Mit Drei-Säulen-Strategie gegen den Leerstand
© Stadtgemeinde Mödling
Nummer eins Gert Zaunbauer, Mödlings Wirtschaftsstadtrat, stößt mit „Posthof”-Betreiberin Claudia Fuchs auf die niedrigste Leerstandsrate Österreichs an.
RETAIL Redaktion 28.04.2023

Mit Drei-Säulen-Strategie gegen den Leerstand

Mödling führt das Anti-Leerstandsranking an – die Nachfrage nach Freiflächen übersteigt das Angebot.

••• Von Paul Hafner

Mit einer Leerstandsrate von 1,8% konnte sich Mödling im März den ersten Platz im „City Retail Health Check 2023” den ersten Platz sichern. Die vor den Toren Wiens gelegene „Europastadt” – ein Titel, den Mödling aufgrund seiner städtepartnerschaftlichen Aktivitaten seit 1966 führen darf – führt das jährlich von Standort + Markt erhobene Ranking der innerstädtischen Geschäftsflächen nicht zum ersten Mal an, bereits im Vorjahr hatte Mödling den Titel errungen – vor der Meidlinger Hauptraße in Wien, die heuer mit einer Leerstandsrate von 2,2% neuerlich auf Platz zwei rangiert.

Warum gerade Mödling, das mit dem Novo Park in Wiener Neudorf, dem Riverside in Wien-Liesing und allen voran der Westfield Shopping City Süd in Vösendörf gleich drei nahegelegene Shopping-Tempel zur Konkurrenz zählen darf? „Nicht zuletzt, weil wir es geschafft haben, stets rechtzeitig zu agieren und reagieren, damit es zu keinem größeren Leerstand kommt”, erklärt Gert Zaunbauer, seit 2020 Wirtschaftsstadtrat Mödling, im Gespräch mit medianet.

Proaktives Vorgehen

„‚Anfällig' ist Mödling wie jeder andere Stadt auch”, räumt Zaunbauer ein. „Natürlich hat es einen gehörigen Einfluss auf die Kaufkraft, dass Mödling eine der Top 3-Städte Österreichs mit dem höchsten Haushaltseinkommen ist”, doch in Anbetracht der eingangs geschilderten Konkurrenzsituation mit drei Einkaufszentren in einer Entfernung von unter 20 Autominuten müsse man den Blick darauf haben, „dass die Menschen das Geld in der Stadt ausgeben”.

Die Initiative zu ergreifen und proaktiv zu handeln, ist für Zaunbauer prioritär, denn: „Eine leere Stadt wieder ‚voll' zu bekommen, ist wesentlich schwieriger, als Leerstand zu vermeiden.” Doch wie sieht das Vorgehen aus, wenn ein Betreiber in Pension geht, einen Standortwechsel vollzieht oder sein Geschäft schlicht aufgibt?
„Unser Pfarrer Valenta hat mir bereits verziehen, wenn ich regelmäßig sage ‚Da bin ich wie der Teufel hinterher', wenn ein Leerstand entsteht. Ich nehme dann sofort mit dem Vermieter persönlich den Kontakt auf und frage nach, ob es schon eine Nachfolge gibt oder ob Unterstützung gebraucht wird. Das Objekt kommt dann auch gleich inklusive Fotos und Eckdaten auf die gemeindeeigene Homepage zur allgemeinen Ansicht.”

Mehr Nachfrage als Freifläche

Prinzipiell sei man „in der glücklichen Lage, von Unternehmerinnen und Unternehmern mehr Nachfragen nach einem Freistand als freie Fläche in Mödling haben” zu haben. Zu tun hat das nicht zuletzt mit der Vermarktung der eigens definierten „Mödling-Meile”, die laut Zaunbauer in etwa so lang wie die vergleichbare SCS ist, „nur eben mit Vogelgezwitscher an der frischen Luft zu genießen ist und in der man sogar Rad fahren und, wer will, rauchen kann”. So gelinge es auch, „maximal eine Handvoll Leerstände in der Mödling-Meile zu haben”, wie Zaunbauer stolz festhält. Herausfordernd sei dabei „manchmal eine überzogene Preisvorstellung der Vermieter, denen ich mit Preisvergleichen zu ähnlichen Objekten versuche ins Lot zu bekommen”.

Tempo ist gefragt

Auf seinen gerne gezogenen Vergleich zwischen der Ausbreitung von Leerstand mit einer „Seuche” angesprochen, präzisiert Zaunbauer: „Bei der Leerstandbekämpfung kommt es auf Schnelligkeit an. Wenn ein Objekt über Monate leer steht, bekommt es den Nimbus des ‚fauligen Objekts'. Wenn dann durch Zufall unweit ein weiteres Geschäft schließt, kommt bald ein ganzer Häuserblock in ungerechtfertigten Verruf. Dann schrillen bei mir schon heftig die Alarmglocken.”

Als große Hilfe beim Ansiedeln neuer Betriebe habe sich der neu installierte Pop-up-Shop in zentraler Lage erwiesen; hier können Jungunternehmer für bis zu sechs Wochen testen, ob ihr Produktportfolio von den Mödlingern angenommen wird. Zaunbauer: „Wenn es gut läuft und das Kunden-Feedback vielversprechend ist, suchen wir gemeinsam einen geeigneten Fixplatz.” Zuletzt zog hier etwa mit „Art of Walk” bis Ende Mai ein Geschäft ein, das handgefertigte Schuhe und Taschen aus Italien anbietet.
Weil nur aus Passanten Kunden werden können, ist für Zaunbauer die wichtigste „Währung” die Frequenz. Um diese zu steigern, setzt Mödling auf eine Drei-Säulen-Strategie, die neben der „intensiven Leerstandsbekämpfung” den Ausbau vom „Shopping.tainment” und die „Unterstützung des Eventmanagements” umfasst – etwa der Veranstaltung eines Faschingsumzugs, einem Weinfest oder Silent-Cinema-Vorführungen.

„Bunter Branchenmix”

Den landesweiten Trend zum Shopflächenrückgang sieht Zauner gelassen, „erfahrungsgemäß ist das konjunkturabhängig. Früher waren es überwiegend Brillen- und Hörhilfe-Geschäfte, vor Corona vor allem die Delikatessenläden, die förmlich aus dem Boden schossen, und im Moment ist die Themen-Gastro im Vormarsch” – doch auch ein Kinderschuhgeschäft, ein Lavendel-Shop und ein Plattenladen ist kürzlich neu dazugekommen.

Ob Händler, Arztpraxis oder ein neues Lokal, Zaunbauer ist überzeugt: „Ein bunter, organisch wachsender Branchenmix macht den Reiz einer Innenstadt aus, der weit weg vom systemgesteuerten planwirtschaftlichen Einkaufs-Indoor-Tempel ist.”

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