Kiew wird „smart”
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Kiews prominenter Bürgermeister Klitschko läutet tiefgreifende Reformen gegen die „Kompliziertheit und Dunkelheit” in der Stadtverwaltung ein.
FINANCENET REAL:ESTATE 16.10.2015

Kiew wird „smart”

Wien kann sich von Kiew einiges abschauen. Die ukranische Hauptstadt hat überraschend innovative Ansätze bei der Stadtverwaltung.

KIEW. Korruption und Intransparenz in der Ukraine schrecken (westliche) Investoren ab. Dessen ist sich Aleksey Reznikov, Vizebürgermeister der Hauptstadt Kiew, wohl bewusst. Deshalb setzt man kommunal auf tiefgreifende Reformen gegen die „Kompliziertheit und Dunkelheit” in der Stadtverwaltung. „Wir müssen einfache und transparente Verfahren haben”, betont er im Gespräch mit medianet. Der langjährige Rechtsanwalt ist seit Juni 2014 leitender Sekretär des Kiewer Stadtrats und Stellvertreter des Bürgermeisters (und Boxchamps) Vitali Klitschko. Reznikov verweist auf ein Verwaltungsmodernisierungsprogramm, das zu höchster Transparenz im Immobilien- und Verkehrsmanagement, im öffentlichen Einkauf und im Budget der 3 Mio.-Einwohner-Metropole führt.

Transparenz durch Digitalisierung

So beinhaltet das Projekt „Smart City” die Digitalisierung aller stadtverwalteten Immobilien. Denn bisher fehlte ein vollständiges Bild über alle kommunalen Immoobjekte, über deren Preise und Mieten. In diesem „Schatten” sei es nicht verwunderlich, dass so manche Verwalter Immobilien „zum eigenen Wohl und nicht zum Wohle der Stadt und deren Bewohner oder Nutzer” verwaltet haben. Deshalb startete man Ende September 2015 das Programm der elektronischen Verwaltung aller kommunalen Objekte. Alle Daten werden Straße für Straße aufgezeichnet und digitalisiert. Im Sinne der Bürgertransparenz werden so alle städtischen Immobilien für jedermann online sicht- und anklickbar. So kann jeder Miethöhe, etwaige Kaufpreise und alle anderen Objektdaten einsehen. „Dann kann jeder gleich einen Antrag stellen” – sei es für eine freie Mietwohnung oder für eine Gewerbeimmobilie.

Verkehrsmanagement neu

Teil des Smart City-Programms ist auch das Projekt zur Steuerung der städtischen Verkehrsflüsse, der öffentlichen wie der Pkw; der ausgeschriebene Bieterwettbewerb für das kommunale Großprojekt läuft gerade. Eine Firma soll letztlich die gesamte Steuerung der Verkehrsströme übernehmen. Die Daten über Passagierzahlen, Wege, Kapa-zitäten, Frequenzen, Auslastungenu.Ä. und Erkenntnisse daraus sollen auch Verbesserungen im städtischen Bebauungsplan bringen.

Gläserne Ausgaben

Zur kommunalen Transparenz zählt für Reznikov auch Transparenz des Budgets und des öffentlichen Beschaffungswesens. „Wir haben nachgeforscht: Nur 2.000 Städte weltweit haben transparente Budgets, nur zehn davon gehen bei ihrer Ausgabendarstellung bis in die Tiefe, und Boston ist die einzige Großstadt, wo jedermann die kommunalen Ausgabenposten bis zum einzelnen Vertrag nachverfolgen kann.” Das sei auch das Ziel in Kiew: Wer wie viel für welche Leistung an wen gezahlt hat, sei für jedermann online einsehbar. Das Projekt ist denn auch zum Europäischen E-Government Award nominiert worden. Um Licht ins Dunkel der öffentlichen Auftragsvergabe zu bringen, erfolgt das System des kommunalen Einkaufs nun elek­tronisch und für alle offen. Und für alle Leistungen über 100.000 Ukrainische Griwna (rund 4.200 Euro) müssen öffentliche Ausschreibungen erfolgen. Seitdem diese Eckpunkte in Kraft sind, konnten schon 20% der städtischen Ausgaben eingespart werden, als Nächstes will man die 100.000-Griwna-Schwelle in der kommunalen Beschaffung aufheben, damit alle Einkäufe gläsern werden.

Digitales Bürgerservice

Und schließlich gehört zur „Smart City” auch die Digitalisierung aller kommunalen Dienstleistungen. Jeder in der Stadt gemeldete Einwohner erhält die neue „Kiew Card” in Banken und städtischen Behörden. Mit dieser E-Servicekarte lassen sich Rabatte einlösen, die Miete direkt bezahlen, Überweisungen bekommen, öffentliche Verkehrsmittel benützen und schon 300 städtische Dienstleistungen online abwickeln, statt sich bei Schaltern anstellen zu müssen. (mk)

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