••• Von Sabine Bretschneider
Mit der Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal verbringen manche Unternehmen Jahre. Manchen fällt es fast in den Schoß. Im Traditionshaus „Hotel Stefanie” in der Wiener Leopoldstadt war es die Historikerin Marion Luger, die eine lang gehegte Vermutung vor nicht allzu langer Zeit bestätigen konnte: „Wir haben auf etwa 300 Jahre getippt”, erzählt Peter Buocz, Direktor der Schick Hotels Wien. „Und dann waren wir total überrascht.” Im Jahr 1600 nämlich scheint an dieser Adresse in der Taborstraße erstmals ein „Gastgeb” auf. Seit damals wurde das Haus als Herberge, dann als Hotel geführt. Kurz: Das Hotel Stefanie ist das älteste Hotel Wiens. Mit Brief und Siegel. Ein Goldgriff für das Marketing.
Nächster Halt: Hotel Stefanie
„Inzwischen fahren sogar die Sightseeing-Busse an dieser Adresse vorbei”, sagt Buocz. Das ermöglicht Storytelling vom Feinsten. Inzwischen ist das „älteste Hotel” auch an der Vorderfront des Hauses auf einer Tafel quasi in Stein gemeißelt. Die Gäste selbst fungieren auf diversen Buchungsplattformen längst als Markenbotschafter. „Das erzeugt einen Schneeballeffekt”, sagt der Hotelchef. Und den spürt man an den Nächtigungszahlen, aber – was noch viel wichtiger sei – an den Durchschnittspreisen: „Der Gast ist bereit, dafür auch den einen oder anderen Euro mehr auszugeben.”
Das Hotel Stefanie ist Teil der Schick Hotel-Gruppe, fünf Häuser am Standort Wien, die ein vielfältiges Portfolio darstellen – vom traditionsreichen Stefanie über das Boutiquehotel Hotel am Parkring, das bunte, zeitgeistige Capricorno und das preiswertere City Central in bester Lage bis zum Erzherzog Rainer – ebenfalls mit viel Wiener Charme gesegnet und ausgestattet.
Die Website als Herzstück
Herzstück der Positionierung ist die Website, die Visitenkarte für die ganze Welt. „Man sollte von jenen Gästen gefunden werden, die uns suchen, aber noch gar nicht wissen, dass es uns gibt”, beschreibt Buocz die Funktion des digitalen Auftritts. Bildsprache und Textierung erzählen von einem typischen Wiener Hotel, „mit allen Klischees, die die Touristen schätzen. (…) Viele Gäste suchen über Buchungsplattformen, lesen die Bewertungen, informieren sich vor der Buchung aber auf der Hotelwebsite.” Spätestens hier muss man punkten.
Die Branche ist schwieriger geworden, erzählt der Experte, der seit über 30 Jahren in der Hotellerie tätig ist, davon 23 bei den Schick Hotels. „Uns geht es gut. Aber der Grundstein dafür wurde schon vom Seniorchef gelegt.” Der „Senior”, Stefan Schick, ist der Vater des heutigen Eigentümers der Schick Hotels, Martin Schick, der das Hotel, das seit 1888 im Familienbesitz steht, inzwischen in vierter Generation führt. Buocz: „Alle fünf Häuser sind in Familienbesitz, ohne Fremdkapital finanziert. Das ist ein enormer Wettbewerbsvorteil. 95 Prozent von dem, was wir verdienen, werden sofort wieder ins Hotel investiert.”
Für das Marketing zeichnet Buocz selbst verantwortlich – unterstützt von zwei Kolleginnen. Für die Website kauft man Expertise zu; sie wurde von ncm.at erstellt, Spezialisten für Tourismus im Internet.
Eigenständig im Verbund
Seit einigen Jahren sind die Schick Hotels Partner in der Hotelvereinigung Private City Hotels, inhabergeführte Stadthotels unter einer Dachmarke, die ihren Mitgliedern Austausch und Förderung bieten. Präsent ist man derzeit in 13 Städten mit fast 60 Hotels – allesamt handverlesen und ständiger Qualitätskontrolle unterworfen. Wer bei den Bewertungen auf den gängigen Buchungsplattformen nicht zumindest im oberen Fünftel ist, gehört nicht dazu. Damit genießt man Vorteile, die sonst nur Hotelketten haben, tauscht Know-how und Mitarbeiter aus, investiert gemeinsam in die Vermarktung. Ein Schick Hotel-Lehrling etwa, darauf ist Buocz stolz, der im Hamburger Hotel Madison sein Praktikum gemacht hatte, hat eben bei der Staatsmeisterschaft der Lehrlinge in Tourismusberufen Gold geholt.
Mediale Schwarzmalerei
Was hingegen an Buocz' Nerven zerrt, ist die Schwarzmalerei im Berufsfeld Gastronomie und Hotellerie. Die Hotellerie habe wohl den einen oder anderen Nachteil, „aber auch ganz viele schöne Seiten”. Die Szenarien, die die Gewerkschaft zeichne, stünden nicht für die ganze Branche: „Aber ja, die Zeiten, wo wir uns die Mitarbeiter noch aussuchen konnten, die sind vorbei.” Die heutige Generation habe andere Ansichten, andere Bedürfnisse. Dem begegnet man auch bei den Schick Hotels seit Jahren mit professionellem HR-Management und Employer Branding.
Die allgegenwärtige Bedrohung durch Plattformen wie Airbnb lässt ihn eher kalt: „Wenn in einer Branche Konkurrenz auf den Plan tritt, dann hat es keinen Sinn, sich hinzusetzen und zu jammern.” Aber, betont Buocz, „das gilt, wenn auch gleiche Rahmenbedingungen gelten.” Am schwerwiegendsten wirke sich das bei den Sicherheitsmaßnahmen und Auflagen aus, denen man in der Hotellerie unterworfen sei. „Oder ist der Gast in einer Wohnung weniger schützenswert? Das stört uns massiv.”
Ansonsten sei es normaler Wettbewerb. Und auch viele Junge würden sehr wohl Tradition suchen – und Service. Buocz: „Früher war ein Hotel dafür da, einen Schlafplatz anzubieten. Und ohne dieses Grundbedürfnis zu stillen, geht auch heute nichts. Alles, was darüber hinausgeht, ist schlussendlich Emotion.” Und da wären wir wieder. Bei der Geschichte vom ältesten Hotel Wiens.