••• Von Oliver Jonke und Georg Sohler
Im Juli dieses Jahres wurde Strategie- und CRM-Experte Alexander Merklein Teil der jö Geschäftsführung. Der 38-Jährige leitet das Kundenbindungsprogrammo mit Nikolai Scheurecker. Bevor Merklein 2021 zu Billa kam, studierte er an der WU Wien und promovierte in Karlsruhe in BWL und Unternehmensführung. Seit 2021 ist er in leitender Funktion bei Billa. Im Interview spricht er über den Wechsel auf die „andere“ Seite und wie die Digitalisierungsstrategie von jö aussieht.
medianet: Mit 1. Juli 2025 haben Sie die jö-Geschäftsleitung übernommen, das erste halbe Jahr ist fast vorbei. Wie war der Start der neuen Aufgabe?
Alexander Merklein: Die letzten Monate waren intensiv. Es gab spannende Aktionen mit Partnern: mit Penny zum Thema Pfand, mit Bipa zum Thema Familie. Vor allem im Bereich Digitalisierung haben wir viel voranbringen können, so wurde mit einer hauseigenen Quizkampagne das Gamification-Element gestärkt. Weiters durfte ich das tolle Team kennenlernen. Das sind 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine große Leidenschaft und umfangreiche Expertise für das CRM, Analytics, Kundenservice und Marketing mitbringen. Zu guter Letzt war ich mit den 16 Partnerunternehmen im Austausch. Diese haben alle sehr unterschiedliche Herausforderungen, aber insgesamt eint sie ein gewisser Umsatz- und Kostendruck.
medianet: Sie waren in den Jahren Head of Strategy bzw. Transformation bei der Billa AG, waren also schon in der Rewe-Gruppe und kennen diesen wichtigen Partner. Welchen Stellenwert nimmt jö dort ein?
Merklein: Ich möchte betonen, dass alle Partner wichtig sind, Billa ist der größte. Für uns sind alle gleich und jeder im Netzwerk bringt seine Erfahrung mit und ein. Bei Billa war ich, wie Sie richtig sagen, in Summe vier Jahre strategisch tätig, zwei Jahre davon habe ich auch den Bereich CRM geleitet. Dort wurde stets versucht, die Kundensicht einzunehmen und zu fragen, was sie wann brauchen – das unterstreicht den Stellenwert von Kundenbindung für Handelsunternehmen bzw. konkret bei Rewe. Diese Partnersicht, die Bedürfnisse sowie Herausforderungen kann ich nun auf der jö-Seite einbringen. Somit erkenne ich auch Optimierungspotenziale.
medianet: Wie beurteilen Sie die Entwicklung bei jö?
Merklein: Die Zahlen konnte ich schon auf Partnerseite einsehen und finde sie beeindruckend. jö ist in mehr als 80 Prozent der Haushalte vertreten, im Netzwerk gibt es über fünf Millionen Mitglieder, monatlich sind davon drei Millionen aktiv. Das unterstreicht die Relevanz dieses Loyaltyprogramms, weil wir von den Kunden tatsächlich genutzt werden. Uns ist auch klar, dass die Frequenz im Lebensmittelhandel sehr hoch ist, man geht mindestens wöchentlich einkaufen. Besonders spannend ist, dass der Bonusclub vor sechs Jahren hybrid mit Karte und App gestartet ist. Dies ist nach wie vor wichtig und richtig, wenngleich der Fokus auf Digitalisierung immer größer wird: viele unserer Kunden nutzen ausschließlich dieses Angebot.
medianet: Wie viele Transaktionen gibt es jährlich via jö?
Merklein: In Summe werden pro Jahr über 240 Millionen Transaktionen durchgeführt. Rechnet man Kundenanzahl und Partnernetzwerk gegen, unterstreicht das, wie sehr wir zum Alltagsbegleiter für unsere Mitglieder geworden sind.
medianet: Welche aktuellen Trends beobachten Sie in Sachen Loyalty?
Merklein: Vorneweg: Trends müssen auf mehreren Ebenen analysiert werden. Wir registrieren, dass die App stark von technikaffinen und städtischen Zielgruppen genutzt wird. Sie wollen sie schnell und personalisiert nutzen. Zudem ist der spielerische Zugang zu Kundenbeziehung immer wichtiger, also Games, Sammelpässe und so weiter. Das jö-Quiz, das am 1. November endete, verbuchte über 90.000 verschiedene Spieler, die rund 450.000 Spiele absolviert haben. Auch hierbei bietet die App viele umfassende Möglichkeiten, im Print geht das so nicht.
medianet: Das betrifft auch die Hyperpersonalisierung.
Merklein: Das ist ein wichtiges Asset. Dank der technischen Möglichkeiten können wir die Kundenbeziehung noch genauer gestalten. Wir wollen nicht nur fünf unterschiedliche Themenprodukte anbieten – unser Ziel ist es, irgendwann eine Eins-zu-eins-Beziehung in der Ansprache und Kommunikation zu erreichen. Letztlich klappt das alles nur auf einer starken Analytics-Einheit, die mit den Daten auch umgehen kann. Dazu sind Investitionen in die Systeme notwendig. Übrigens ist eine einfachere Handhabung ebenfalls ein Ziel dieser Investitionen, vor allem um es jenen zu erleichtern, die sie nur hin und wieder nutzen.
medianet: Wie viele der Mitglieder nutzen die App?
Merklein: Es gibt über zwei Millionen App-Besitzer und von den drei Millionen aktiven jö-Mitgliedern pro Monat sind über 50 Prozent dort aktiv. Der Digitalisierungsgrad hat sich innerhalb des letzten Jahres verdoppelt. Ein Effekt, den wir mit Kampagnen bewusst erreichen wollten. Wir haben sie beworben, neue Features eingeführt, etwa die digitale Rechnung oder die Gamification-Elemente. Das kam gut an. Uns ist aber auch bewusst, dass es Grenzen gibt.
medianet: Das bedeutet?
Merklein: Wir wollen keine Mitglieder ‚abhängen‘. Schließlich haben wir auch weniger digitalaffine Mitglieder, die gar kein Smartphone haben oder die App einfach nicht mögen. Es sollte niemand zum Umstieg
gezwungen werden. Wir sind dazu mit Pensionistenverband und Seniorenbund im Austausch und bieten Senioren Weiterbildung an. Klar ist: Wer seine Karte behalten will, kann das machen.
medianet: In der öffentlichen Wahrnehmung war der Online-Fokus deutlicher, in weiterer Folge wirkte es so, als ob das zurückgenommen wurde.
Merklein: Sie spielen darauf an, dass Billa die Pickerl an die jö-Mitgliedschaft gebunden hat. Das war aber immer zweigleisig gedacht, es gab sie physisch und in der App, wo es noch mehr Vorteile gibt. Und die Entscheidung, welche Aktionstools unsere Partner bei jö anbieten, liegt nicht bei uns und das kann ich nicht kommentieren. Unsere Strategie lautet digital first, nicht digital only. Sprich: Wir präferieren die App, um personalisierter und schneller zu sein. Neben
Nachhaltigkeitsgründen steigen die Kosten für Papierdruck und das Verschicken. Ich denke, dass es letztlich alle verstehen, dass Digitalisierung die Zukunft ist
medianet: Es gibt mehrere Multipartnerprogramme in Österreich. Wie differenzieren Sie sich von anderen Programmen?
Merklein: Unsere Stärke sind die Partner, branchen- und industrieübergreifend. jö begleitet im Alltag, vom Supermarkt über den Diskont bis zur Drogerie oder wenn ich mein Auto tanke oder Bedarf an Schulmaterialien habe. Zudem trifft man uns beim Online-Shopping oder wenn man eine Versicherung benötigt. Diese Breite hat niemand anderer in Österreich. Technologisch haben wir ebenfalls viel zu bieten: Vom Sammeln über das Einlösen bis zur digitalen Rechnung ist das Angebot groß, aber wir haben noch viel vor.
medianet: Was ist im kommenden Jahr noch geplant?
Merklein: Das Netzwerk wird größer, nach Sutterlüty in diesem Jahr wird auch die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien mit uns kooperieren. Es gab und gibt laufend Anfragen neuer Partner, die von unserer Reichweite profitieren und den jö-Mitgliedern Vorteile bieten möchten. Unser Fokus 2026 in der Kommunikation liegt auf Olympia, Familien und Gesundheit.
