Ausg’steckt is’: Relaxen ganz ohne Smartphone
© Die Wasnerin/tinksi
DESTINATION Redaktion 28.06.2024

Ausg’steckt is’: Relaxen ganz ohne Smartphone

Unplugged Travel, Digital Detox: Erste Hotels bieten Zonen ohne Mobilfunkempfang und Offline-Zimmer an.

••• Von Alexander Haide

Das Smartphone als treuen und ständigen Begleiter fest im Griff, ein Blick auf die News, ein Foto rasch in Social Media teilen und die letzte Message in WhatsApp lesen – für viele Menschen scheint auch im Urlaub das Handy unverzichtbar. Natürlich ist auch der Laptop dabei, denn man könnte ein wichtiges E-Mail versäumen. Längst sind Hotels immer mit TV und anderen elektronischen Unterhaltungsgeräten ausgestattet. Doch das muss nicht sein.

Digital Detox ist ein neuer Trend, der bereits von einigen heimischen Hotels aufgegriffen wurde: Mobiltelefone sind unerwünscht und können beim Check-in abgegeben werden. Oder die Hotelbetreiber schicken ihre Gäste (freiwillig) auf digitalen Entzug. So wie im vier Sterne-Haus „Die Wasnerin” in Bad Aussee, wo eine eigene „Offline Suite” eingerichtet wurde, in der es keinen Handyempfang und keine Unterhaltungselektronik gibt. „Das ist ein wunderschönes Zimmer im historischen Stammhaus, aus dem wir die gesamte künstliche Beschallung entfernt haben”, erklärt Geschäftsführerin Petra Barta. „Es gibt keinen Fernseher, kein Radio und auch keinen Internetempfang.”

Offline-Zonen im Hotel

Die Gäste sollen sich entspannen, die Gedanken schweifen lassen und sich mit jenen Alternativen beschäftigen, die in „Die Wasnerin” angeboten werden. Barta: „Es gib Malbücher, einen Handarbeitskorb, unterschiedliche Spiele und auch Fachliteratur über die Veränderung durch die digitale Welt.” Im gesamten Hotel finden sich Offline-Zonen, wie im Wellnessbereich, in denen es keinen Handyempfang gibt. Auch auf ständige Musikberieselung, etwa am Pool oder im Restaurant, wird verzichtet. In den meisten Zimmern ist allerdings Internetverbindung und WLAN vorhanden, auch eine Arbeits-Lounge wurde eingerichtet. Ein striktes oder teilweises Handyverbot sei immer schwieriger umzusetzen, so Barta, obwohl das Offline-Angebot verstärkt nachgefragt wird.

Einen ähnlichen Weg beschreitet das Hotel Eschenhof in Bad Kleinkirchheim. „Wir möchten, dass sich unsere Gäste tatsächlich erholen und entspannen können”, erklärt Direktorin Susanne Paus. „Dafür geben wir Hinweise und Inputs, um den Urlaub nachhaltig und entspannt genießen zu können.”
Um die Zeit ohne Handy attraktiver zu machen, bietet der Eschenhof Aktivitäten an, bei denen das Telefon keinen Platz findet: „Das ist etwa ein Blick hinter unsere kulinarischen Kulissen.” Wer möchte, kann sein Handy an der Rezeption abgeben und in einer verschlossenen Box aufbewahren lassen – ein Hilfsmittel für Digital Detox, so Paus, denn wenn das Mobiltelefon zur Hand ist, wird auch alle fünf Minuten ein Blick darauf geworfen.

Nischentourismus-Trend

Sophie Gräf ist Academic Expert & Lecturer für Tourism Management an der FH Wien der WK Wien und hat sich mit dem Digital Detox-Trend auseinandergesetzt.

medianet:
Ist ein Urlaub ohne Handy und digitale Devices ein Tourismustrend für die Zukunft oder eine Randerscheinung?
Sophie Gräf: Digital Detox ist ein Trend, der durch die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft entstanden ist. Während Geschäftsmodelle im Tourismus und andere Lebensbereichen durch ständig neue Technologien digitalisiert werden, wächst die ‚digitale Erschöpfung' der Gesellschaft. Die steigende digitale Lebensdichte belastet viele Menschen stark und weckt den Wunsch nach einer digitalen Auszeit oder einer zeitweisen Reduktion digitaler Technologien. Gerade im Urlaub bietet sich die Gelegenheit, auf digitale Geräte zu verzichten und eine erholsame Pause einzulegen.

Explizit benannte ‚Digital Detox-Urlaube' können diverse Formen annehmen. Zum einen gibt es Digital Detox-Retreats, wo Urlauber für einen gewissen Zeitraum in einem Hotel verweilen, ohne Ablenkung durch digitale Geräte. Hier begrenzt sich die digitale Pause auf einen Teil der gesamten Reise.
‚Unplugged Travel' wiederum bedeutet, dass für die gesamte Reisedauer, von der Anreise bis zur Heimkehr, kein Smartphone bzw. kein Digital Device verwendet wird. Stadtpläne, Reiseführer und Notizzettel mit Hotelinformationen ersetzen Google Maps, City Guide Apps und weitere digitale Tools. Diese Art der Reise wird jedoch durch fortschreitende Digitalisierung der Hotels, Flughäfen, Bahnstationen, etc. zunehmend herausfordernd.
Da Digital Detox-Retreats sowie Unplugged Travel eher speziell und nicht für jede Person sind, fallen sie daher in den sogenannten Nischentourismus oder Special Interest Tourism. Dennoch suchen Menschen in der zunehmend digitalen Welt nach einer Auszeit ohne Push-Notifications, E-Mails und ständige Erreichbarkeit. Aus diesem Grund haben viele Menschen, besonders im Urlaub, den Wunsch, ihre digitale Zeit vielleicht nicht vollständig zu streichen, jedoch deutlich zu reduzieren.


medianet:
Würden Urlauber ein ‚Handy-Verbot' akzeptieren?
Gräf: Einige Urlaubsorte, wie etwa abgelegene Berghütten, zwingen Besucher zur digitalen Auszeit, da sie aufgrund ihrer abgeschiedenen Lage keinen Netzempfang haben, das ist die sogenannte Forced Disconnection. Ist diese Abgeschiedenheit jedoch nicht gegeben, tendieren Hotels und Restaurants vermehrt dazu, digitale Ruhezonen zu etablieren. Meistens werden diese Verbote auf gewisse Zonen gelegt, wie zum Beispiel Frühstücksraum oder Wellnessbereich.

Ob Urlauber ein Handy-Verbot akzeptieren, kommt auf deren individuelle Wünsche an. Während ein komplettes Verbot manche Besucher abschreckt, lockt es andere an. Die Personen, die es nicht mögen, gehören womöglich nicht zur Zielgruppe des Betriebs. Dies kann durch eine umfassende Zielgruppenanalyse und Segmentierung definiert werden. Wenn ein Hotel seine Zielgruppe gut kennt und das Angebot auf die Bedürfnisse dieser Gruppe ausrichtet sowie die digitalen Zonen taktvoll, aufklärend und charmant kommuniziert, sollte etwa ein Störsender nicht notwendig sein.


medianet:
Kann eine ‚digitalfreie Zone' auch ein Marketinginstrument sein?
Gräf: In den vergangenen Jahren setzten Tourismusverbände durch den Einsatz von Apps, Augmented Reality-Erlebnissen, digitalen Stadtplänen und anderen Tools vermehrt auf die digitale Transformation ihrer Destination. Neben der Modernisierung steigt jedoch auch das Verlangen, eine Destination und ihre Kultur achtsam und authentisch kennenzulernen. Aus diesem Grund kann eine digitalfreie Zone auf jeden Fall ein Marketinginstrument einer Destination sein. Im strategischen (Destinations-) Marketing spricht man von einer Positionierungsstrategie. Möchte sich eine Destination jedoch zwischen digital oder digitalfrei nicht entscheiden, kann sie durchaus beide Varianten anbieten und so einen Wohlfühlort für diverse Besucher darstellen.

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