Fairness vor den Vorhang geholt
© Günter Felbermayer
Seit September 2007 steht Hartwig Kirner Fair­trade Österreich als Geschäftsführer vor. Die aktuell „turbulenten Zeiten” sieht er gleichzeitig als „Chance auf echte ­Veränderung”.
RETAIL Redaktion 27.05.2022

Fairness vor den Vorhang geholt

485 Mio. Euro Umsatz mit Fairtrade-Produkten stehen für ein Plus von 24% – und einen Paradigmenwechsel.

WIEN. Neue Großabnehmer haben die Umsätze mit Fairtrade-zertifizierten Produkten in Österreich 2021 deutlich angekurbelt: Der geschätzte Umsatz kletterte um 24% auf ein neues Rekordhoch von 485 Mio. €.

„Immer mehr Menschen und Unternehmen handeln nachhaltig. Das heißt auch, fair zu den Menschen und fair zur Umwelt zu sein. Alle in der Lieferkette müssen profitieren, nicht nur wenige”, gibt Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, die Vision für die Zukunft aus.

Vorzeigeland Österreich

Hauptgrund für das beträchtliche Plus dürfte die Umstellung auf fairen Kakao bei den Industriegrößen Berglandmilch, Manner und Ölz gewesen sein. Allgemein habe das Nachhaltigkeitsthema „seit Pandemiebeginn massiv an Dynamik gewonnen”, so Kirner.

Österreich liegt mit einem geschätzten Pro-Kopf-Konsum von Fairtrade-Produkten pro Jahr von 55 € weltweit bereits auf Platz 2, nur in der Schweiz ist der Verbrauch mit umgerechnet 103 € demnach höher. Besonders stark stieg der mengenmäßige Fairtrade-Absatz 2021 hierzulande bei Kakaobohnen (+33%), Orangensaft (+14%) und Bananen (+8%).
Die Konsumenten haben in der Coronapandemie aufgrund der teils geschlossenen Gastronomie auch deutlich mehr im Supermarkt eingekauft. Der Umsatz mit Fairtrade-zertifizierten Produkten verteilt sich hierzulande auf Schokolade/Süßwaren (56%), Bananen sowie Kaffee und Heißgetränke (jeweils 14%), Baumwolle und Rosen (jeweils 4%).

„Keine falschen Schlüsse”

Punkto steigende Nahrungsmittelpreise warnt Kirner davor, nun wieder auf das Billigstprinzip umzuschwenken und „nicht die falschen Schlüsse zu ziehen”. Durch die rasant gestiegenen Preise für Strom, Gas und Erdöl werde nun der Energieanteil in den Lebensmitteln sichtbar. Faire Preise für Kleinbauern, gute Arbeitsbedingungen und Nachhaltigkeit hätten nicht an Dringlichkeit verloren, die rapide Teuerung sei auch in Afrika, Lateinamerika und Asien derzeit ein großes Thema – die Kosten für Dünger, Verpackungsmaterial und Transport seien „massiv gestiegen”, von den gestiegenen Kaffeepreisen würden die Bauern aber aufgrund von längerfristigen Verträgen nur zeitverzögert profitieren.

„Leider relativ niedrig” sei das Niveau der sich seit Jahren seitwärts bewegenden Kakaopreise. Kirner sieht die globale Süßwarenbranche in der Bringschuld: „Schokoladenkonzerne versprechen seit Jahrzehnten, dass sich etwas bessert. Das Thema Kinderarbeit im Kakaoanbau in Westafrika ist schlimmer geworden aufgrund der Coronapandemie.” (red)

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