Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
PERPETUUM. „‚Free Speech' regiert nun die Welt. Die Wahrheit – einer der schwierigsten Begriffe überhaupt – liegt in der Meinung des Absenders”. medianet-Gründer und Herausgeber Chris Radda ließ im Rahmen der X night 2025 mit einer Keynote (u.a.) zur Disruption durch Soziale Medien aufhorchen, die so klug wie dystopisch war (Lesen Sie die Printversion dazu in der Ausgabe am 30. Mai).
Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich, man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen, alles fließt – Plattitüden, die die Unmöglichkeit der Wiederholung historischer Zustände reflektieren. Aber, und einmal gehts noch: Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. Erinnern Sie sich an den Start von Facebook? „Wer nicht auf Facebook ist, existiert online nicht”, so der häufig – auch in diesem Medium – zitierte Kommentar. Die Plattform wurde als Vorreiter einer neuen digitalen Ära betrachtet, die Präsenz auf Facebook als unverzichtbar. Dann kam sie, die neue digitale Ära – und mit ihr der Kontrollverlust.
Soziale Medien, als Versprechen vernetzter Weltoffenheit, wurden zur Infrastruktur für Desinformation, zur Propagandamaschine für Autokraten und Algorithmen, die von Polarisierung profitieren. Empörung, Echokammern und Radikalisierung in Echtzeit. Engagement, übersetzt als Wut, Angst und Simplifizierung.
Es war nicht die Technik, die enttäuschte, sondern der Glaube an ihre Neutralität. Und die Ahnungslosigkeit der Nutzer. Dazu passt die neue Struktur der Suchmaschine Google, die in den vergangenen Tagen auch hierzulande sichtbar wird: Der neue Modus der KI-Suche greift auf Googles Chatbot Gemini zurück, mit kurzen Textpassagen statt der gewohnten Linksammlung. Der „Pfeif doch auf die Quelle”-Ansatz, kombiniert mit kollektiver Bequemlichkeit, ergibt eine neue, steile Hürde für das Medienkompetenztraining. Kurz: Der nächste Akt einer Geschichte, die sich nicht wiederholt, aber reimt.
