IG Milch verkündet Ende von „A faire Milch“ nach 14 Jahren
© IG-Milch
Ewald Grünzweil und Ernst Halbmayr bei der Pressekonferenz im Cafe Landtmann.
RETAIL Redaktion 03.08.2020

IG Milch verkündet Ende von „A faire Milch“ nach 14 Jahren

WIEN. "Mit viel Hoffnung“ war am 18. Juli 2006 das Projekt „A faire Milch“ von der IG-Milch der Öffentlichkeit präsentiert worden, fast genau 14 Jahre später wurde es nun eingestellt. Vor allem anfänglich große Aufmerksamkeit und kontinuierlich steigende Verkaufszahlen gaben Auftrieb, es folgte die Verleihung des Staatspreises für Marketing im Jahr 2006. Aufgrund der Abhängigkeit von genossenschaftlichen Molkereien und der damit verbundenen Schwierigkeiten der Vermarktung habe man sich nun entschlossen, die Marke aufzugeben: „Wir wollen die Öffentlichkeit über die wirklichen Zustände in der österreichischen Milchwirtschaft nicht länger täuschen“, so Obmann Ewald Grünzweil.

Keine kurze Affäre
Nach der ersten großen Ausbreitung in Österreich von „A faire Milch“ gelang es in weiterer Folge, das Projekt auch in sechs weiteren Ländern der EU zu starten. Der Erfolg war unterschiedlich: Ausschlaggebend für die Verbreitung der „fairen Mllch“ sei das jeweils politische Umfeld gewesen; Dort, wo sie "systematisch behindert“ worden sei, kam sie "nicht wirklich in Schwung“; wo sie unterstützt oder zumindest nicht behindert worden sei, habe sie sich zu einer „Erfolgsgeschichte“ entwickelt.

Initiator und Projektleiter Ernst Halbmayr: „In Österreich wurde dieses Bauern-Projekt am Anfang nicht ernst genommen. Spätestens nach der Verleihung des Staatspreises für Marketing wurde ,A faire Milch' unentwegt und systematisch behindert. Während am Anfang viele Aktionen, Verkostungen und Events mit großem Engagement und Freude von Bäuerinnen und Bauern durchgeführt wurden, war es in weiterer Folge praktisch unmöglich, diese Marketingaktivitäten fortzusetzen. Offene und versteckte Drohungen von den Molkereien zeigten ihre Wirkung. Die Gründung der ‚Freien Milch Austria‘ und das Stellen der Machtfrage, wer letztendlich über die Milch verfügt, haben Macht- und Abhängigkeits-Systeme zum Vorschein gebracht, die niemand für möglich gehalten hat.“

Grünzweil ergänzt: „Es wurden Absprachen unter den Molkereien getätigt, keine wechselwilligen Betriebe aufzunehmen. Das war für Bauern, die ihren Abnehmer wechseln wollten, praktisch eine gezielte Existenzvernichtung, denn jeder Bauer ist von der Milchabholung abhängig. Kritikern wurde der Ausschluss aus der Genossenschaft angedroht. Gleichzeitig wurden Schütt- und Strafgebühren eingeführt und die Direktvermarktung systematisch verhindert. Dazu kamen Vertragsänderungen in den Milchlieferverträgen, die jedem modernen Rechtssystem widersprechen. Zum Beispiel ist es vertraglich verboten, öffentlich über die Vertragsbedingungen zu reden. Daher haben wir uns entschlossen, das Projekt „A faire Milch“ einzustellen. Wir wollen die Öffentlichkeit über die wirklichen Zustände in der österreichischen Milchwirtschaft nicht länger täuschen.“

"Ein besonderer Dank" gelte der Molkerei Seifried und der Pinzgau-Milch, die "jahrelang unsere Projektpartner bei der Abfüllung der fairen Milch waren“, so Grünzweil und Halbmayr. "Weiters bedanken wir uns bei unserem wichtigsten Partner im Lebensmittelhandel, nämlich Spar. Sie alle waren neben der Pfeiffer Gruppe und der Kastner Gruppe verlässliche und faire Vertriebspartner. Einen kurzen Moment konnten wir den Bäuerinnen und Bauern die Zuversicht zurückgeben, für ihre Produkte faire Preise zu erhalten. Die Entwicklungen der letzten Monate und Jahre haben diese Hoffnungen nachhaltig zunichte gemacht. Die systematische Entwertung der landwirtschaftlichen Grundprodukte wie Milch, Fleisch, Getreide und Holz haben alle Zuversicht schwinden lassen und große Frustration, oft Verzweiflung mit sich gebracht. Der Druck der eigenen Genossenschaften im Milchbereich, die zum Schutze der Bauern gegründet wurden, hat jegliche Hoffnung auf eine bessere Zukunft zerstört. Die Solidarität der Bauern wird gezielt durch die Liberalisierung und einer Freien-Markt-Lobby gegen sie selber angewendet. Von fairen Beziehungen auf Augenhöhe sind wir meilenweit entfernt.“

Bitteres Resümee
A faire Milch sei eine "starke Idee und eine starke Marke“ gewesen, die das Potenzial gehabt hätte, den Milchmarkt in eine positive Richtung für Bauern und Konsumenten zu entwickeln. Statt Überschüssen und Preistreiberei seien Fairness in der Produktion und in der Produktion und generell mehr Wertschöpfung für den ländlichen Raum das Ziel. Die IG Milch fordere daher "Ministerin Elisabeth Köstinger auf, sich den absurden und die Bauern demütigenden Vorgängen in der österreichischen Milchwirtschaft zu widmen. Ungeschminkt sollten die Vorgänge und Zusammenhänge offengelegt werden.“

Weiters fordere man Kartellgericht und Bundeswettbewerbsbehörde auf, "auch in der Milchwirtschaft eine eingehende Untersuchung der unhaltbaren Zustände einzuleiten und eine rechtliche Klärung der missbräuchlichen Anwendung der Marktmacht herbeizuführen. Der Niedergang des ländlichen Raums steht in ursächlichem Zusammenhang mit dem Niedergang der Preise der landwirtschaftlichen Produkte. Nur eine große ökologisch orientierte Reform der Landwirtschaft kann den bedrohten ländlichen Raum retten und die notwendige Aufwertung ermöglichen.“ (red)

 

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