„Zukunftsweisend im Kreislauf denken”
© Vöslauer
RETAIL Redaktion 05.04.2024

„Zukunftsweisend im Kreislauf denken”

Herbert Schlossnikl ist neuer Vöslauer-Alleinvorstand. Im Interview spricht er über die Zukunft – von Export bis Nachhaltigkeit.

••• Von Georg Sohler

Seit Februar 2024 ist Herbert Schlossnikl nach über zwei Jahrzehnten im Hause Vöslauer Alleingeschäftsführer. Davor war er technischer Geschäftsführer. Auf jeden Fall sind 20 Jahre plus in einem Unternehmen außergewöhnlich. „Die Überlegung, einen beruflichen Wechsel in Betracht zu ziehen, wird oft von Unzufriedenheit und Zweifeln an der Sinnhaftigkeit der aktuellen Tätigkeit begleitet – eine Situation, die ich bei Vöslauer keineswegs erlebe”, erklärt er im Interview. Es sei ein Privileg, den Beruf in einer Weise ausüben zu können, die es erlaubt, Fähigkeiten und Interessen bestmöglich einzubringen und „aktiv an der Gestaltung einer ganzen Branche teilzuhaben”. Im Verlauf dieser Zeit hat er mit seinem Team zahlreiche Innovationen vorangetrieben. Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich Vöslauer stetig verbessern kann, sei eben eine Aufgabe, die niemals Langeweile aufkommen lässt. Im Interview mit medianet spricht er über seine neue Aufgabe und was ihn erwartet.


medianet: Fangen wir mit Ihnen und dem Thema Arbeitsmarkt an. Sie sind nicht nur lange im Unternehmen, sondern haben parallel zur beruflichen Tätigkeit ein MSc-Degree in Innovationsmanagement und einen MBA absolviert. Ist ein guter Arbeitgeber, der so etwas ermöglicht, auch die Antwort auf Herausforderungen unserer Zeit am Arbeitsmarkt?
Herbert Schlossnikl: Unbedingt. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Menschen mobiler und flexibler werden, sie viele Dinge unter einen Hut bringen müssen – privat und beruflich, ihnen Nachhaltigkeit immer wichtiger wird und sie von Firmen und Marken Haltung und Lösungen erwarten. Unser Job als Unternehmen ist es unter anderem, diese neuen Werte, Gewohnheiten und Verhaltensweisen zu beobachten und mit unseren zu verknüpfen. Für uns als produzierender Betrieb kann es aber nicht nur ein Konzept für alle geben. Umso wichtiger ist es, für jede Berufsgruppe bzw. jede Tätigkeit Maßnahmen zu ergreifen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.

medianet:
Sehen Sie Vöslauer mit Fitnessraum, Yoga, Saisonkarte für das Thermalbad, Familienfreundlichkeit schon gut aufgestellt?
Schlossnikl: Um die Motivation und Freude an der Arbeit aufrechtzuerhalten, braucht es mehr als einen Fitnessraum. Die unterschiedlichen Angebote, mit denen wir uns gegenüber bestehenden und potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als attraktiver Arbeitgeber positionieren, beinhalten viele Aspekte. Dazu gehören etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Weiterbildungsangebote, aber auch die Förderung von Diversität, Inklusion und Chancengleichheit sowie Home-office und flexibles und mobiles Arbeiten.

medianet:
Frauen haben nach wie vor systemische Nachteile am Arbeitsmarkt. Was tut Vöslauer, um hier, nennen wir es so, Gerechtigkeit herzustellen?
Schlossnikl: Wir bei Vöslauer haben einen Frauenanteil von 62,5 Prozent (2023) in der Führungsebene. Gleiche Bedingungen für Männer und Frauen sind für uns eine Selbstverständlichkeit. Das erreichen wir durch unterschiedliche Maßnahmen, wie zum Beispiel mit eine Meetingkultur, die auf private Verpflichtungen Rücksicht nimmt, aber auch durch flexible Arbeitsmöglichkeiten. Ein wesentliches Element ist es aber, Frauen für Positionen vorzubereiten und ihnen die Möglichkeit zu geben, Chancen zu ergreifen.

medianet:
Kommen wir zur wirtschaftlichen Situation. Vöslauer ist Marktführer. Wie gestaltet sich die aktuelle Lage?
Schlossnikl: Wir sind gemäß NielsenIQ mit ca. 40 Prozent Marktanteil bei Mineralwasser die klare Nummer eins in Österreich. Was uns außerdem freut, ist, dass wir seit 2023 auch Marktführer im Bereich Near Water sind, konkret mit 47,2 Prozent Marktanteil im 0-Kalorien-Segment und bei Near Water gesamt sind es 28,7 Prozent. Unsere Exportquote beträgt rund 18 Prozent, und unser stärkster Exportmarkt ist Deutschland.

medianet: Ende 2023 wurde die Deutschland GmbH gegründet. Welche Ziele verfolgen Sie?
Schlossnikl: Vöslauer ist seit 2005 am deutschen Markt vertreten und es ist unser wichtigster Exportmarkt – 2023 war mit 56,6 Mio. dort verkauften Flaschen das bisher wachstumsstärkste Jahr für uns. Mit der GmbH wollen wir diese Marktpräsenz weiter stärken. Mit 1,5 Prozent Marktanteil im Segment Einweg-Mineralwasser inkl. Wasser mit Zusatz sind wir die siebtstärkste Marke im deutschen LEH – das macht uns stolz. Mit den beiden erfahrenen Geschäftsführerinnen Raffaela Lackner-Petz und Ana Raditcheva haben wir ein umsetzungsstarkes Duo im Einsatz, das diesen Weg konsequent weiterführen wird. Erst kürzlich haben wir weitere innovative Produkte am deutschen Markt eingeführt, etwa die neue Sorte Vöslauer Flavours Holunder. Damit bieten wir in Deutschland sieben Geschmacksrichtungen, das ist die breiteste Palette von Getränken mit Geschmack. Für die beliebtesten Flavours haben wir erst kürzlich eine verbesserte 0,5 Liter-Flasche aus 100 Prozent rePET auf den Markt gebracht, die nach dem Vorbild der 1 Liter-Flasche noch mehr Convenience und Nachhaltigkeit in die Regale bringt. Auch das Sortiment mit Zusatznutzen wurde erweitert: Vöslauer Plus Orange-Passion Plus Vitamin B12 und B5 erfrischt als fruchtiger Energizer seit März unsere deutschen Konsumentinnen und Konsumenten.

medianet: Reden wir über Nachhaltigkeit. Zunächst: Wieso braucht ein Land wie Deutschland Wasser aus Österreich?
Schlossnikl: Das Lieblingswasser der Österreicherinnen und Österreicher ist, wie ich vorher schon gesagt habe, in Deutschland ausgesprochen beliebt, und es freut uns, dass wir mit unseren Produktinnovationen immer wieder den Geschmack der deutschen Konsumentinnen und Konsumenten treffen.

medianet:
So mancher fragt sich generell, warum man Wasser in Flaschen abfüllen muss.
Schlossnikl: Auch wenn wir in Österreich in der glücklichen Situation sind, dass Leitungswasser bedenkenlos getrunken werden kann, so ist die Qualität regional dennoch meist unterschiedlich. Mineralwasser ist eines der am strengsten kontrollierten Lebensmittel, mit stets gleichbleibender Qualität und ausgewogener Mineralisierung.

medianet: Welche Ziele geben Sie sich hinsichtlich Nach­haltigkeit?
Schlossnikl: Seit 2005 konnten wir bereits 50 Prozent unserer CO2-Emissionen aus eigener Kraft reduzieren, die verbliebenen 50 Prozent wurden mit hochwertigen Klimaschutzzertifikaten ausgeglichen. Im Zuge der Entwicklung unserer Nachhaltigkeitsagenda 2030 (Anm.: kontinuierliche Materialeinsparungen, Ausbau der Mehrweg-Gebinde, Einweg-Gebinde aus 100 Prozent rePET) haben wir uns nun bewusst dazu ent­schieden, ab sofort auf diese Kompensation zu verzichten und uns stattdessen auf die eigenen Einflussfaktoren zu konzentrieren.

medianet:
Warum?
Schlossnikl: Wir wollen so viele Emissionen wie möglich aus eigener Kraft einsparen, um unser übergeordnetes Ziel – die Reduktion der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um weitere 28 Prozent im Vergleich zu 2019 – zu erreichen. Im Zentrum stehen dabei ressourcenschonende Produktion, konsequente Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Innovationen sowie Chancengleichheit und gesellschaftliches Engagement.

medianet: Sie sind Gesellschaftsvertreter der Pet2Pet Recycling Österreich GmbH. Kunststoff im Kreislauf zu halten, ist sehr wichtig – ist das das Hauptthema oder sehen Sie weitere?
Schlossnikl: Vöslauer ist eines von fünf Gründungsunternehmen. Unser Anspruch ist stets, zukunftsweisend im Kreislauf zu denken und ressourcenschonend zu produzieren. So hat die Wiederverwertung wertvoller Rohstoffe oberste Priorität, und es ist immens wichtig, Kunststoff so lange wie möglich im Kreislauf zu halten. Jedoch spielt nicht nur die Menge an eingesetztem Recyclingmaterial eine wesentliche Rolle, sondern auch die Recyclingfähigkeit. Deshalb setzen wir auf ‚design to recycle' – sprich: bei der Entwicklung wird die Wiederverwertung bereits mitgedacht. Unser Motto lautet: reduce, reuse, recycle.

medianet:
Wie stehen Sie zu den Mehrwegquoten?
Schlossnikl: Wir sind Vorreiter bei Mehrweg in Österreich. Aktuell liegt unser Anteil an Mehrweggebinden bei 20 Prozent, bis 2030 wollen wir diesen Anteil auf rund 40 Prozent zu verdoppeln.

medianet:
Welche Trends beobachten Sie sonst noch?
Schlossnikl: Ein bereits länger anhaltender Trend ist ein gesteigertes Bewusstsein für mehr Gesundheit und Wohlbefinden. Die Konsumentinnen und Konsumenten greifen daher verstärkt zu Produkten, die ihnen guttun und schmecken. Dies hat zu starken Zuwächsen im Bereich Near Water geführt und wie bereits erwähnt freut es uns, dass wir seit dem vergangenen Jahr ebenfalls Marktführer in diesem Bereich sind.

medianet:
Die Energiekrise scheint vorerst überstanden. Wenn ich mit anderen produzierenden Betrieben rede, hoffen diese auf weniger turbulente Monate als seit Anfang 2020. Sind die Krisen überstanden?
Schlossnikl: Die Zeiten sind immer noch turbulent, und die Folgen der Krise sind spürbar – wir haben nicht alles selbst in der Hand. Bei Vöslauer verfolgen wir die Strategie, auch in schwierigen Situationen dranzubleiben und unseren Überzeugungen zu folgen. Das heißt etwa, dass wir trotz der außergewöhnlichen Umstände infolge der Corona-pandemie in eine neue Abfüllanlage für PET-Mehrweg oder in den Bau eines neuen und modernen Hochregallagers investiert haben. Das heißt auch, dass wir uns vorgenommen haben, den Umstieg auf erneuerbare Energien zu beschleunigen.

medianet:
Welche Erwartungen haben Sie an die Politik?
Schlossnikl: Die Krisen, mit denen wir konfrontiert waren und teilweise nach wie vor sind – bzw. mit deren Nachwirkungen –, sind immens vielfältig. Als produzierendes Unternehmen erwarten wir uns deshalb faire Rahmenbedingungen für unsere Tätigkeit. Denken wir etwa an die Klimakrise. Hier könnte die Politik durch deutlichere Anreize vermutlich mehr erreichen und Innovationen vorantreiben als durch immer mehr Regularien. Ganz wesentliche Bausteine der Politik für unser unternehmerisches Handeln sind Berechenbarkeit und langfristiges Denken. Nur so können wir als Unternehmen Teil der Lösung sein.

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