"Wir betreiben Markenforschung"
© Yannik Steer
MARKETING & MEDIA Redaktion 17.06.2022

"Wir betreiben Markenforschung"

Jährlich gibt der BrandAsset Valuator von Scholz & Friends Wien u.a. ­Auskunft darüber, wo Marken im Mindset der Konsumenten stehen.

••• Von Dinko Fejzuli

WIEN. Im Jahr 2022 sind die Österreicherinnen und Österreicher bei der Markenwahrnehmung so hin- und hergerissen wie noch nie zuvor. Das Motto lautet quasi: Diskont vs. Premium, Gesundheit vs. Genuss, trautes Heim vs. Sehnsucht nach der Ferne. Das Fazit vorab: Die Extrempole sind auf dem Vormarsch.

Genau diese Stimmung spiegelt auch die aktuelle BrandAsset Valuator-Studie von Scholz & Friends Wien, die umfassendste und am längsten laufende Markenstudie der Welt, wider. Denn: Während letztes Jahr die Krise bereits weitestgehend überwunden schien und die Menschen in finanzieller Hinsicht wieder deutlich optimistischer in die Zukunft blickten, zeigen die aktuellen Daten, dass sich ein Schleier des Pessimismus über das Land legt. 36% aller Befragten geben an, dass sie ihre persönliche finanzielle Zukunft in einem Jahr schlechter als derzeit einschätzen (siehe Tabelle).
Wenig verwunderlich, dass in Zeiten hoher Inflation und der damit einhergehenden Preis-sensibilität gerade Marken mit Niedrigpreis-Wahrnehmung profitieren. Im BAV wurde dies durch den Aufstieg von Diskont-Marken wie clever, Penny und Lidl, die 2022 allesamt in puncto Markenstärke stark profitieren, klar ersichtlich.
Eine weitere Erkenntnis: Der Preis spielt zurzeit zwar eine essenzielle Rolle, aber nicht die einzige, weil: Der Krisenmarathon reißt die Menschen hin und her. Davon profitieren entweder diejenigen Marken, die Sicherheit vermitteln, oder jene Marken, „die zum Träumen” einladen.

Die gefährliche Mitte

„Marken müssen heute mehr denn je eine klare Position einnehmen, um nicht in der Mitte unterzugehen”, so Sebastian Bayer, CEO Scholz & Friends Wien. Im Interview mit medianet spricht Bayer von einer „Zerrissenheit” auf der Konsumentenebene. Eine Folge sei, dass Menschen als Gegenreaktion Sicherheit suchen. Bezogen auf Marken, zeige hier der BAV, wie sich diese entwickeln würden und wo sie aktuell überhaupt stehen. „Gerade in Zeiten wie diesen ist das spannend. Wir leben in einer Phase der Unsicherheit. Vom Aufschwung, über Corona, dann wieder ein Aufschwung und dann die nächste Krise mit dem Ukrainekrieg. Viele stellen sich in dieser Situation die Frage, was heißt das für meine Marke und was kann ich tun”, so Bayer. Und genau hier helfe der BAV.

Differenzierte Lage

Denn: In den unterschiedlichsten Lebensbereichen zeigt sich diese Polarisierung der Menschen, wenn es um die Bewertung der Marken geht: Einerseits gewinnen Marken rund um die eigenen vier Wände stark an Bedeutung, andererseits aber auch Marken, die den Ausbruch aus ebendiesen ermöglichen. So verbessert sich Gardena um 105 Plätze im Markenstärken-Ranking, Kärcher legt um 71 Plätze zu und Ikea um zehn. Auf der anderen Seite profitieren auch Marken wie die Austrian Airlines (+188 Plätze), Booking.com (+42 Plätze) und die ÖBB (+10 Plätze).

Wohin mit dem Geld?

Wie bereits erwähnt, macht die Inflation auch vor Österreich nicht Halt. Menschen spüren die Preiserhöhungen in allen Bereichen ihres Lebens. Marken, die hier Abhilfe verschaffen, steigen deutlich in der positiven Wahrnehmung. Als Gegenpol dazu schaffen es aber auch Premium-Marken, die die Menschen in schwierigen Zeiten träumen lassen, an Markenstärke zuzulegen.

Beim Thema Discount konnte Penny (+186 Plätze), clever (+86 Plätze) und geizhals (+26 Plätze) deutlich zulegen.
Aber: Bayer warnt vor Panik bei den Markenverantwortlichen: Eine „Aktionitis” helfe in so einer Situation wenig und wenn, dann nur kurzfristig, „aber langfristig sind das die Marken, die, sobald es generell wieder nach oben geht, jene sind, mit denen die Konsumenten wieder weniger oder gar nichts mehr zu tun haben, weil sie an die Krise erinnern”, so Bayer.
Man solle sich gerade in einer schwierigen Situation fragen, „was die Marke bei den Menschen relevant macht, wie kann sich dies verstärken und was differenziert mich vom Mitbewerb”.

BAV hilft bei der Relevanz

Bayer ist auch überzeugt davon, dass „jede Marke eine Geschichte hat, die es wert ist, erzählt zu werden. Man muss sie nur finden.”

Und genau hier setze der BrandAsset Valuator an, weil er genau herausarbeite, „was diese differenzierende, klare Geschichte” sei. Denn, so Bayer weiter: „Sie muss ja irgendwann mal dagewesen sein, denn sonst hätte sich das Unternehmen ja bisher nicht etablieren können.”
Ein weiterer und wesentlicher USP des BrandAsset Valuator sei, so Bayer, dass man hier auch Markenforschung betreibe. „Das ist ein über Jahrzehnte bewährtes Modell, das Auskunft darüber gibt, wie meine Marke im Moment ist und wie gut ihre Story ist.”
Denn während man in der Marktforschung Auskunft darüber erhalte, wie gut man bei bestimmten Attributen sei, die man selbst vorher ausgewählt hat, gibt der BAV als Markenforschungstool Auskunft darüber, wo ich als Marke in den Köpfen der Menschen verortet bin und wo ich im Vergleich zum Mitbewerb und auch zu anderen Branchen stehe”, so Bayer über die gesamtheitliche Betrachtungsweise des BAV.
Und welche Ergebnisse liefert die aktuelle Scholz & Friends BAV-Studie noch?
Durch die Coronapandemie ist auch das Thema Gesundheit in den letzten zwei Jahren verstärkt in den Vordergrund gerückt und spielt auch dieses Jahr weiterhin eine wichtige Rolle. Als Ausgleich zur Gesundheit kommt dieses Jahr ein Streben nach eventuell ungesunder Versuchung zum Vorschein.
So gewinnen Marken wie zurück zum Ursprung (+95 Plätze), AMA Biosiegel (+65 Plätze) oder Ja! Natürlich (+13 Plätze).
Auf der anderen Seite können aber auch Burger King (+265 Plätze), Kelly’s (+54 Plätze) oder auch Magnum (+32 Plätze) zulegen. Bayer spricht hier von einer „Unvernunft”, der sich die Menschen in Zeiten wie diesen auch gerne hingeben, um sich etwas Gutes zu tun.
Und der BrandAsset Valuator könne diese Verhalten auch erklären: „Menschen suchen nach den Extremen zwischen Vernunft und Unvernunft. Marken, die einen dieser beiden Pole gut und glaubwürdig bedienen können, steigern heuer ihre Markenstärke und können von dieser gesellschaftlichen Entwicklung profitieren”, so Bayer.
„Gefährlich” sei nur die Mitte, denn: „Wenn die Konsumenten nicht wissen, wofür du stehst, haben sie auch keinen Grund, dich zu kaufen”, so Bayer.
„Jetzt müssen sich Marken selbst treu bleiben und sich darüber im Klaren sein, was sie den Menschen bieten können – und was nicht.”
Und auch Andreas Roitner, Head of Strategy bei Scholz & Friends Wien, verdeutlicht nochmals die Bedeutung drastischer Veränderungen in der Markenlandschaft, die im BAV abzulesen sind: „Aufgrund der schnellen Abfolge von Krisen sind die Menschen verunsichert und pendeln zwischen den Extremen. Sie schätzen Marken, die sehr rational über günstige Preise oder Qualitätsversprechen Vernunft vermitteln und Sicherheit geben, hegen jedoch gleichzeitig den Wunsch nach Ausbruch mittels Marken, die sehr emotionale Erlebnis- und Genuss-Versprechen abgeben.”

Robuste Marken

Betrachtet man die 49 erhobenen Imageattribute, setzt sich dieses Bild fort. Marken, die entweder stark für Robustheit oder Kreativität stehen, können sich in den Köpfen der Menschen dieses Jahr stark behaupten. Als besonders robust gelten unter anderem Miele, Bosch und Siemens. Zu den Marken, die als äußerst kreativ wahrgenommen werden zählen unter anderem Lego, Disney und Ikea. Der Gegensatz zwischen der Robustheit und der Kreativität zeigt erneut die allgemein vorherrschende Spannung zwischen dem Streben nach Sicherheit und dem gleichzeitigen Verlangen nach Freiheit.

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