••• Von Paul Hafner
Im Jahr 2011 belief sich der Gesamtumsatz mit Fairtrade-Produkten im österreichischen Handel erstmals auf 100 Mio. € – ein wacker erkämpfter Meilenstein, den man schon bald in den Schatten stellen sollte. Mit 592 Mio. € belief sich der Umsatz 2022 auf beinahe das Sechsfache von vor elf Jahren – und das Wachstum zeigt weiter steil nach oben: Nach einem Wachstum von 24% im Jahr 2021 betrug die Steigerung 2022 neuerlich 22%. Freilich ist hier die Inflation zu berücksichtigen, doch sprechen auch die Absatzzahlen Bände: In den drei wichtigsten Kategorien gab es nur bei den Bananen einen leichten Rückgang von drei Prozent, bei den Kaffeebohnen (+22%) und dem Rohkaffee (+10%) hingegen satte Anstiege.
„Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stellen wir fest, dass Lebensmittel sehr bewusst eingekauft werden”, sieht Hartwig Kirner, Geschäftsführer Fairtrade Österreich, eine Hypothese bestätigt, deren Richtigkeit sich schon in der Hochzeit der Pandemie abgezeichnet hat – damals boomten neben fairen insbesondere Bio-Produkte.
Verminderte Teuerung
Wer glaubt, dass sich die Teuerung bei Fairtrade-Produkten womöglich gar potenziert, irrt: „Die Preise lügen nicht: Fairtrade schwimmt gegen die aktuelle Teuerungswelle. Konventionell gehandelte Produkte sind deutlich stärker gestiegen, als solche, die fair gehandelte Rohstoffe enthalten”, stellt Kirner im Gespräch mit medianet klar.
Auch das Bio-Segment habe im Vorjahr deutlich geringere Preisanstiege verzeichnet. „Darin offenbart sich auch eine Preiswahrheit, die oftmals unter den Teppich gekehrt wurde: In Düngemitteln steckt viel fossile Energie, und das kostet Geld – die Preise dafür sind im Vorjahr um bis zu 70 Prozent im Vorjahr gestiegen”, so Kirner.
Ähnlich verhalte sich das bei anderen Kostenpunkten, die „bei Billigprodukten am Limit eingepreist werden – zulasten von Mensch und Umwelt”. Insofern könne die aktuelle Krise laut Kirner auch dazu dienen, „Missstände endlich zu beheben – womit wir bei den globalen Lieferketten wären”.
Lieferketten im Fokus
„Da, wo der faire Handel an seine Grenzen stößt, weil Freiwilligkeit alleine nicht reicht, braucht es künftig auch Gesetze, die Menschenrechte sichern”, ist Kirner überzeugt. Das kommende EU-Lieferkettengesetz wird von der NGO entsprechend unterstützt – und müsse „rasch in die nationale Gesetzgebung gegossen werden”, fordert Kirner. „Hier wollen wir Unternehmen dabei unterstützen, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen. So ermitteln wir beispielsweise in den einzelnen Ländern Referenzpreise für existenzsichernde Löhne und Einkommen. Wir analysieren den Ist-Zustand für Rohstoffe und listen auf, wo welche Herausforderungen für Mensch und Umwelt bestehen.”
Dabei könne man auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen und sei zudem „natürlich auch in den Ursprungsländern bestens vernetzt mit den Regierungen, anderen NGOs, Unternehmen und natürlich den Fairtrade-Kleinbauernkooperativen und -Plantagen”. Auch die eigenen Standards werden im Hinblick der bevorstehenden Gesetzesnovelle adapiert.
28% Marktanteil bei Bananen
Zurück zur Absatzentwicklung der Fairtrade-Produkte: Sowohl beim Kaffee als auch bei den Tafelschokoladen sieht Kirner bei jeweils um die zehn Prozent Marktanteil noch viel Potenzial nach oben: „Beides sind Rohstoffe, die nach wie vor ein hohes Wachstum aufweisen – und das soll so weitergehen in den nächsten Jahren”.
Auch bei den Bananen, wo man bei 28% Marktanteil steht, aber wie angesprochen einen leichten Absatzrückgang zu verzeichnen hatte, sei es wichtig, weiter zuzulegen: „Das gelbe Obst ist ein echtes Preiskampfprodukt, und die Absätze zu Fairtrade-Bedingungen, also mit Mindestpreisen und zusätzlichen Prämien sowie einem optionalen Bio-Aufschlag, sind wichtig für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in den Ursprungsländern.”
Viel Vertrauen in das Siegel
Eine gemischte Bilanz zeigt sich bei den kleineren Produktkategorien: Der deutliche Absatzrückgang von 19% bei fairen Rosen relativiert sich durch das starke Wachstum in den Corona-Jahren 2020 und 2021, der Verkaufswert liegt immer noch um acht Prozent über dem Vorkrisenniveau. Das 17%-Plus beim Tee wiederum darf nicht überbewertet werden, weil sich der Gesamtabsatz auf 35 t und der Umsatz bloß im höheren fünfstelligen Bereich befindet – wiewohl ein Marktanteil von vier Prozent anzeigt, dass es hier in den kommenden Jahren noch steiler bergauf gehen könnte. Ein leichtes Plus (+5%) verzeichnet die Rohbaumwolle, beim Rohrzucker ging der Absatz indes merklich zurück (–12%) und findet sich nach dem Abflaufen des lockdown-inspirierten Backtrends auf dem Vorkrisenniveau wieder.
Weiter außer Frage steht für die Österreicher übrigens die Glaubwürdigkeit des Fairtrade-Siegels: 95% geben an, es zu kennen, 88% halten es für vertrauenswürdig.