Gastkommentar ••• Von Elisabeth Weissitsch
WIEN. „Es war schon immer so”, argumentieren viele bezüglich der derzeitigen innenpolitischen Ereignisse: „Politiker sind halt eben korrupt.” Nach der jüngsten Affäre rund um potenziell illegal finanzierte Parteiwerbung und Beeinflussung von Meinungsforschungsergebnissen spalten sich die Meinungen zur Aufrichtigkeit des Altkanzlers Sebastian Kurz.
Der Mitläufer-Effekt
Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Beeinflussung von Meinungsumfragen Auswirkungen auf die Wahlergebnisse nehmen könnte.
Denn wie bereits von Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftlern mehrfach betont, spielt in diesem Kontext der sogenannte Mitläufer-Effekt (Bandwagon-Effekt) eine wichtige Rolle. Demnach wählt man eher jene Partei, die zu gewinnen scheint. Fälscht man also Ergebnisse zum Beispiel der Sonntagsfrage, kann man unter Umständen auch den Ausgang einer Wahl verändern.
Die Politik, die man verdient
Selbstverständlich gilt für Sebastian Kurz die Unschuldsvermutung. Es ist auch kein Kavaliersdelikt politischer Gegnerinnen und Gegner, vorschnell Schlüsse und Urteile zu fällen, denn diese obliegen der österreichischen Justiz.
Die Rechtfertigung einiger Parteikolleginnen und -kollegen, es wäre halt „schon immer so gewesen”, gilt aber dennoch nicht.
In der Gesellschaft hält sich das Bild des „korrupten Politikers” hartnäckig. Die Gesellschaft schafft sich die Politik, die sie wählt, aber selbst und ist dafür verantwortlich, Repräsentantinnen und Repräsentanten zur Rechenschaft zu ziehen, sollten diese Amtsmissbrauch begehen.
Die Behauptung „Es war schon immer so” als Argument in politischen Diskussionen, ist daher längst überholt: Es wurden schon immer Menschen ausgebeutet, Frauen geschlagen, Kinder missbraucht und die Umwelt verschmutzt. Dennoch einigen sich Gesellschaften auf ihr gewolltes Miteinander und führen neue Rechtsakte, wie Menschenrechte oder Umweltschutzmaßnahmen, ein. Diese regeln das Zusammenleben und eben auch die Art der Politik, die wir haben möchten.
„Es war schon immer so”, ist daher in „es bleibt aber nicht so” umzuwandeln. Ganz davon abgesehen, dass es infrage zu stellen gilt, ob wirklich alle (!) politisch aktiven Menschen sich korrupter Maßnahmen bedienen …
Elisabeth Weissitsch ist Politikwissenschafterin, Neogräzistik-Studentin und Lehrende für Inklusionspädagogik am Zentrum für Lehrerinnenbildung der Universität Wien.
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