Was Crowdfunding für den Tourismus bringt
© Gemeinde Walchsee
DESTINATION Redaktion 06.03.2020

Was Crowdfunding für den Tourismus bringt

Schwarmfinanzierung als sinnvolle Investitionsmöglichkeit im Fremdenverkehr erfreut sich immer stärkerer Beliebtheit.

••• Von Paul Christian Jezek

Eigentlich als Kapitalquelle für kleinere und mittelgroße Unter­nehmen konzipiert, haben Schwarmfinanzierungen mittlerweile ein Eigenleben entwickelt.

Statt in Firmeninvestitionen steckt die Crowd ihr Geld neuerdings auch in Tourismusprojekte – wie zum Beispiel im Bezirk Kufstein. Dort – genau gesagt in der Gemeinde Walchsee mit rund 1.900 Einwohnern – stand man vor zwei Jahren vor einem veritablen Problem: Was tun mit dem Amberglift? Der operative Betrieb und die Bewirtschaftung (Liftbetrieb, Beschneiung, Pistenpräparierung) des Schlepplifts im 100%igen Eigentum des Tourismusverbands Ferienregion Kaiserwinkl (TVB) war bis zum 31.3.2018 an die Liftanlagen Zahmer Kaiser GmbH verpachtet worden.

Verkaufen? Einstellen?

„Die Gesamtanlage ist optisch auf den ersten Blick zwar durchaus ansprechend”, hieß es in einem tourismusfachlichen Gutachten – in dem jedoch auch deutlich herausgearbeitet wurde, dass der Amberglift in die Jahre gekommen war.

Ein alleiniger Eigenbetrieb durch den TVB Kaiserwinkl wurde deshalb von der conos GmbH nicht empfohlen. Angeraten wurde hingegen ein Verkauf bzw. eine Verpachtung des Amberglifts oder aber das Einstellen des Liftbetriebs, wodurch „im Sinne der Kernfunktionen und -aufgaben des TVB tendenziell Ressourcen zur gestärkten Profilierung und Positionierung verfügbar” würden.
Ein Weiterführungsangebot des ehemaligen Pächters wäre hingegen als „klare Bevorteilung der Skischule Zahmer Kaiser” als „wirtschaftlich einseitiges Verhältnis” gegenüber der Öffentlichkeit wie auch gegenüber der weiteren Skischule (Kössen) im selben Verbandsgebiet nicht vertretbar gewesen.

Geld her! Aber woher?

Für die Wintersaison 2018/19 wurde keine Lösung gefunden und der Amberglift daher nicht in Betrieb genommen. „Ich habe mit Fachleuten Gespräche geführt, sie haben auch Interesse gezeigt, aber für diesen Winter war es ihnen zu kurzfristig”, sagt Bürgermeister Dieter Wittlinger zu medianet.

In einer Gemeindeversammlung votierten die Walchseer ebenso wie Bürgermeister und Gemeinderat für Wiederinbetriebnahme sowie Revitalisierung der in die Jahre gekommenen Infrastruktur, was konkret zeitgemäße Beschneiung, kompatibles Zutrittssystem, neue Seil- und Kinderlifte und Förderbänder, neues Pistengerät und ein neues Gastronomieangebot bedeutete. Doch woher sollte das dafür nötige Geld kommen?
Nach dem Vorbild des Sonnwendjochlifts in Kramsach rief Wittlinger eine Crowdfunding-Aktion ins Leben. „Nur mit einem Beitrag der Bevölkerung lässt sich der Amberglift reaktivieren und eine wichtige Winter-Infrastruktur für unsere Kinder, Familien, Urlauber und Gastbetriebe erhalten.”
Der Bürgermeister setzte die Marke, die es zu knacken galt, bei 100.000 € an, um dann mit Geldern von Land und Gemeinde (ca. 300.000 €) den Lift zu reaktivieren. Auf der Homepage der Gemeinde wurde ein Spenden-Ticker eingerichtet, eine Einzahlungsfrist auf das Treuhandkonto der Sparkasse Walchsee mit 31.3.2019 gesetzt.
„Geht der Lift im Winter 2019/20 in Betrieb, wird jedem Spendengeber in der Höhe einer dreiprozentigen Verzinsung seiner Spende ein Nachlass beim Kauf einer Liftkarte am Amberg gewährt”, lockte Wittlinger. „Sollte das Projekt nicht zur Umsetzung kommen, wird das eingezahlte Geld unverzinst bis 31.12.2019 zur Gänze zurückerstattet.”

Die Erfolgsmeldung

Und die Walchseer haben es geschafft! In zwei Monaten kam die „gewaltige Summe” (O-Ton Wittlinger) von 130.000 € zusammen, Skiverleiher, Hotels, etc. machten jeweils 5.000 bis 10.000 Euro € – und der Amberglift konnte am 30.12.2019 (wieder) in Betrieb genommen werden. Schon im Herbst hatte die Gemeinde den Lift um einen symbolischen Euro vom TVB Kaiserwinkl erworben.

Natürlich seien damit noch längst nicht alle finanziellen Herausforderungen gelöst, will (und muss) noch an einigen (Lift-)Schrauben gedreht werden. So sei z.B. die Tageskarte um 13,50 € „einfach zu billig”, sagt Wittlinger. Aber der Amberg­lift fährt wieder!

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