Trübe Aussichten für das Handelsjahr 2023
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MARKETING & MEDIA Redaktion 01.09.2023

Trübe Aussichten für das Handelsjahr 2023

Die Erwartungen waren hoch, aber die Zahlen ziehen nicht mit: Für den Handel bleibt die Lage herausfordernd.

••• Von Christian Novacek

Handelsbilanz erstes Halbjahr 2023: „Mich persönlich überraschen diese Zahlen nicht”, sagt Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), unter Verweis auf aktuelle Daten von Eurostat und Statistik Austria. Er resümiert: „Wir befinden uns in einer herausfordernden Situation.”

Denn normalerweise lautet das Lebenselixier des Handels auf Optimismus. Und gerade dieser Optimismus, der die Umsätze am Schnurren und die Kauflaune hoch hält, dünkt heuer etwas zerzaust: „Vor Jahresbeginn war die Erwartung derart, dass sich die Lage bessert. Das hat sich leider nicht erfüllt.”

Reales Wachstum fehlt

Die Zahlen zur Handelskonjunktur in den ersten sechs Monaten dieses Jahres sprechen schließlich eine unmissverständliche Sprache: Mit minus vier Prozent blieb ein reales Wachstum nun bereits das dritte Halbjahr in Folge deutlich aus. Und auch der Vergleich zum Vorkrisenniveau im Jahr 2019 ist unerquicklich: Das Absatzvolumen fällt um 4,7% geringer aus.

Was die derzeitige Situation besonders giftig macht: Die weiterhin hohe Inflation trifft 2023 auf ein nahezu stagnierendes Wirtschaftswachstum. Das Wifo prognostiziert für das Gesamtjahr 2023 eine allgemeine Teuerungsrate von 7,5% bei 0,3% realem BIP-Wachstum. „Damit schwächt sich die Inflation in Österreich weniger ab als etwa in Deutschland”, so Trefelik.

Zu viele Reglementierungen

Den offen darliegenden Weg aus der Krise ortet die WKÖ derzeit nicht, aber ein paar Stellschrauben bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ließen sich schon bewegen: „In Österreich regiert derzeit das Gold Plating”, sagt Trefelik. Und das sei in einigen Belangen mehr gut gemeint als wirklich zielführend. Als Beispiel zitiert er das Lieferkettengesetz, wo die Kontrollen sich so sehr ins Detail krallen, dass Konsternierung die Folge sein muss. „Das Lieferkettengesetz schießt deutlich übers Ziel hinaus”, so Trefelik, „wir regeln uns zu Tode.”

Statt Verwirrung im Regel-dschungel zu stiften, sei es allemal besser, die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich zu stärken, denn „der Erhalt der Betriebe ist immer der bessere Weg”. Statt (speziell) KMU mit neuen Regelungen zu überfordern solle man doch „die Betriebe leben lassen und die Möglichkeit geben, dass diese auch rentabel geführt werden können”. Zumal: „Von leeren, zugesperrten Geschäften wollen wir alle nicht leben”, so Trefelik.

Messlatte 2019

Österreich zählt zu jenen fünf EU-Ländern, die das reale Konjunkturniveau von 2019 noch immer nicht erreichen. „Die Teuerung zehrt das nominelle Umsatzwachstum im Einzelhandel den neunten Monat in Folge auf”, erläutert Handelsforscher Peter Voithofer die reale, preisbereinigte Entwicklung: „Das Absatzvolumen ist im ersten Halbjahr 2023 um 3,8 Prozent gesunken, während die Umsätze nominell um 4,4 Prozent zugelegt haben.”

Auf Dauer entwickelt sich hier ein unschöner Gap: Denn auf der anderen Seite sind die Händler zur Jahresmitte 2023 insbesondere damit konfrontiert, dass die Kosten seit 2020 deutlich gestiegen sind.
Gleichzeitig steigen die Umsätze aber nicht im vergleichbarem Ausmaß – schon gar nicht, wenn man die Inflationsrate mit einrechnet. Die Auswirkungen auf die Ertragskraft der Unternehmen ist potenziell schauderhaft.
Was das Ganze letztlich absurd macht, ist die öffentliche Diskussion: Während der Handel (mitunter erfolglos, auch die Zahl der Schließungen und Insolvenzen steigt) teils ums Überleben kämpft, wird ihm seitens der Konsumentenvertreter das Gegenteil, nämlich die Bereicherung (Stichwort: Gierflation), vorgeworfen.

LEH zu Unrecht diffamiert

Das beste Beispiel liefert hier der Lebensmittelhandel: Seitens der AK hallen die Vorwürfe der Preistreiberei laut – indes liegt die Teuerungsrate bei Lebensmitteln klar unter dem EU-Durchschnitt und auch unter dem Niveau Deutschlands – wiewohl hier festgehalten werden muss, dass das Preisniveau in Deutschland generell niedriger ist als hierzulande.

Ergo steht speziell der LEH unter Generalverdacht. Eine für den Oktober erwartete Einschätzung der Bundeswettbewerbsbehörde könnte hier die notwendige Klarheit schaffen (siehe Story auf Seite 46), allerdings bleibt fraglich, ob faktische Wahrheit dann einen positiven Imagewandel bewirkt.

Energiepreise überzogen

Abgesehen vom LEH ist Österreich, was die Teuerung betrifft, leider in vielen Belangen Spitzenreiter. Speziell die Energiepreise liegen mit einer Teuerung um 17,8% weit über dem EU-27-Durchschnitt (+6,6%, siehe Grafik oben). Die Unbill trifft Konsumenten und Unternehmen gleichermaßen – und das en detail: „Im Großhandel sinken zwar die Preise”, so Trefelik, „es kommt aber nicht an.”

Die Teuerung zehrt letztlich das nominelle Konjunkturplus im Einzelhandel auf – das erschütterte Konsumentenvertrauen tut ein Übriges.

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