WIEN. Während in den USA auf Finanz- und Corona-Krise mit einer Ausweitung der Arbeitszeit reagiert wurde, sieht es in Europa anders aus. In Österreich ist die Entwicklung der Arbeitszeit schon seit 1995 rückläufig. Mit der Coronakrise habe es aber einen besonderen Schub nach unten gegeben, zeigt eine aktuelle Analyse der Agenda Austria. Der Grund dafür? „Unser Steuersystem sendet unmissverständliche Signale: Mehrarbeit wird steuerlich bestraft, während Teilzeit durch staatliche Anreize gefördert wird”, sagt Agenda Austria-Ökonom Hanno Lorenz. „Die Botschaft ist klar – immer mehr Bürger treten in den steuerlichen Arbeitsstreik.” Der Rückgang in Deutschland sei wohl dramatischer. „Doch leider wachsen wir auch nicht schneller, wenn die Deutschen schneller schrumpfen als wir.”
Einen alternativen Ansatz beleuchtet Isabella Mader von Excellence Research: Das Arbeitsvolumen in Österreich – die gesamt geleisteten Arbeitsstunden – stagniere und damit verkürze sich bei steigender Beschäftigung auch die Wochenarbeitszeit. Zahlen dazu gebe es seit 2004. Sie belegten, dass die in Österreich gesamt geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen heute nur 3,15% über dem Wert von 2004 liegen. In der gleichen Zeit stieg die Beschäftigung um satte 26%. Fazit: Auch die geleisteten Arbeitsstunden pro Person sinken.
Eine arithmetische Frage
Zudem sei die umstrittene 30-Stunden-Woche längst Realität. Statistik Austria erhob, dass die durchschnittlich geleisteten Wochenstunden in Österreich seit zwei Jahren exakt 30 Stunden betragen. Dieser Trend zeichne sich auch in den meisten anderen Industrienationen ab.
Ein weiterer Aspekt der Excellence Research-Studie: Digital kompetente Personen erhalten höhere Gehälter, die zudem überproportional steigen; sie liegen heute netto bei rund sieben Prozent über dem Wert von 1998. Untere Einkommen von Menschen ohne digitale Kompetenzen schrumpften dagegen versus 1998 um etwa 13%. Mader mahnt in diesem Kontext die Entlastung von Wissensarbeit ein: „Personal geht in Unterbrechungskultur, unproduktiven Meetings und überzogenem Reporting unter. Die Mehrzahl der (digitalen) Maßnahmen zur Abhilfe hierbei ist übrigens gratis.” (sb/ah)