Zeit für Zukunftsarbeit
© Anne M. Schüller
Anne M. Schüller
MARKETING & MEDIA Redaktion 15.07.2021

Zeit für Zukunftsarbeit

Die größte unternehmerische Bedrohung ist der Mangel an Innovationen. Freiraum für Zukunftsprojekte ist deshalb elementar. Denn der Erfolg von gestern sagt rein gar nichts über den Erfolg von morgen.

Gastkommentar ••• Von Anne M. Schüller

Haben Sie sich schon einmal gemeinsam mit Ihren Kollegen gefragt, wodurch, an welcher Stelle, wie und warum ein smartes Jungunternehmen Sie plattmachen könnte? Eine der Möglichkeiten, um das zu verhindern, ist Spielzeit für kontinuierliche Innovationen. Dabei bringt man auch Lösungen in den Markt, die den eigenen Produkten Konkurrenz machen können oder diese komplett verdrängen. Nur leider: Viele Unternehmen optimieren lieber ihre Vergangenheit, statt Neues zu wagen.

Deren Manager sind keine Gestalter, sondern Verwalter, weil das System, in dem sie Verantwortung tragen, Wagemut nicht belohnt. Punktlandungen auf Planvorgaben werden von ihnen verlangt – und bonifiziert. Ideenlosigkeit, Risikoscheue und Zögerlichkeit sind die Folge. Man dreht lieber an kleinen Schräubchen, aber nicht am großen Rad. Man favorisiert Innovatiönchen im Trippelschrittmodus, aber keine Neuorientierung. So hat Bahnbrechendes in etablierten Organisationen sehr schlechte Karten. Doch mit schlechten Karten verliert man ein Spiel.

Frühzeitiges Innovieren: ein Muss
Überall auf der Welt definieren Visionäre gerade das Mögliche neu. Bahnbrechende Innovationen kommen am laufenden Band und wie aus dem Nichts. Mutige neue Anbieter mit ihren frischen, frechen, wilden, kühnen Ideen schieben sich immer weiter nach vorn. Sie erwirtschaften Megaumsätze mit Technologien, die es vor wenigen Jahren noch nicht einmal gab. Sie besetzen die Geschäftsfelder der Zukunft und werden ganze Industrien verändern.

Doch im Neuland gibt es keine Erfolgsgarantie. Am Anfang einer neuen Technologie lässt sich höchstens erahnen, wo sie uns hinführt. Jede Innovation ist zugleich Anstoß für weitere Innovationen. Die fortwährende Neukombination digitaler Applikationen erzeugt vielerlei Wechselwirkungen, die man im Vorfeld gar nicht absehen kann. Jede technologische Verbesserung führt zudem dazu, dass die nächste Verbesserung rascher erreicht werden kann. Bei einer derart unvorhersehbaren Dynamik ist es unmöglich, im Voraus zu wissen, was funktionieren wird und was nicht. Wer zaudernd abwarten will, wie sich das Ganze entwickelt, wird den Anschluss verpassen und steuert ins Aus.

Spielraum für Zukunftsprojekte
Für Innovationen haben Sie eine Abteilung? Besser ist es, die „Weisheit der Vielen“ zu nutzen und jeden hilfreichen Einfall zu integrieren, ganz egal, woher er kommt. Je mehr unterschiedliche Perspektiven eingebracht werden, desto eher werden anstehende Aufgaben wirksam gelöst und gänzlich neue Ideen gefunden. Gerade die ambitionierten internen Quer- und Weiterdenker haben einen Riecher für Chancen am Markt. Geben Sie diesen Personen und ihren anfangs oft vagen Vorstößen Raum zur freien Entfaltung.

„Eigenzeit“ zwecks Fortentwicklung kreativer Gedanken ist unglaublich wichtig. Denn in der Hektik des Tagesgeschäfts bleibt meist keinerlei Luft, sich ausgiebig und intensiv mit der Zukunft des Unternehmens zu befassen. Gestatten Sie ambitionierten Freigeistern also zum Beispiel, vier bis sechs Wochen lang jeden Freitagnachmittag an eigenen Projekten arbeiten zu dürfen. Lassen Sie sie in dieser Zeit unbehelligt, verlangen Sie auch keine Zwischenberichte. Am Ende der festgelegten Zeit sollen sie unternehmerisch sinnvolle Vorschläge für das weitere Vorgehen machen.

“Eigenzeit” führt zum Erfolg
Gore, Hersteller von Gore-Tex, hat schon vor Jahren die Steckenpferdzeit implementiert. Von Google ist die 20-Prozent-Spielzeit bekannt. In dieser Zeit durften die Leute an Projekten arbeiten, die sie persönlich interessierten. Marissa Mayer, die bei Google federführend tätig war, hat dort einmal alle Innovationen nach ihrem Ursprung ausgewertet. „50 Prozent aller neuen Google-Produkte kamen aus dieser 20-Prozent-Zeit. Wenn man wirklich intelligenten Menschen wirklich gute Tools an die Hand gibt, dann entwickeln sie sehr gute Dinge. Und sie tun das mit viel Leidenschaft und Dynamik“, sagte sie anlässlich einer Vorlesung an der Stanford University.

Der Softwarehersteller Adobe macht Innovationen zu einem gelebten Teil der Unternehmenskultur. Dazu wurde ein Tool namens Kickbox entwickelt, mit dem Adobe seine Mitarbeiter zu Erfindern macht. Wer an diesem Programm teilnehmen will, erhält im Rahmen einer Einführungsveranstaltung eine rote Schachtel. Sie enthält Anweisungen, um selbst einen Innovationsprozess zu starten. Außerdem befindet sich in der Box eine Prepaid-Kreditkarte mit einem Limit von 1.000 Dollar für die Anschubfinanzierung. Die Beschäftigten können sich für bis zu 40 Prozent ihrer Arbeitszeit freistellen lassen, um an ihrem Projekt zu arbeiten.

Das Buch zum Thema
Anne M. Schüller
Querdenker verzweifelt gesucht
Warum die Zukunft der Unternehmen
in den Händen unkonventioneller Ideengeber liegt
Mit einem Vorwort von Gunter Dueck
Gabal Verlag 2020, 240 Seiten
ISBN: 978-3-86936-998-3

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