Digitaler Humanismus in der Cyber-Welt
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CAREER NETWORK Redaktion 16.06.2023

Digitaler Humanismus in der Cyber-Welt

Georg Krause, CEO des IT-Dienstleisters msg Plaut, über eine Digitalisierung, in deren Zentrum der Mensch steht.

••• Von Alexander Haide

WIEN. Als Spezialist bei der Digitalisierung unterstützt msg Plaut führende Unternehmen auf dem Weg in die digitale Welt. Als Stärken nennt man die europäischen Wurzeln und Werte – damit die Digitalisierung dem Menschen und seiner Umwelt nutzt und die Möglichkeiten zur Entwicklung und Entfaltung erweitert. Doch kann Digitaler Humanismus gegen das Big Business bestehen? Georg Krause, CEO von msg Plaut, ist davon überzeugt.

medianet:
Das Erste, was bei allen Revolutionen auf der ­Strecke bleibt, ist der Humanismus. Wie soll das erst recht in einem boomenden Geschäft, wie der ­digitalen Welt, funktionieren?
Krause: Wir leben in keiner idealen Welt. Aber es ist uns bei neuen Entwicklungen wie der industriellen Revolution gelungen, die größten Auswüchse zu verhindern. Da steht das Positive, die Versorgung der Menschen mit Gütern, im Vordergrund, und die negative Kehrseite, die Ausbeutung der Industriearbeiter, konnte durch entsprechende Arbeitsgesetze reguliert werden.

Wir sind derzeit in einer ähnlichen Situation, deshalb ist der Digitale Humanismus so wichtig und wird breit aufgegriffen. Die EU geht seit einigen Jahren sehr stark in die Richtung, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Es muss uns gelingen, einen gesellschaftlichen Diskurs zu führen, der in einer Regulierung mündet. Auf den guten Willen der Menschen zu hoffen, ist vermutlich zumindest blauäugig. Da braucht es schon Rahmenbedingungen, Regeln, was nicht getan werden darf.


medianet:
ChatGPT gab es schon im vergangenen Herbst. Erst Monate später beginnt man, an eine Reglementierung zu denken, die aber alles andere als konkret ist. Werden Regulative nicht immer technischen Veränderungen hinterherhinken?
Krause: Ja und das hat diverse Gründe. Es beginnt damit, dass Politiker meist keine Experten in der Materie sind und das Problembewusstsein nicht immer gegeben ist. Das ist systemimmanent. Es hängt auch damit zusammen, dass rechtliche Erklärungen immer Präzision erfordern. Zudem verändern sich Dinge rasch, und neue Technologien sind oft noch nicht einmal ausgegoren, wie Künstliche Intelligenz. Es gibt gute Beispiele in der EU, dass Materien grundlegend geregelt sein müssen. Die Linie der DSGVO stimmt. Da geht es um den Schutz der Privatsphäre und um Persönlichkeitsrechte, da sind klassische humanistische Prinzipien verankert. Das gilt auch für Künstliche Intelligenz. Es gibt bereits Ethikrichtlinien der EU für KI, aber ChatGPT hat die Entwicklung massiv beschleunigt und wird auch die Umsetzung von Richtlinien beschleunigen.

medianet:
Bis zur DSGVO haben sich Big Tech-Unternehmen mit Datenhandel aller Art eine goldene Nase verdient. Werden wir bei KI ähnlich lange auf ein Regulativ warten müssen? Können wir überhaupt so lang warten?
Krause: Jemand, der Hoffnung hat, wird sich dafür einsetzen, mitzuhelfen, die Dinge in die richtige Richtung zu bringen. So sehe ich das auch. Ich denke, dass es viele Risiken gibt, und wir gut daran tun, mit Druck an Regeln zu arbeiten. Wir sind an einem Scheideweg.

Sehen wir uns an, wie sich die Digitalisierung in Amerika und in China entwickelt hat. Da gibt es zwei völlig unterschiedliche politische Systeme, die sich auf die Entwicklung unterschiedlich ausgewirkt haben. In Amerika ist das ein firmenzentriertes, marktkapitalistisches System, auf der anderen Seite steht ein autokratisches, totalitäres System, in dem die Macht beim Staat liegt. Wer die Daten hat, der hat letztendlich auch die Macht über die Bürger. Das ist ein krasser Widerspruch zu jedem humanistischem Grundsatz.


medianet:
Beide Systeme sind Realität und wurden nicht in ihre Schranken gewiesen …
Krause: Einer der zentralen Punkte im Humanismusansatz in der Digitalen Dekade der EU ist, dass wir in Europa versuchen, einen Gegenentwurf zu entwickeln, nämlich einen Menschen- und Bürger-zentrierten Ansatz. Das ist der springende Punkt. Wir glauben daran und wollen weiterhin in Freiheit und Demokratie leben, wir wollen selbstbestimmt leben und über unsere eigenen Daten die Verantwortung haben. Wenn ich meine Daten hergebe, ist das meine Entscheidung und nicht die eines Dritten. Das ist ein klares Ziel der EU. Da habe ich schon die Hoffnung, dass es uns gelingen wird, einen europäischen Weg zu finden. Wenn uns das nicht gelingt, haben wir verloren.

medianet:
Geht gelebter Digitaler Humanismus nicht durch die Selbstbeschränkungen mit Wettbewerbsnachteilen einher?
Krause: Im Gegenteil. Es ist unsere einzige Chance. Kurzfristig haben wir verloren. Wir stehen bei der Marktkapitalisierung der größten Unternehmen im Nirgendwo und wurden längst von Asien und Amerika abgehängt. Selbst bei Start-ups und Unicorns hat China doppelt so viele wie Europa. Unsere einzige Chance ist, dass wir einen Gegenentwurf einbringen. Der ist nicht so schnell wie ein kapitalistischer Ansatz in Amerika, aber dafür ist er hoffentlich nachhaltiger. Die sehr stark kritisierte DSGVO wird in einigen Bundesstaaten der USA bereits kopiert. Man hat erkannt, dass nach einer ersten Pionier­phase des Wilden Westens auch Regeln nötig sind. Wenn die Entwicklung in diese Richtung weitergeht, haben wir Europäer wieder eine Chance, eine Rolle zu spielen.

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