Obwohl immer mehr Elektrofahrzeuge zugelassen werden, hält sich hartnäckig das Gerücht, E-Autos würden öfter in Brand geraten. Durch Elektrifizierung und immer mehr IT an Bord neuer Autos stehen auch Pannendienste vor Herausforderungen.
Wie der ÖAMTC mit den wachsenden Aufgaben umgeht, wie Pannenhelfer auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden und wie es mit der Elektrifizierung der Flotte der „Gelben Engel“ aussieht, erläutert Oliver Danninger, Bereichsleiter Technik beim ÖAMTC.
medianet: Wie sehr haben sich die Aufgaben bei der Pannenhilfe durch Hybrid- und E-Fahrzeuge verändert?
Oliver Danninger: Durch die neuen Antriebsstrangtechnologien hat sich die Pannenhilfe nicht grundlegend verändert. Wichtig ist, dass unsere Pannenfahrer die richtigen Schulungen absolvieren, was etwa das Hochvolt-System anbelangt. Mit diesen verpflichtenden Schulungen haben wir bereits im Jahr 2014 begonnen. Es braucht sowohl für das Arbeiten an Elektrofahrzeugen als auch für das Abschleppen die richtige Qualifikation. Dieses Know-how haben wir frühzeitig aufgebaut. Im täglichen Betrieb, wenn wir unseren Mitgliedern helfen, ist die zusätzliche Komplexität überschaubar. Die häufigsten Pannen betreffen die 12-Volt-Batterie, die es auch in einem Elektrofahrzeug gibt, oder Probleme mit den Reifen.
medianet: Bräuchte es heute nicht drei Techniker, einen für den Verbrenner, einen für den E-Bereich und einen Spezialisten für den Bordcomputer? Können Sie da immer helfen?
Danninger: In den allermeisten Fällen können wir weiterhelfen, das sehen wir an unserer Weiterfahr-Quote, die wir auch im internationalen Vergleich genau analysieren. Aber ja, es braucht diese drei Professionen. Bei uns benötigt ein Pannenfahrer eine fundierte Ausbildung und viel Erfahrung, sowohl im Kontext der mechanischen Bauteile, genauso wie bei der Elektrik und Sensorik. Heute, und noch mehr in Zukunft, gewinnen Steuersysteme und digitale Funktionen an Bedeutung. Dafür gibt es bei uns sehr intensive Schulungsprogramme mit internen Techniktrainern, die Informationen von den Herstellern erhalten. Über die Jahre haben wir auch eine umfangreiche interne Datenbank mit Tipps aufgebaut.
Zu den technischen Kompetenzen kommt noch eine weitere hinzu, die des Psychologen. Gibt es etwa auf einer Autobahn zu einer Panne oder es wird der falsche Kraftstoff getankt, dann sind Menschen in einer Stresssituation. Dann liegt es an uns, zu beruhigen und den Menschen in dieser Ausnahmesituation unterstützend beiseite zu stehen.
medianet: Aspekte der Verkehrssicherheit sind beim ÖAMTC immer ein Thema. Wie sehen Sie die vielen Assistenzsysteme, Displays und Computerelemente?
Danninger: Ich bin ein Techniker und schaue auch in die Zukunft. Es ist ein Faktum, dass das automatisierte Fahren immer konkretere Formen annimmt. Wir sind gerade in einer Phase, in der diese Systeme nicht immer und in jeder Situation optimal funktionieren. Aber ein Brems-assistent, der heute gesetzlich vorgeschrieben ist, stellt eine Sicherheitsfunktion dar, die in Zukunft einen hohen Impact haben wird. Wenn ein Assistenzsystem zur Fahrzeug- und Personensicherheit beiträgt, ist das ein Mehrwert für die Nutzer und, aus meiner Perspektive, auch für die Gesellschaft.
medianet: Stellen diese Computersysteme den ÖAMTC nicht vor neue Herausforderungen?
Danninger: Das betrifft einerseits die IT-Kompetenz unserer Pannenfahrer, die mit laufenden Schulungen auf den neuesten Stand gebracht werden. Und andererseits ist vor allem der Zugang zu den Systemen der Fahrzeughersteller eine Herausforderung. In einer Pannensituation müssen wir Daten aus dem Fahrzeug auslesen und bei Bedarf einen Fehlerspeicher löschen können. Hier ist ein Thema, dass wir überhaupt Zugang zu den Daten erhalten und einen digitalen Schlüssel erhalten. Da sind Hersteller zurückhaltend und lassen sich den Zugang bezahlen. In Zukunft wird es nötig sein, dass wir Connected Data nutzen können, da diese Fahrzeuge alle vernetzt sind und Zustandsberichte senden. Mit Fernzugriff können wir, wenn ihn das Mitglied gestattet, eventuell bereits einen Schaden im Vorfeld orten und ein passendes Pannenfahrzeug schicken.
medianet: Haben Hybride und E-Autos mehr Pannen?
Danninger: Wir können nicht erkennen, dass E-Fahrzeuge überproportional mehr Pannen hätten, es ist eher das Gegenteil der Fall. Wichtig ist, dass wir sowohl mit unseren Schulungen als auch den Werkzeugen im Pannenfahrzeug immer up-to-date sind. Dieser Mehraufwand ist nötig, um unseren Mitgliedern die beste Unterstützung geben zu können.
medianet: Klären Sie bitte ein Gerücht auf: Geraten E-Fahrzeuge öfter in Brand?
Danninger: Auch wenn es noch keine langjährigen Statistiken gibt, deutet nichts darauf hin, dass die Fahrzeuge im Vergleich zu einem Verbrennungsmotor häufiger brennen. Allerdings brennt ein Verbrenner anders als ein Elektrofahrzeug. Leckt ein Tank bei einem Verbrenner, kommt es zum Flächenbrand. Ein Elektrofahrzeug brennt eher wie eine Kerze nach oben und der Brand besitzt eine andere Charakteristik. Das Löschen ist eine andere Herausforderung.
medianet: Gibt es spezielle Tipps für E-Autos und Hybride als Vorbereitung für den Winter?
Danninger: Wie bei einem Verbrennerfahrzeug sollte man auf die 12-Volt-Batterie und die Reifen achten. Bei uns gibt es den ÖAMTC-Winterfit-Check, bei dem Mitglieder das Auto überprüfen lassen können. Prävention ist auf jeden Fall die beste Option. Neue E-Fahrzeugbesitzer müssen sich bewusst sein, dass die Batterie eine Wohlfühltemperatur besitzt, die bei rund 30 Grad Celsius liegt. Deshalb wird sie beheizt bzw. gekühlt. Bei kaltem Wetter reduziert sich dadurch auch die Reichweite zwischen zehn und 20 Prozent. Bei weiteren Strecken sollte man sicherstellen, dass die Batterie bis kurz vor der Abfahrt vollständig aufgeladen wird.
medianet: Wie steht es mit dem Elektrifizierungsgrad der ÖAMTC-Flotte?
Danninger: Bis Ende 2025 haben wir 22 E-Pannenfahrzeuge in Wien, Niederösterreich, dem Burgenland und in Oberösterreich im Einsatz. Unsere Fahrzeuge, die wir kombinierte Abschlepp- und Pannenfahrzeuge nennen, müssen spezifische Anforderungen erfüllen. Sie zu elektrifizieren benötigt Zeit und muss gut durchdacht werden, denn rasche Nothilfe steht an erster Stelle. Es gibt oft Einsätze mit Allradfahrzeugen in den Bergen, bei denen die Durchdringung mit E-Antrieben noch nicht sehr groß ist. Eine Rolle spielt dabei das Gewicht, denn wir haben viel an Material, wie Batterien, mit. Im Bereich der Transporter kommen demnächst einige E-Modelle auf den Markt. Bei elektrischen Abschleppfahrzeugen sind aber die Hersteller gefragt. Allerdings verfügen wir auch über eine Hauswerkstatt, in der wir den Innenausbau selbst gestalten und Entwicklungsarbeit leisten können.
medianet: Wäre hier nicht Wasserstoff die bessere Alternative?
Danninger: Nein, das Thema ist sowohl von der Angebots- als auch Infrastrukturseite aus aktueller Sicht keine Option.
