Weiterhin hohe Kosten, trotzdem mehr Tierwohl
© MVÖ
Johann Költringer
RETAIL Redaktion 28.06.2024

Weiterhin hohe Kosten, trotzdem mehr Tierwohl

MVÖ-Geschäftsführer Johann Költringer erklärt den Status quo in Sachen Milch und die Bedeutung von Tierwohl.

Mit einer Trendwende betitelte der Milchverband Österreich (MVÖ, vormals VÖM) seine Jahresbilanz 2023. Was sich im ersten Moment positiv anhört, ist bei näherer Betrachtung gar nicht so gut, wie MVÖ-Geschäftsführer Johann Költringer im Interview mit medianet erklärt. Denn 2022 stiegen die Preise auf den Energie- und Rohstoffmärkten sprunghaft an, sie beruhigten sich dann, aber die Kosten fielen dann nicht mehr auf das Niveau vor der Krise.

Moderate Steigerungen

„In Österreich sind die Erzeugermilchpreise 2022 nicht so schnell gestiegen wie anderswo”, sagt Költringer, „das liegt teils daran, dass mit den Handelsketten immer mehrmonatige Verträge abgeschlossen werden und es stets etwas dauert, bis es bei Änderungen am Markt mit den Preisen hinauf- oder heruntergeht. Auch hat der Handel mehrfach berichtet, dass es ihm gelungen ist, einzelne Preiserhöhungen, wie sie in anderen Ländern üblich waren, abzuwehren.”

2023 sanken die Preise tatsächlich wieder, konkret vor allem bei der Butter, aber nach zwei Jahren mit hohen Lohn- und Gehaltsabschlüssen und in der milchverarbeitenden Branche mit anhaltend teuren Verpackungen, Energie und Logistik, tut man sich nach wie vor schwer. Immerhin: Die Preise für Milchprodukte können aktuell unterhalb der Inflationsrate gehalten werden. Warum? „Die Molkereien kalkulieren immer sehr knapp, der Handel möchte die Preise drücken, Milch und Milchprodukte sind immer im Fokus von Preisdiskussionen, auch wenn sie im langjährigen Vergleich sehr niedrige Preisentwicklungen aufweisen und aktuell Milchprodukte günstiger als vor einem Jahr sind.”

Mehr Platz für Tierwohl

Allen Krisen zum Trotz baut die Branche laut eigenen Angaben Qualität, Tierwohl und Nachhaltigkeit weiter aus. Erst Ende Mai wurde mit „Tierhaltung plus” eine weitere Verbesserung beim Tierwohl vorgestellt. Dieses gemeinsam mit der AMA-Marketing entwickelte Gütesiegel-Modul bietet den Milchkühen mehr Auslauf, Weide, Platz und Bewegung, ein erweitertes Gesundheitsmonitoring und palmölfreies und gentechnikfreies, europäisches Futter samt jährlichen, unabhängigen Kontrollen. Aktuell werden laut AMA-Marketing 74% der Milchmenge in Laufställen gemolken. Das heißt, die Tiere können sich ganztägig frei bewegen.

Wer die Milch mit dem neuen Logo kauft, soll sicher sein können, dass sich die Tiere an mindestens 120 Tagen frei bewegen können, verpflichtende Scheuermöglichkeiten haben oder die Betriebe künftig am erweiterten Tiergesundheitsmonitoring des Tiergesundheitsdiensts teilnehmen. „Produkte mit diesem Label sind bereits erhältlich und wir wollen noch weitergehen”, sagt Költringer.

EU-Meister in Sachen Bio

Das ist auch gut so, mögen Menschen doch Milch. Laut einer AMA-Marketing-Studie gaben 42% der Befragten an, täglich Milch zu trinken, weitere 29% mehrmals pro Woche und sechs Prozent einmal die Woche. Die Österreicher lieben dabei Bio – 2023 erreichte Biomilch einen Anteil von 18%, ein leichter Rückgang im Vergleich zum Vorjahr. Das ist unter anderem auf verschärfte Auflagen zurückzuführen und, so der MVÖ-Geschäftsführer: „Die Menschen greifen aktuell lieber zu billigeren Produkten und drehen den Euro um – wie auch in vielen anderen Bereichen.”

In Deutschland liegt der Wert im niedrigen einstelligen Prozentbereich, insgesamt ist Österreich das EU-Land mit dem höchsten Bioanteil bei Milch. Daneben existieren noch weitere Premiumprodukte, etwa mit Tierwohl oder das Topsegment Bio-Heumilch. Die Umsätze der heimischen Milchverarbeiter sind 2023 insgesamt vornehmlich aufgrund der Preisentwicklungen um insgesamt ca. 4,5% auf 3,97 Mrd. € gestiegen, wobei Zuwächse sowohl beim Inlandsabsatz als auch im Export zu verzeichnen waren. Letzteres verläuft stabil, auch dank des Käses.

Alles Käse oder was?

Denn mehr als die Hälfte der österreichischen Milch wird zu Käse verarbeitet und auch ins Ausland exportiert. „Alle glauben immer, dass nur die Holländer oder Schweizer Käse machen”, widerspricht er der landläufigen Meinung. Vor allem im nahen europäischen Ausland würden die Menschen den heimischen Käse mit den Alpen und ihren Almen verbinden: „Wir sehen uns als klassisches Käseland und haben uns mit Berg-, Heumilchkäse und Gentechnikfreiheit etabliert.” Die österreichische Milchwirtschaft exportiert insgesamt 44% ihrer Produkte, importiert werden 28,4%. Die Hälfte der Exporte geht nach Deutschland, gefolgt von Italien und den Niederlanden; ein ähnliches Bild ergibt die Analyse der Herkunftsländer der importierten Produkte.

Insgesamt exportiert die heimische Milchwirtschaft in über 100 Staaten. In Zahlen: Es wurden 171.000 t (–5,3%) um 920 Mio. € (plus 2,1%) zu einem Durchschnittswert von 5,36 €/kg exportiert, während 135.000 t (+1,9%) um 696 Mio. € (+9,8%) zu einem Durchschnittswert von 5,17 €/kg importiert wurden.

Überschaubare Förderungen

Die Umstände der Produktion sind dabei eben nicht so einfach. Im Gegensatz zu anderen Branchen gab es in der Milchwirtschaft weniger Förderungen, betont Költringer. Strom spielt eine untergeordnete Rolle, das wichtige Gas wurde nicht gefördert.

Die Anzahl der Milchbauern verringert sich zudem um 3,3%, von 23.178 auf 22.419. Der Milchkuhbestand ist mit 543.032 um 1,4% gefallen, im Durchschnitt hielt jeder Landwirt 24,2 Kühe, international gesehen ein sehr kleiner Wert. Die durchschnittliche Milchlieferleistung der Kühe lag bei 6.508 kg, im internationalen Vergleich ein moderater Wert, der laut MVÖ die nachhaltige Produktion in Österreich dokumentiert. Költringers Blick auf die Zukunft? Einer mit gemischten Gefühlen. (gs)

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