Nicht naiv sein: KI ist „gewaltiges Werkzeug”
© APA/Hans Klaus Techt
Vizekanzler Andreas Babler
MARKETING & MEDIA Redaktion 09.05.2025

Nicht naiv sein: KI ist „gewaltiges Werkzeug”

Künstliche Intelligenz ist aus dem Alltag kaum wegzudenken, bietet Chancen und birgt Risiken. Wie sollen Medien damit umgehen?

••• Von Georg Sohler

Vor zweieinhalb Jahren löste die Veröffentlichung von ChatGPT 3.5 einen regelrechten KI-Boom aus. Der Chatbot war Ausgangspunkt einer rasanten Entwicklung: Heute generieren KI-Tools nicht nur Texte, sondern auch Bilder, Videos – und ermöglichen deren Manipulation. Wie bei jeder technologischen Neuerung eröffnet das Chancen, aber auch Risiken. „Künstliche Intelligenz kann – richtig eingesetzt – einen enorm positiven Effekt erzielen”, erklärt Medienminister und Vizekanzler Andreas Babler gegenüber medianet und wägt auch ab: „Die Automatisierung und Vereinfachung von Aufgaben ist ein sinnvoller Anwendungsbereich. Gleichzeitig können Large Language Models auch sehr negative Effekte auf das Lernen, den Umgang mit Information und Falschinformation haben und eröffnen gerade im künstlerischen Bereich ein enormes Problem beim Thema Urheberrecht.”

Effizienzsteigerung im Alltag

Desinformation ist kein neues Phänomen, wurde aber durch soziale Medien verstärkt. Heute verbreiten auch staatliche Akteure gezielt Deepfakes und Propaganda. In den Arbeitsalltag ist die KI dennoch eingezogen, wie ein Branchenrundruf zeigt.

„KI-basierte Anwendungen werden bei den Salzburger Nachrichten eingesetzt, um Prozessabläufe effizienter zu gestalten, standardisierte Arbeitsabläufe zu vereinfachen und redaktionelle Arbeit zu unterstützen”, erklärt beispielsweise Maximilian Dasch, Herausgeber der SN.

Auch bei RegionalMedien Austria nutzt man KI gezielt. Die Vorstände Georg Doppelhofer und Andreas Eisendle betonen: „Sie schafft bei repetitiven Tätigkeiten Ressourcen für das, was zählt: starke Inhalte und maßgeschneiderte Lösungen für unsere Kunden.” Im Audiobereich ortet Brigitte Kovacic von RMS Austria ähnliche Vorteile: „KI ist das ideale Werkzeug für effizientere Vermarktung: Werbespots lassen sich in Sekunden erstellen und Zielgruppen gezielter erreichen”.

Marketing und Kampagnen

Josef Almer, Geschäftsführer von Goldbach, sieht besonders im Marketing großes Potenzial: „Künstliche Intelligenz eröffnet uns in der Vermarktung völlig neue Möglichkeiten”, insbesondere bei Inventarverwaltung, Echtzeit-Werbung und datengetriebener Kampagnenoptimierung: „Konkret hat unsere Muttergesellschaft Azerion einen KI-Agenten entwickelt, um die Nutzung der gesamten Azerion-Plattform zu erleichtern und setzt gerade einen KI-Marktplatz um.”

Und auch Sky Österreich setzt auf KI – vor allem im Kundenservice und bei Content-Empfehlungen. „Anfragen lassen sich effizienter bearbeiten und personalisierte Empfehlungen verbessern”, erklärt Geschäftsführer Michael Radelsberger.

Bei ProsiebenSat.1 Puls 4 steht laut Co-CEO Bernhard Albrecht vor allem eines im Fokus: „KI soll klassische Arbeitsvorgänge ergänzen – nicht ersetzen.”  Dabei werde großer Wert auf redaktionelle Unabhängigkeit und Datenschutz gelegt.

Einsatz in der Kreation

Künstliche Intelligenz biete „sowohl in der Spotproduktion als auch bei virtuellen Story-Placements Möglichkeiten, die es auch kleineren Budgets erlauben, von der Kraft der TV-Werbung im qualitativ hochwertigen Broadcaster-Umfeld zu profitieren”, weiß ORF-Enter­prise-CEO ­Oliver Böhm. Die selbst entwickelte KI-Software „AiDitor” wurde im letzten Jahr sogar mit dem Technologie- und Innovations-Award der European Broadcasting Union (EBU) ausgezeichnet. Und für TV-Sender interessant: es gibt bereits Studios, in denen die Kameras bereits von Künstlicher Intelligenz gesteuert werden.

Claudia Ostermann-Schabata, Director Marketing & Business Development bei IP Österreich, verweist ebenfalls auf die Inhouse-Anwendung und die systematische Herangehensweise: „Der unternehmensinterne ‚KI Circle' und der ‚KI Hub' spielen dabei eine zentrale Rolle, indem sie bereichsübergreifende KI Use Cases identifizieren, die sich auf Inhalte, Marketing, Vertrieb und Prozesseffizienz konzentrieren.” Mögliche Anwendungsfelder hier sind etwa Content-Generierung, Decision-Support, Metadata-Enrichment und User-Engagement. Zudem steht allen Mitarbeitern ein Web-Interface zur Nutzung großer Sprachmodelle in einer gesicherten Cloud-Umgebung zur Verfügung, ergänzt durch die KI Academy, die kontinuierliche interne und externe Lernmöglichkeiten bietet.
Auch im kreativen Bereich lassen sich KI-Tools einsetzen, so Almer. Etwa in der Ideenfindung, beim Generieren von Moodboards oder beim Aufspüren neuer Trends: „Wir sehen KI dabei nicht als Ersatz, sondern als intelligente Ergänzung menschlicher Kreativität. Schließlich wollen wir nicht, dass alle Marktteilnehmer mit mehr oder weniger denselben (KI-generierten) Marketingmaßnahmen und Wordings auftreten.”

KI vs. Fake News

Dabei gilt es immer wachsam zu sein, weil KI-generierte Fakes enormen Schaden anrichten und das Vertrauen in Marken und Werbung untergraben können.

Rüdiger Landgraf (Programmdirektor kronehit und Head of Digital & Strategy) und Thomas Bildner (Programmdirektor Digitalsender) schätzen KI als Werkzeug, aber „die Verantwortung bleibt beim Redakteur. Deswegen ist es umso wichtiger, qualifizierte Redakteure mit guter Allgemeinbildung zu haben. Wir nutzen KI zum Formulieren von Meldungen, aber immer mit ‚Human in the Loop'.”

Dazu kommen die Probleme des widerrechtlichen Auslesens urheberrechtlich geschützter Inhalte, künstlerische Werke, Datenschutz und so weiter – die Liste ist lang. Aber am Ende steht fest, so Ostermann-Schabata: „KI kann sowohl zur Erstellung von Fake News als auch zur Bekämpfung dieser verwendet werden. Es ist entscheidend, dass Medienunternehmen Mechanismen zur Verifizierung von Inhalten implementieren und die Medienkompetenz der Nutzer.”

Regulierung begrüßenswert

Gezielte Falschinformationen sind für Medien jedoch nicht grundlegend neu, darum reagiert man schon länger darauf. „Mit Verification-Teams und Faktencheckern entgegnet der ORF der Flut an manipulierter Information und stellt vertrauenswürdigen, faktenorientierten und fundierten Journalismus sicher”, so Böhm.

Medienminister Babler verweist schließlich noch auf den wichtigen gesetzlichen Rahmen: „Der AI-Act der EU ist deswegen ein wegweisendes Stück Legislatur, das erste wichtige Regulierungsschritte in diesem Bereich setzt. Man darf sich vor der KI nicht fürchten, man darf ihr aber auch nicht blauäugig gegenüberstehen. Sie ist ein gewaltiges Werkzeug, das viele neue Möglichkeiten eröffnet.”

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