Drum prüfe, wer expandieren will
© Antje Wolm
Irmgard Pracher
RETAIL Redaktion 28.03.2025

Drum prüfe, wer expandieren will

Der OGH hat kürzlich über Rewe eine Rekordkartellstrafe verhängt. Eine Entscheidung, die für Diskussionen sorgt.

Gastkommentar ••• Von Irmgard Pracher

WIEN. Gleich zu Beginn des Jahres 2025 hat der OGH aufhorchen lassen, als er wegen der verbotenen Durchführung eines Zusammenschlusses die Geldbuße der vorigen Instanz gegen Rewe beträchtlich erhöhte. Eine Immobiliengesellschaft hatte ein Einkaufszentrum erworben, in dem zuvor unter anderem ein Lebensmittelgeschäft betrieben wurde. Für das Zentrum lag eine raumordnungsrechtliche Bewilligung vor.

Nach dem Kauf schloss die Immobiliengesellschaft mit einer Rewe-Gesellschaft einen Pachtvertrag über die Lebensmitteleinzelhandelsflächen ab und begann mit der Sanierung. Rund elf Monate später eröffnete Rewe das Geschäft.
Als Zusammenschluss gilt (u.a.) gemäß § 7 Abs 1 Z 1 KartG, wenn Gebrauchs- und Nutzungsrechte übertragen werden. Nach aktueller OGH-Entscheidung reicht es aber auch aus, wenn der Erwerber „nur” die Möglichkeit erhält, über ein Nutzungsrecht zu verhandeln.
Das ist nicht nachvollziehbar: Dass die raumordnungsrechtliche Bewilligung für Rewe das entscheidende Asset darstellt, ist klar – solche Bewilligungen werden nicht leicht erteilt. Wird daher eine raumordnungsrechtliche Bewilligung an den Erwerber übertragen, liegt der zitierte Tatbestand vor. Bleibt die Bewilligung aber beim Verpächter und führt Rewe den Betrieb im Rahmen einer Pacht, wäre eher Ziffer 2 des § 7 Abs 1 KartG einschlägig.
Der OGH sieht das anders und meint, es komme nicht darauf an, ob die Bewilligung tatsächlich auf Rewe überging. Das führt meines Erachtens zu einer Vermischung von zwei unterschiedlichen Zusammenschlusstatbeständen – auch wenn das aus praktischer Sicht nichts ändert, dass sowohl bei der Übertragung als auch bei der Einräumung von Rechten eine Anmeldepflicht zu prüfen ist.
Auch die Übernahme von geschlossenen Betrieben können die Anmeldepflicht auslösen. Das hat der OGH in der Entscheidung bestätigt: Selbst wenn Rewe die Marktposition nicht direkt übernahm, weil der Verpächter die Fläche wegen Sanierung geschlossen hatte, hat Rewe im Ergebnis „frei gewordene” Marktanteile übernommen.

Eine Frage der Betrachtung

Im Kartellrecht kommt es nicht auf die formale Ausgestaltung an, sondern auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Die Immobiliengesellschaft war de facto nicht operativ tätig, da sie kurz nach Kaufabschluss die Flächen für eine Sanierung schloss. Aus externer Sicht eines Mitbewerbers oder Verbrauchers ist daher Rewe in die Marktposition des Veräußerers eingetreten.

Für Unternehmen ist die Diskussion, ob der „richtige” Zusammenschlusstatbestand angewandt wurde, nur von theoretischer Bedeutung. Unternehmen sei aber in Erinnerung gerufen, dass der Abschluss von Bestandsverträgen, insbesondere Pacht, stets im Hinblick auf eine mögliche Anmeldepflicht bei der BWB kritisch zu prüfen ist.


Irmgard Pracher ist Rechtsanwältin bei LeitnerLaw Rechtsanwälte und spezialisiert auf Arbeitsrecht sowie Kartellrecht und unlauteren Wettbewerb.

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