Billa will im kompetitiven Markt die Nase vorn behalten
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RETAIL christian novacek 24.06.2016

Billa will im kompetitiven Markt die Nase vorn behalten

Vorstandsdirektor Josef Siess im medianet-Interview über nachhaltige und andere Wege, im LEH Trendsetter zu sein.

••• Von Christian Novacek

WIENER NEUDORF. Die Zeiten sind kompetitiv und die Herausforderungen immens. Wie Billa-Vorstand Josef Siess die Zukunft des Lebensmittelhandels sieht und auf welche Art Billa in dieser Zukunft die maßgebliche Rolle spielen soll, verrät der Manager im medianet-Interview. Die Verantwortung für Österreichs Regionen nimmt Siess dabei ebenso wahr, wie die Notwendigkeit der Preisführerschaft.

medianet: Die Preisführerschaft war für Billa immer ein wichtiges Anliegen. Wie ist es aktuell darum bestellt?
Josef Siess: Wir sind Österreichs größter Nahversorger und wollen als solcher seit jeher preiswürdige Produkte mit hoher Qualität anbieten. Im letzten Jahr haben wir vor allem mit Warengruppen-Rabatten experimentiert. Aktuell sehen wir, dass uns der Fokus auf High-Low in der Preiswürdigkeit nicht weiterbringt. Deshalb wurde das ‚Dauertiefpreis'-Programm deutlich ausgebaut. Aktuell sind 2.200 Artikel in diesem Programm und 400 weitere clever-Produkte. Somit ist fast ein Viertel des Sortiments ‚täglich billig'; das ist mitverantwortlich für den aktuellen Erfolg.

medianet: Welche Rolle spielt der Vorteilsclub in diesem Kontext?

Siess: Egal ob mit dem Vorteilsclub, der clever-Garantie oder der – von Ihnen angesprochenen – Dauertiefpreis-Garantie, damit finden unsere Kunden seit jeher Alternativen quer durch das gesamte Sortiment. Dabei bieten wir einerseits die entsprechenden Preistools – die vor allem Markenartikel betreffen. Aber auch mit unseren Eigenmarken – von clever über die Billa-Marke bis hin zu Billa Corso und Ja! Natürlich – schaffen wir es, unseren Kunden eine breite Produktpalette in allen Preissegmenten und stets mit hoher Qualität anzubieten. Denn das ist es, was uns wichtig ist: qualitativ hochwertige Lebensmittel zu leistbaren Preisen in ganz Österreich anzubieten.

medianet: Apropos qualitativ hochwertig: Wenn Sie eine Hierarchie der Beweggründe, bei Billa zu shoppen, erstellen: Was belegt da die ersten drei Plätze in der richtigen Reihenfolge?

Siess: Erstens: Qualität und Frische; zweitens: Kundenservice; drittens: Die flächendeckende Versorgung.

medianet: Die vom LEH gern als vorteilhaft für den Konsumenten eingestufte Flächendichte in Österreich hat aus meiner Sicht auch eine Schattenseite: Die Frische bleibt unter ihren Möglichkeiten. Ich kenne einige Konsumenten, die trotz oder wegen der knapp kalkulierten Frische ihr Gemüse lieber beim Diskonter kaufen. Was unternimmt Billa, um hier künftig wettbewerbsfähiger zu sein?

Siess: Für uns hat die Frische unserer Produkte oberste Priorität. Derzeit führen wir eine großangelegte Frischeoffensive – nicht zuletzt mit umfangreichen Schulungen für unsere Mitarbeiter – durch. Zusätzlich werden in wenigen Wochen zwei Frischeverkaufsleiter mit einem jeweils 15-köpfigen Beraterteam beginnen, die Filialen und ihre Mitarbeiter intensiv zu betreuen. Was das Thema Frische angeht, sind wir also sehr aktiv.

medianet: Ein wesentlicher Frische­bereich ist Brot & Gebäck; neuerdings unterstützt dort die Selbstbedienungsschütte die Bedienung. Das funktioniert aus meiner Sicht gut, steht aber auch für eine Annäherung an den Diskonter. Gibt es bald ein Supermarkt-Erfolgsmodell, das alle – inklusive Hofer und Lidl – gleichsam einsetzen?

Siess: Auch im Bereich Brot und Gebäck muss und wird auch künftig Qualität an erster Stelle stehen. Durch den Einbau der SB-Gebäckspender folgen wir nicht dem Trend der Diskonter, sondern beheben ein Manko in den Filialen, nämlich die Wartezeiten in Stoßzeiten, bzw. die mangelnde Verfügbarkeit bestimmter Sortimentsteile im Brot- und Gebäckbereich. Die Entwicklung nach den ersten Monaten bestätigt die Richtigkeit der Entscheidung. Ende Juni werden fast 800 Filialen mit diesen Spendern ausgestattet sein.

medianet: Stichwort Vollsortiment: Wie begegnen Sie dem Vorwurf, dass bei Billa auf großer Fläche wenig Sortiment passiert?

Siess: Billa führt auf durchschnittlich 550 m2 Verkaufsfläche ein Sortiment von 8.000 Produkten. Im internationalen Vergleich ist das eine extrem hohe Dichte an Sortiment auf dieser Fläche. Überdurchschnittliche Filialen mit rund 800 bis 900 m² Verkaufsfläche führen sogar zwischen 1.000 und 2.000 Produkte mehr. Auch das ist im internationalen Vergleich ein sehr hoher Wert.

medianet: Der Billa Vorteilsclub hat, vor allem was die Treue-PreisNachlässe betrifft, starke Konkurrenz aus dem eigenen Haus bekommen. Spüren Sie jetzt Kunden-Abwanderungen in Richtung Merkur?

Siess: Aufgrund der Flächendichte in Österreich sehen wir einen sehr kompetitiven Markt. Hier gilt es natürlich, mit Innovation, Qualität und Service zu punkten! Der Vorteilsclub mit seinen über 4 Mio. Mitgliedern ist hier ein wesentliches Differenzierungsmerkmal, das von den Stammkunden sehr gut angenommen wird. Der Rabattsammler ist nur ein Beispiel für die hohe Akzeptanz der Clubkarte. Vorteilsclubmitglieder sind treuere Kunden, kaufen öfter sowie mit einem höheren Bon als die restlichen Kunden ein. Natürlich gibt es eine Wechselwirkung mit Merkur, da viele Kunden beide Karten besitzen und somit die jeweiligen Vorteile beider Systeme nutzen. Dies ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass wir viele Marken – Ja! Natürlich, clever, Chef Menü, Hofstädter, etc. – in beiden Formaten führen. Kartenbesitzer kaufen durchschnittlich rund zwei Mal pro ­Woche bei Billa ein.

medianet: Laut Rewe Deutschland-Chef Alain Caparros steht dem Handel ein großer Wandel bevor. Inwieweit betrifft das Billa?

Siess: Der LEH ist seit jeher eine Branche, die einem starken Wandel unterworfen war und diesen auch sehr oft angetrieben hat. Besonders Billa steht seit Jahrzehnten für Innovationen im heimischen LEH – angefangen mit der Demokratisierung von Lebensmitteln in den 1950er- und 1960er-Jahren mit der Einführung des damals revolutionären Selbstbedienungssystems oder des Frische-Diensts. Aber auch mit der Etablierung biologischer Lebensmittel in den 1990er- Jahren haben wir mit der Einführung der Bio-Marke Ja! Natürlich als erster Supermarkt Österreichs einer breiten Öffentlichkeit Lebensmittel aus rein biologischer Produktion, in höchster Qualität und zu leistbaren Preisen angeboten. Außerdem hat Billa auch im Bereich der Tierhaltung immer wieder Innovationskraft bewiesen. Das Beispiel der Legebatterie-Eier zeigt diese Gestaltungskraft besonders anschaulich. Zum Hintergrund: Im Jahr 1996 entschloss sich Billa, Legebatterie-Eier aus dem Sortiment zu nehmen. Die Konkurrenz musste nachziehen – das Ergebnis: Nur wenige Jahre später gehörten Hühner-Legebatterien der Vergangenheit an.

medianet: Und wie sieht es aktuell mit dem Thema Digitalisierung aus?

Siess: Sämtliche Händler aller Branchen sehen sich mit dem großen Thema Digitalisierung konfrontiert. Obwohl eCommerce im LEH noch in den Kinderschuhen steckt, bieten wir bereits seit letztem Jahr – in Österreich federführend – eine österreichweite Belieferung von Lebensmitteln. Die Digitalisierung beschäftigt uns jedoch auch im stationären Handel. So haben wir im vergangenen Jahr in elf ausgewählten Filialen ein Pilotprojekt mit iBeacons gestartet. Seither werden Kunden – die ihre Zustimmung aktiv geben – mit relevanten Informationen zu Aktionen und Artikeln direkt im Supermarkt zur Verfügung gestellt.

medianet: Billas Vorreiterrolle in Sachen Onlinehandel sei unbenommen. Aber ist das auch eine lohnende Investition in die Zukunft? Beziehungsweise ein gegenwärtig lohnendes Geschäft?

Siess: Wir sehen uns hier als Innovationsführer in Österreich. Derzeit beläuft sich der Umsatz des Onlinehandels in etwa auf den Umsatz von vier Billa-Filialen, die Tendenz ist jedoch stark steigend; Expertenmeinungen differieren hier zwischen fünf und 20 Prozent Anteil vom Gesamtumsatz. Unbestritten ist, dass es in Zukunft immer mehr Kunden geben wird, die die Vorteile beider Kanäle nutzen wollen, also weder auf das eine noch das andere verzichten möchten. Das zeigt die Dringlichkeit, hier von Beginn an mit dabei zu sein.

medianet: Welche Rolle wird der Onlinehandel mit Lebensmitteln ihrer Meinung nach mittelfristig spielen – mit welchen Anteilen vom Gesamtkuchen? Wie groß schätzen Sie den eigenen Vorteil anhand der Pionierleistung?
Siess: In der heutigen Zeit ist die Technologie ein wichtiger Erfolgsfaktor und Maßstab, um wettbewerbsfähig zu bleiben – das ist auch im Lebensmittelhandel so. Im Lebensmittelbereich kommt hier die Komplexität der drei unterschiedlichen Temperaturzonen – Trockensortiment, Kühlware, Tiefkühlware – hinzu, die es zu meistern gilt. Wir haben uns intern gut aufgestellt und eine eigene eCommerce-Abteilung gegründet, die direkt dem Vorstand berichtet. Diese Abteilung besteht unter anderem aus Experten aus den Bereichen Onlinemarketing, Product/Shop Development, Operations, Vertrieb, Logistik bis hin zu eigens ausgebildeten Mitarbeitern in den Filialen. Damit bilden wir die gesamte Wertschöpfungskette unseres Unternehmens in einer einzigen Abteilung ab, was wir als wesentlichen Erfolgsfaktor erachten. Schließlich ist eCommerce ein eigenständiger Vertriebskanal, der bei Billa fest in der Unternehmensstrategie verankert ist. Wir konnten uns so in kürzester Zeit ein Know-how erarbeiten, das einen klaren Vorteil gegenüber all jenen darstellt, die erst später nachziehen.

medianet: Der Konsument der Zukunft sollte in seinem Einkaufsverhalten Aspekte wie Tierwohl und Nachhaltigkeit stärker berücksichtigen. Billa wagt sich in diesem Themenfeld weit vor – auch in Bereiche, wo bisher fast ausschließlich der Preis regiert hat, etwa beim Schweinefleisch. Wie weit lohnt dieses Engagement über den moralischen Belang hinaus?

Siess: Wie bereits erwähnt, haben wir auch mit der Verbannung der Legebatterien einen wichtigen Schritt gemacht und neue Standards gesetzt. Das machen wir nicht erst, seit es ein Trend geworden ist, nachhaltig zu agieren, sondern aus Überzeugung. Wir haben Nachhaltigkeit nicht als Schlagwort auf Plakaten und Lkws platziert, sondern sie ist Bestandteil unserer Unternehmensstrategie; dementsprechend ernsthaft wird sie umgesetzt – was zur Folge hat, dass manchmal auch preissensible Bereiche angepackt werden müssen, da es sonst zu keiner echten Verbesserung der Lage kommt.

medianet: Wie ist bis dato das Jahr 2016 für Billa im Umsatz gelaufen? Wie viele Filialen kamen neu dazu, wie viele wurden modernisiert?

Siess: Das Jahr 2016 verlief für uns bis jetzt durchwegs positiv. Wir erwarten mit der Europameisterschaft einen umsatzstarken Sommerbeginn. Was die Filialen betrifft, so stehen wir derzeit österreichweit bei 1.052 Filialen; 2016 wurden bis dato sieben neue Standorte eröffnet.

medianet: Wo sehen Sie Expansionsmöglichkeiten für Billa? Ist die Flächenexpansion am Ende?

Siess: Wir werden einerseits weiterhin auf unsere bewährten Stärken setzen. Als Österreichs größter Nahversorger haben wir eine große Verantwortung für Österreichs Regionen, nachhaltige Lebensmittelversorgung und die positive Marktgestaltung. Andererseits werden wir uns weiterhin auf die qualitative Expansion konzentrieren.

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