„Wir haben in Österreich sehr treue Kunden”
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RETAIL Redaktion 14.07.2023

„Wir haben in Österreich sehr treue Kunden”

Marlene Schöllhuber, Country Lead Austria at Amazon, über die Strategie des Onlineriesen hierzulande.

••• Von Georg Sander

Die Geschichte von Amazon in ­Österreich beginnt 1998. Das erste Paket war ganz traditionell ein Buch. Zu klein ist das Land für den Online-Händler keinesfalls, wie Marlene Schöllhuber, Country Lead Austria at Amazon, verrät: „Österreich mag klein sein – ist für uns aber überaus attraktiv. Wir haben hierzulande sehr treue Kunden. Uns ist es wichtig, mit unseren Logistikstandorten nah an diesen zu sein, um eine möglichst schnelle Lieferung ­gewährleisten zu können.” Deshalb gibt es hierzulande viel Präsenz, die in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut wurde. Die Details und Hintergründe verrät sie im Gespräch mit medianet.

Forschung und KMU

2016 wurde der erste Standort in Österreich eröffnet, ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Graz. Mittlerweile betreibt Amazon hierzulande sechs Standorte. „Mit unserer wachsenden Präsenz in Österreich ist auch die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewachsen”, erklärt Schöllhuber: „Derzeit sind allein an unseren vier Logistikstandorten mehrere Hundert Menschen direkt beschäftigt. In der Hochsaison stellt Amazon zusätzlich Aushilfskräfte ein, um der gestiegenen Nachfrage gerecht zu werden.”

Darüber hinaus schaffen die lokalen Lieferpartner, die Pakete an die Kunden ausliefern, rund 600 Arbeitsplätze. Und nicht zuletzt würden von den Verkaufspartnern laufend neue Jobs geschaffen. Mehr als 2.500 österreichische KMU verkaufen ihre Produkte über Amazon. Bis heute sind laut Unternehmensangaben auf diesem Weg über 10.000 weitere Arbeitsplätze in Österreich entstanden.
„Hinter solchen Zahlen stecken natürlich auch Investitionen”, rechnet sie vor: Seit 2016 wurden mehr als 330 Mio. € in Österreich investiert. Allein 2021 waren das über 160 Mio. € für Standorte, Infrastruktur oder Betriebsausgaben in Österreich: „Da reden wir zum Beispiel über unsere Verteilzentren in der Region Wien. Wir haben unsere Investitionen seit 2019 mehr als verdreifacht – 2019 waren es 45 Millionen Euro, ein Jahr später schon 100 Millionen.”

Fokus Regionalität

Besonders im Fokus stehen für Amazon in Österreich Regionalität – und Klein- und Mittelbetriebe, seit 20 Jahren arbeitet man mit ihnen zusammen. Was bietet man den heimischen KMU im Detail an, etwa im Vergleich zu eigenen Online-Shops? Und welchen wirtschaftlichen Benefit hat Amazon von einer derartigen Kleinteiligkeit? „Mehr als die Hälfte der bei Amazon verkauften Artikel stammen von KMU, und dieser Anteil wächst schneller als die eigenen Verkäufe”, führt sie aus. Die Partnerschaft mit Verkaufspartnern ermögliche es, eine riesige Produktauswahl zu bieten. Im Gegenzug profitieren die Unternehmen unter anderem vom Zugang zu Millionen Kunden weltweit, die Einstiegshürden sind gering: „Man erspart sich etwa Investitionen in den Aufbau eines eigenen Online-Shops. Mit dem Amazon Marketplace, den dazugehörigen Services und gezielten Investitionen unterstützt Amazon KMU außerdem in jeder Phase ihrer Entwicklung – durch Angebote im Bereich Logistik und Versand, Dienstleistungen und Analyse-Tools oder Schulungen.”

Ein besonders effektiver Hebel sei das Programm „Versand durch Amazon”. Auf Wunsch wird die komplette Logistik übernommen. Konkret bedeutet das für ein Unternehmen aus Wien: Es schickt seine Ware in eines der Logistikzentren, und Amazon übernimmt den Rest, von Lagerung über Versand und etwaige Retouren bis zum Kundenservice. Zusätzlich profitieren die Unternehmer von den Services durch einfache Exportmöglichkeiten zu geringeren Versandkosten im Vergleich zu Einzellieferungen ins Ausland und haben die Möglichkeit, den „Prime-Status” zu erhalten. „So können sich die teilnehmenden Verkäufer auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren”, ist sie sich sicher. Auch in puncto Regionalität biete man eine Besonderheit, denn immer mehr Menschen entscheiden sich zunehmend dazu, regional einzukaufen: „Wir wollen diesem Wunsch gerecht werden und haben aus diesem Grund die Seite ‚Amazon & Kleine Unternehmen' ins Leben gerufen. Hier finden Kunden Produkte lokaler KMU aus Österreich, der Schweiz oder Deutschland – je nach Wunsch.”
Den Zugang zu 300 Mio. Menschen nutzen die 2.500 heimischen KMU auch aus. Laut Amazon lagen ihre Exporte über Amazon 2022 bei mehr als 550 Mio. €, ein Wachstum von rund zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mehr als 100 kleine und mittlere Betriebe haben über eine Mio. € Umsatz über Amazon erzielt, mehr als 650 KMU über 100.000 €. Die Top-5-Exportländer für österreichische KMU waren Deutschland, USA, Frankreich, Italien und Großbritannien. Insgesamt konnten die Verkaufspartner von Amazon in Österreich 2022 rund 20 Mio. Produkte absetzen.

Die Nachhaltigkeitsfrage

Ein Thema, dem sich alle Unternehmen auf der Welt stellen müssen, ist jenes der Nachhaltigkeit. Amazon ist sich dieser Verantwortung bewusst, „deshalb haben wir 2019 den sogenannten Climate Pledge ins Leben gerufen und uns verpflichtet, bis 2040 – und somit zehn Jahre vor dem Pariser Klimaabkommen – in all unseren Geschäftsbereichen CO2-neutral zu sein.” Inzwischen haben sich mehr als 400 Unternehmen angeschlossen, die Österreichische Post war hierzulande das erste Unternehmen.

Wie sieht es im Detail aus? Bis 2025 werden alle Betriebsabläufe zu 100% mit erneuerbaren Energien versorgt – fünf Jahre vor dem ursprünglichen Ziel 2030. Aktuell stehe man bei 85%: „Zudem sind wir schon heute der weltweit größte private Abnehmer von erneuerbarer Energie. Beispielsweise wird in unserem Verteilzentrum in Klagenfurt die Energie aus dem benachbarten Biomasse-Heizkraftwerk bezogen.” Hinzu kommen eigene Projekte im Bereich der erneuerbaren Energiegewinnung, in Europa derzeit insgesamt 128. Dazu zählt zum Beispiel auch die Solaranlage auf dem Verteilzentrum in Wien Simmering. Ein anderes zentrales Thema sind die Versandverpackungen – Amazon passt die Größe an die Produkte an und verzichtet beim Verpacken auf Plastik. Dem nicht genug, werden immer mehr Produkte gänzlich ohne Umverpackung verschickt: „Seit 2015 konnten wir das Gewicht der Versandverpackungen mit solchen Schritten pro Sendung um 38 Prozent reduzieren und so über 1,5 Millionen Tonnen Verpackungsmaterial einsparen.”

Zustellung auch am Land

Auch in Sachen Zustellung tut sich einiges. So gibt es etwa in 20 europäischen Städten sogenannte Micro Hubs. Bei diesen handelt es sich um kleinere, zentral gelegene Lieferstationen in den traditionell dicht besiedelten Städten Europas. Diese Hubs ermöglichen es Amazon, neue Zustellmethoden wie E-Lastenfahrräder und Zu-Fuß-Lieferungen einzusetzen, um Pakete nachhaltiger zu den Kunden zu bringen. Dadurch werden herkömmliche Lieferwagen von der Straße genommen, was die Verkehrsbelastung in den Innenstädten verringert und die Luftqualität verbessert. Auch in Wien ist die Paketzustellung mit Lastenrädern gestartet worden.

Elektrisch mit Rivian

Die Stadt ist die eine Sache, das Land eine andere. Mit dem Lastenrad zwischen Ortschaften zu fahren, gestaltet sich als eher schwierig. „Aktuell führen wir neue maßgeschneiderte Elektrolieferfahrzeuge von Rivian in Europa ein. Über 300 dieser Fahrzeuge werden in den nächsten Wochen im Raum München, Berlin und Düsseldorf in Betrieb genommen”, erklärt Schöllhuber. Sie werden Teil einer Flotte elektrischer Fahrzeuge, die in Europa bereits unterwegs sind.

2022 wurden in ganz Europa bereits mehr als 120 Mio. Pakete mit Elektrolieferfahrzeugen ausgeliefert. Dieser Anteil soll ausgebaut werden, in den nächsten fünf Jahren werde 1 Mrd. € in die weitere Dekarbonisierung des europäischen Transportnetzes investiert, das Ziel sind 10.000 elektrische Fahrzeuge bis 2025.

Amazon als Arbeitgeber

Darüber hinaus kümmert man sich auch um die eigenen Mitarbeiter – schließlich bedeutet Nachhaltigkeit mehr als nur CO2-Neutralität. Das Ziel sei es, der „weltweit beste Arbeitgeber” zu werden. So gibt es etwa Karrierechancen, unabhängig von der Qualifikation, Gesundheitswochen oder Arbeitstechniktrainings.

An die Lieferpartner stellt man hohe Anforderungen, die meisten wären vorbildlich: „Unsere Lieferpartner unterzeichnen unsere Programmvereinbarung und die Programmrichtlinien, die gewährleisten, dass faire Löhne bezahlt und angemessene Arbeitszeiten eingehalten werden.” Das überprüfe man regelmäßig. Zusätzlich gibt es eine Hotline, um mögliche Verstöße anonym zu melden.
Wie blickt man bei Amazon nun in Zeiten der multiplen Krisen in die Zukunft? „Optimistisch”, sagt Schöllhuber, und meint dabei global und in Österreich: „Auch wenn die gesamtwirtschaftliche Lage weiterhin Unsicherheiten bereithält, normalisieren sich die Lieferketten und die Auswirkungen der Pandemie. In Zeiten von Inflation ist vielleicht der Preis noch einmal wichtiger, und während der Pandemie war die Verfügbarkeit von einigen Produkten von besonderer Bedeutung.”
Diese drei Dinge seien die Konstanten und hätten sich als Wegweiser bereits über Jahrzehnte bewährt, sagt sie: „Die Bedürfnisse unserer Kundschaft sind im Grunde extrem konstant: Sie wollen gute Preise, ein breites Sortiment an verfügbaren Produkten sowie Komfort im Einkaufs- und Liefer-prozess.”

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