MARKETING & MEDIA
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11.12.2015

„Die TKPs werden dadurch nicht fallen”

MediaCom-CEO Joachim Feher erläutert Möglichkeiten für Publisher durch Programmatic Buying und räumt dabei mit Vorurteilen auf.

••• Von Michael Fiala

WIEN. Programmatic Buying entwächst auch in Österreich langsam, aber doch den Kinderschuhen. Im Gespräch mit medianet sprechen MediaCom-Geschäftsführer Joachim Feher (im Bild links) und Digital Director Thomas Urban über den Markt, steigende Umsätze, welche Ängste es derzeit noch gibt und warum Programmatic die Preise für digitale Werbung nicht wie oft befürchtet senken wird.

medianet:
Programmatic Buying ist in aller Munde. Doch was kann es wirklich?
Joachim Feher: Programmatic Buying ist ein automatisierter Einkauf von Werbeinventar auf Basis datengesteuerter Logiken und Regeln. Groß aufgepoppt ist dieses Thema in den bekannten ‚open market places' wie Google oder Facebook. Dort ist dieses Thema schon lange relevant. Hier konnten wir bereits sehr viele Learnings daraus ziehen, wie man Kampagnen strukturiert.
Thomas Urban: Im Wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten, zu agieren: Einerseits kann man auf open market places, über sogenannte ADExChanges auf Basis eines Auktionsverfahrens in Echtzeit einkaufen. Hier sind die größten und bekanntesten Marktplätze eben Google und Facebook. Der neuere und im Programmatic Buying derzeit stärker wachsende Bereich sind ‚Private Deals', auf denen auch bei uns ein starker Fokus liegt. Das ist ein echter Game-Changer. Hier werden klassische Insertion-Orders auch programmatisch abgewickelt. Die Neuigkeit dabei ist, dass diese Form zum einen in den Premium-Bereich der klassischen Medienlandschaft eindringt und zum anderen deutlich bessere Targetingmöglichkeiten auf Basis der unterschiedlichsten Datenquellen erlaubt.

medianet:
Wie kann man Private-Deals konkret beschreiben?
Urban: Hier gibt es noch ein großes Missverständnis in der Definition. Viele glauben, dass es hier eins zu eins so weitergeht wie bisher, dass man bei einem Medium anruft und eine Insertion-Order platziert. Bisher hat man bei einem Medium immer ein Paket gekauft. Die Pakete wurden zwar durch Targeting immer besser geschnürt, aber es war noch immer ein Paket. Das bedeutet, dass alle User gleich angesprochen wurden. Aufgrund der Basis der Daten hat man jetzt jedoch die Möglichkeit, die User nicht mehr gleich zu behandeln. Die Daten sind somit der Knackpunkt.

medianet:
Wie kommt man zu den Daten?
Feher: First-Party-Data ist für uns in Österreich am wichtigsten. Hier nimmt die Web-Analyse einen wichtigen Punkt ein: Wir definieren auf Basis der Informationen gewisse Segmente für Produkte oder zum Beispiel auch Segmente, ob ein User bereits einen Bestellprozess eingeleitet und diesen möglicherweise aber nie abgeschlossen hat. Das ist leider die Mehrheit, es ist aber ein sehr wertvolles Segment, da diese User sich bereits für bestimmte Produkte konkret interessiert haben.
Urban: Wir bauen dazu in die Websiten unserer Kunden Pixel für die jeweiligen Prozesse ein. Das System folgt dann einer gewissen Logik, und man kann sehr genau differenzieren, welche User einer gewissen Interessens- oder Produktgruppe zuzuordnen sind. Innerhalb dieser Gruppen kann man noch einmal differenzieren, zum Beispiel welches Produkt den höheren Deckungsbeitrag erzielt usw.
Feher: Third-Party-Daten, also Daten, die man kaufen kann, sind in Europa seltener, was auch mit dem Datenschutz zu tun hat. Second-Party-Daten, die von Publisher kommen, sind in Österreich zudem noch relativ unterentwickelt; da hat Österreich noch viel Aufholbedarf.

medianet:
Wie wird sich dadurch der Preis entwickeln?
Feher: Einer der größten Irrtümer aus Sicht der Publisher ist, dass sie glauben, dass die Preise durch Programmatic Buying runtergehen werden. Das stimmt nicht. Die TKPs werden dadurch nicht fallen. Wir kaufen nicht mehr Pakete, sondern schalten die AdImpressions nur noch bei jenen Personen, die relevant sind. Da der Streuverlust dadurch ausgeschlossen wird, ist man auch bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Da es so viele unterschiedliche Zielgruppen gibt, ist die einzelne AdImpression teurer zu verkaufen. Das Ganze funktioniert aber nur, wenn man etwas über die User weiß und über Daten qualifizieren kann.
Urban: Die Daten sind der Schlüssel im System. Die Data-Management-Plattform rückt ins Zentrum. Die Frage ist nur noch: Mache ich das auf Basis von First-Party-Data?

Dies betreiben wir derzeit stark, denn es ist immer besser, die Regeln von Kundendaten selbst auszudefinieren. Aber es entsteht ein zweites Feld, und zwar Third-Party-Data, wo man Daten von anderen verwendet, um diese Logiken für die eigene Plattform zu verwenden.


medianet:
Von welchem Markt­volumen reden wir hier in Österreich derzeit?
Feher: Es ist in Österreich noch ein überschaubarer Bereich. In Summe werden in Österreich mit Display-Werbung – ohne Google und Facebook – Umsätze im niedrigen einstelligen Millionenbereich erzielt. Die Umsätze wachsen dafür relativ schnell, sofern es entsprechend vernünftiges Inventar ist.
Urban: Es gibt Beispiele, etwa aus dem skandinavischen Raum, wo der Bereich der Display-Programmatic auf über 50% gewachsen ist. Wenn man einmal drinnen ist, dann gibt es für beide Seiten aus unserer Erfahrung mehr Vorteile als Nachteile. Ein partnerschaftlicher Umgang von Kunde über Agentur bis Publisher, wie auch im klassischen Geschäft der Vergangenheit, ist nach wie vor ein ganz zentraler Faktor.

medianet:
Wie kann man Missbrauch vermeiden?
Feher: Eines der großen Themen ist Sicherheit und Transparenz, sodass man wirklich weiß, wo die Werbung landet. Es geht auch darum, dass es Menschen und keine Bots sind, die diesen Klick auslösen. Die einzige Möglichkeit ist ein konsequentes Whitelisting und der Einsatz einer intelligenten Brand-Safety-Software. Sonst landet man auf den billigsten Seiten mit Ramsch. Wir fühlen uns ja nicht nur der Effizienz verpflichtet, sondern auch der Effektivität. Kein Werbetreibender hat Interesse daran, in einem unseriösen Umfeld zu landen.
Urban: Das große Thema ist Brand-Safety. Da genügt nicht nur eine Whitelist, da braucht es eine teure und komplexe Software zum Beispiel zur Audience Verification. Da haben wir den großen Vorteil, dass wir in einem internationalen Konzern eingebettet sind.

medianet:
Ist Programmatic Buying nur für große Plattformen interessant?
Urban: Was die Inventarausspielung betrifft, wird es wohl für die größeren Plattformen interessant sein. Ein spannendes Modell für Special-Interest-Modelle entsteht aber aus einem anderen Gesichtspunkt, der noch sehr wenigen Personen klar ist. Wir sind ganz stark auf der Suche nach Third-Party-Data, wo kleinere Special-Interest-Portale eine wunderbare Rolle spielen können, nämlich, weil man – Beispiel medianet – ein wertvolles Segment im Bereich Marketing & Media vorweisen kann.

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