkstatt wurden aus brennheißem, geschmolzenem Zucker bunte Grapefruit-Zuckerln gezogen.
Holzer erfuhr im Mehlspeislabor, dass man Tarte au Citron auch mit einem Plattenspieler herstellen kann. In Inzersdorf bei Eishken Estate hat er einen zwölf Kilo schweren Lable Rouge-Lachs zerlegt und geräuchert, bei Roman Thum (beide 1230) gelernt, dass Ader-Pökelung des Beinschinkens eine chirurgische Angelegenheit ist: „Ich pfusche ja auch überall mit und versuche nichts kaputtzumachen.”
Alles ist genial
Wie genau was hergezeigt wird, hänge von den Protagonisten und natürlich auch seinen persönlichen Vorlieben ab. „Ich war schon auf der ganzen Welt und habe schon überall die Herstellung von Feinkost und Delikatessen gesehen. Vor ein paar Wochen war ich im 14. Bezirk im Aufhof das erste Mal in einer Senffabrik, bei Ramsa Wolf. Es ist berührend zuzusehen, wie ein Produkt, das man seit Kindheitstagen kennt, hergestellt wird.” Das betrifft auch die Herstellung von Zuckerln: „Verblüffend und spektakulär. Ich sehe Dinge, die ich noch nie gesehen habe. Ich bin in Wien verwurzelt, und man glaubt, man kennt alles, aber man kennt nichts.”
Spannend ist auch, dass es viele junge Menschen sind, die das Handwerk wieder machen, aber nicht nur. Es gibt Traditionalisten oder jene, die sich zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens selbst verwirklichen wollen. Es gebe alles – Florian Holzer stellt es vor. Eine gute Sache sei, dass es noch nicht genug davon gebe. Ja, in Österreich gebe es für die, die anfangen, Barrieren bürokratischer Natur und es gibt viel „Ja, dürfen s’ denn des” – aber: „Es gibt da ein geheimes Netzwerk von Köstlichkeiten. Faszinierend, was alles in unserer Nähe hergestellt wird. Wir wollen anregen, es selber zu probieren.”