Im Dirndl flott auf dem Nachhaltigkeitszug
© Unito
RETAIL Redaktion 24.09.2021

Im Dirndl flott auf dem Nachhaltigkeitszug

Unito-Chef Harald Gutschi und Raphael Naber von Naber Moden machen nachhaltige Textilien für den breiten Markt salonfähig.

••• Von Christian Novacek

SALZBURG. Die Nachhaltigkeit hat die Textilbranche erreicht und sich als Trend bei Unito urig verankert. Dort will man im Trachten-Bereich in dieser Herbst-/Wintersaison eine Vorreiterrolle einnehmen Bei den Marken Otto Österreich und Universal sind erstmals Dirndl aus zertifizierter Biobaumwolle erhältlich.

Produziert werden die Trachtenmodelle des größten österreichischen Onlinehändlers in Europa, nämlich vom bayerischen Textilproduzenten Naber Moden an dessen Fertigungsstätte in Albanien. Im medianet-Gespräch: Unito-Chef Harald Gutschi und Raphael Naber, Juniorchef von Naber Moden.

medianet: Herr Naber, können Sie zu Beginn Ihr Unternehmen kurz vorstellen?
Raphael Naber: Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Franken und in der Nähe von Nürnberg in Neunkirchen am Brand zu Hause. Wir produzieren seit 1960 Damenoberbekleidung und seit mehreren Jahren auch schon für Unito im Otto-Konzern Trachten. Wir fertigen im eigenen Namen, aber auch im Namen der Otto Group an unserer Produktionsstätte in Albanien. Und seit vergangenem Jahr produzieren wir für die Unito-Gruppe die allerersten nachhaltigen Dirndl.

medianet: Sie beliefern also schon seit längerer Zeit die Otto Group – warum hat es bis zum ersten nachhaltigen Dirndl so lange gedauert?
Naber: Im Lebensmittelhandel kennt man ja schon seit Langem die Bioqualität, aber im Textilbereich hat es tatsächlich sehr lange gedauert. Der Markt muss sich erst verändern. Der Stofflieferant oder der Produzent muss sehen, dass die Nachfrage sich verändert. Bei Textilien lag der Fokus eher auf ‚günstig' und ‚Fast Fashion'. Jetzt dreht sich das, und wir als Kleine haben den Vorteil, dass die großen Marken umstellen.

medianet:
Man kann also von einer Nachfrage seitens der Kunden sprechen?
Naber: Ja, die großen Marken sagen sich jetzt auch, dass die nächste Kollektion nachhaltig werden muss, weil Kunden das erwarten. Sie geben den Druck an die Markenproduzenten weiter, die dann an Produzenten und Stofflieferanten. Das hat mir sehr geholfen: Seit ungefähr ein bis zwei Jahren ist Nachhaltigkeit in der Mode gang und gäbe und im Fokus. Ich habe jetzt erst überhaupt einmal die Möglichkeiten, nachhaltige Mode herzubekommen.

medianet: Herr Gutschi, mit großen Abnehmern sind wohl Sie gemeint. Warum dauert die nachhaltige Entwicklung im Textilbereich um so vieles länger als bei Lebensmitteln?
Harald Gutschi: Wenn wir ganz ehrlich sind: Im Lebensmittelbereich hat man in den 60ern, 70ern oder 80ern auch keine gesunden Lebensmittel gekauft und schon gar kein Bio, sondern Fertigprodukte, und die haben billig sein müssen. Auch dort hat es Jahrzehnte gedauert, bis wir auf dem heutigen Niveau angekommen sind. Österreich ist der Bio-Supermarkt Europas. Wir haben den höchsten Anteil – aber in anderen Ländern ist das heute noch nicht so. Deshalb gilt auch für den Textilbereich: Es ist eine zeitverzögerte Entwicklung.

medianet:
Aber eine Entwicklung, die nicht aufzuhalten ist?
Gutschi: Kommen wird sie so sicher wie das Amen im Gebet. Die Frage ist, wann sie genau kommt. Es sind Unternehmerinnen und Unternehmer wie Raphael Naber, die es braucht: ein kleines Unternehmen, ein persönlicher Visionär, der mit dieser Maßnahme seine Branche und die Welt verändert. Und das fängt mit zwei Dirndln an. Möglicherweise wird er es am Anfang bereuen, weil es noch nicht so gut läuft. Aber wenn er nach vorne blickt, Zeit und Atem hat, in fünf oder zehn Jahren wird er im Rückblick einer der Pioniere der Trachtenbranche sein. Ein anderes Beispiel: In der Otto Group haben wir 2010 für uns definiert, langfristig alle Eigen- und Lizenzmarken – und die Gruppe ist der größte Textilhändler im D-A-CH-Raum – komplett auf nachhaltige Baumwolle, also ‚Cotton made in Africa', umzustellen. Auch das war nicht einfach. Aber wenn man weiß, was das bedeutet – für die Menschen in Afrika, aber auch für die Menschen in Europa, die nachhaltige Baumwolle tragen –, dann kann jedes Unternehmen einen Beitrag dazu leisten, unsere Welt besser zu machen.

medianet:
Herr Naber, warum hat es im Textilbereich länger gedauert, nachhaltige Textilien salonfähig zu machen?
Naber: Meiner Meinung nach war es ganz klar der Fokus. Der Fokus der Textilproduzenten, auch von den großen Marken dominiert, war ganz klar, günstige Klamotten zu produzieren, die die breite Masse treffen. Jetzt aber stellt sich diese breite Masse in Deutschland und Österreich um. Wir alle denken in Richtung Nachhaltigkeit. Der Druck dieses Themas prescht auf die Textilindustrie ein. Die großen Marken haben auch gar keine andere Wahl, als umzustellen, damit sie langfristig salonfähig bleiben. Früher war das eine Nische; jetzt, wo wir alle auf der Straße über das Thema Nachhaltigkeit reden, ändert sich das Angebot.

medianet:
Die Unito-Gruppe treibt bekanntlich das Thema Nachhaltigkeit sehr voran – wo liegen dabei die größten Herausforderungen?
Gutschi: Die größte Herausforderung ist: Kunden wollen sehr wohl nachhaltige Produkte, sie wollen aber nicht mehr dafür bezahlen – das ist ganz anders als im Supermarkt, wo man durchaus bereit ist, mehr auszugeben. Unsere ‚Cotton made in Africa'-Produkte zum Beispiel haben keinen höheren Preis, weil wir wissen, dass Kunden nicht bereit sind, mehr dafür auszugeben. Das heißt, es geht auf die Marge, es kostet ein Unternehmen im ersten Schritt Geld. Ob das richtig ist oder nicht, sei dahingestellt, aber es ist ein Faktum. Nachhaltige Baumwolle kostet im Einkauf zwei bis vier Prozent mehr. Also nicht einmal viel mehr – und trotzdem sind Kunden nicht bereit, mehr zu bezahlen.

medianet:
Und dennoch das starke Engagement …
Gutschi: Gerade deshalb sehen wir es als Unternehmen als unsere Pflicht, einen Trend zu setzen. Wir sind ein profitables Unternehmen und können es uns leisten. Mittlerweile ist es Mainstream, dass man nachhaltige Baumwolle haben möchte. Unternehmen, die sie nicht haben, werden Kunden verlieren. Wir haben also auf Dauer schon etwas davon. Aber es ist ein mühsamer Weg.

medianet:
Wie viele Abnehmer wie die Otto Group oder die Unito würde ein kleiner Produzent wie Naber brauchen, damit irgendwann einmal ganz selbstverständlich die komplette Produktion auf Nachhaltigkeit umgestellt werden kann?
Naber: Die Nachfrage wird sich steigern und damit wird sich auch das Angebot komplett umstellen. Ich hoffe und bin auch überzeugt, dass man in rund zehn bis 15 Jahren nur noch nachhaltige Produkte wird kaufen können.

medianet:
Haben die Corona-krise und das damit verbundene stärkere Bewusstsein für mehr Regionalität diese Entwicklung beschleunigt?
Naber: Absolut! Wir waren erst vor Kurzem auf einer Stoffmesse – und es hat sich komplett verändert. Jeder Stofflieferant hat Nachhaltigkeit bei sich im Portfolio. Zwar noch nicht in der Tiefe, wie ich es gerne hätte, aber zumindest hat sich jeder mit dem Thema beschäftigt.

medianet:
Wie elementar ist mithin das Thema bei Unito?
Gutschi: Weil Nachhaltigkeit Mainstream geworden ist, wird es Unternehmen, die nicht auf Nachhaltigkeit setzen, nicht mehr geben. Und ich finde das großartig! Wir sehen diese Entwicklung und deshalb bauen wir unsere Sortimente immer mehr um. Allein nächstes Jahr werden wir weitere 200.000 neue, nachhaltige Produkte bringen.

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