Medienmoral als magischer Würfel
MARKETING & MEDIA Redaktion 28.04.2023

Medienmoral als magischer Würfel

Von allen Seiten betrachtet, ergeben sich auch bizarre Perspektiven der ORF-Reform.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

PANOPTIKUM. Die Digitalnovelle des ORF-Gesetzes ist da. Ein großer Wurf. Die beliebteste No-Fake-News-Nachrichtenseite des Landes wird gestutzt, die Österreicherinnen und Österreicher hüpfen flugs hinter die kostenpflichtigen Paywalls von Qualitätsmedien, die Medienvielfalt ist gerettet, alles wird gut. Gut ist auch, dass sich noch nicht herumgesprochen hat, dass Social Media den Nachrichtenkonsum gratis anbieten. Sonst könnte der große Wurf uns mit viel Schwung auch in die falsche Richtung schleudern. Lesen Sie mehr dazu auf den Seiten 7 und 24 dieser Ausgabe.

Der Nationalrat besiegelte am gestrigen Donnerstag auch das Aus der Wiener Zeitung in ihrer bisherigen Form. Die erste Ausgabe erschien am 8. August 1703, künftig wird sie online und „allenfalls monatlich” als Printausgabe erscheinen. Interessant ist in diesem Kontext, dass Österreich den kulturellen, touristischen Attraktionsreigen von Schnitzel, Knödel, Sachertorte, Sisi, Franz und Mozartkugeln, Lederhosen, Lipizzanern und Landtmann-Kellnern nie um die älteste Tageszeitung der Welt erweitern wollte, wohl aber erwog, den „Wiener Charme” als Weltkulturerbe schützen zu lassen. Andererseits: Allein die Tatsache, dass Träger hoher politischer Ämter einmal den Kopf frei genug hatten, um über das korrekte Anforderungsprofil des Servicepersonals in traditionellen Wiener Kaffeehäusern nachzudenken, ist im Rückblick und im Lichte der jetzigen Entwicklungen irgendwie befreiend.
Noch einmal zu Medienvielfalt und -freiheit: Die EU-Kommission stellte im September vergangenen Jahres das Medienfreiheitsgesetz („Media Freedom Act”) vor, das für mehr Transparenz und Unabhängigkeit am Medienmarkt sorgen soll. Es regelt unter anderem Kriterien wie redaktionelle Freiheit, Informationen zu Besitzverhältnissen, Finanzierung und staatliche Werbung. Raten Sie jetzt, welches Land – zuletzt im Pressefreiheitsranking tief abgestürzt – Bedenken äußerte, weil das Gesetz in die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten eingreifen könnte.

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