Mittelständler im digitalen Umbruch
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FINANCENET Redaktion 04.03.2022

Mittelständler im digitalen Umbruch

Die Bedeutung der Digitalisierung steigt, doch nur jeder zweite Betrieb plant aktuell Investitionen.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Die Bedeutung digitaler Technologien für das Geschäftsmodell mittelständischer Unternehmen ist gegen­über dem Vorjahr erneut leicht gewachsen: 80% der Betriebe weisen ihnen inzwischen eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung zu – vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 77%. Insgesamt 29% (Vorjahr: 30%) bewerten die Rolle der Digitalisierung sogar als sehr groß. Auf Platz eins im Relevanz-Ranking liegen Finanzdienstleister (51%), gefolgt von Transport, Verkehr und Energie (34%), Schlusslicht ist der Real-Estate-Sektor (zehn Prozent).

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die über 600 mittelständische Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern in Österreich befragt wurden. Aktuell kommen digitale Technologien vor allem im direkten Kundenkontakt zum Einsatz (78%), gefolgt von der Nutzung mobiler Endgeräte (52%).
Rund jeder sechste Mittelständler in Österreich (16%) will in den kommenden zwei Jahren Cloud Computing im eigenen Unternehmen einsetzen, zwölf Prozent wollen Data Analytics einführen, und jedes zehnte Unternehmen setzt auf Künstliche Intelligenz. Trotz des Digitalisierungsschubs will fast jeder zweite Mittelständler (49%) in den kommenden zwei Jahren keine zusätzlichen digitalen Technologien im eigenen Betrieb umsetzen.

Fachkräftemangel drückt …

Immerhin acht von zehn Mittelständlern (81%) sehen derzeit keine hindernden Faktoren, die sie von einer Investition in die Digitalisierung des eigenen Geschäfts abhalten. Bei gewünschten, aber nicht durchführbaren Investitionen macht vor allem der Fachkräftemangel einen Strich durch die Rechnung: Jedes elfte befragte Unternehmen (neun Prozent) nennt fehlendes Personal als Investitionshemmnis Nummer eins, rund jedes 14. befragte Unternehmen (sieben Prozent) begrenzte finanzielle Ressourcen.

… stark in Oberösterreich

Fehlendes Know-how wird nur von sechs Prozent der Betriebe als Hindernis genannt. „Über alle Branchen hinweg haben 83 Prozent Probleme damit, geeignete Fachkräfte zu finden – das hat auch Auswirkungen auf geplante Digitalisierungsprojekte, die durch fehlendes Personal nur langsam oder gar nicht vorankommen”, sagt Axel Preiss, Leiter der Unternehmensberatung bei EY Österreich.

Die Verfügbarkeit von Fachpersonal für das Vorantreiben von digitalen Technologien ist derzeit am eingeschränktesten in Oberösterreich (18%), gefolgt von Tirol und Vorarlberg (je 17%).

Wien ist digitaler Champion

Im Bundesländer-Ranking liegen Unternehmen mit Sitz in Wien vorne: 41% der Unternehmen geben an, dass die Digitalisierung bereits jetzt eine sehr große Rolle für das eigene Geschäftsmodell spielt, für weitere 39% eine mittelgroße.

Dahinter folgen Betriebe in Oberösterreich (31% sehr wichtig, 52% wichtig) und Vorarlberg (30% sehr wichtig, 43% wichtig). Vergangenes Jahr lag Vorarlberg noch auf dem ersten Rang: 40% der Vorarlberger Mittelständler gaben im Jahr 2020 an, dass die Digitalisierung sehr wichtig für das eigene Geschäftsmodell sei. Das Schlusslicht bildet heuer Niederösterreich (18% sehr wichtig, 64% wichtig).

KMU haben den Trend erfasst

Digitale Technologien sind für die Geschäftsmodelle von größeren Mittelständlern mit Jahresumsätzen jenseits der Zehn-Millionen-Grenze inzwischen lediglich geringfügig wichtiger als für Unternehmen mit Jahresumsätzen von weniger als zwei Mio. €: Der Anteil der Unternehmen, der digitalen Technologien eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung beimisst, liegt bei größeren Unternehmen mit 82% nicht viel höher als bei Unternehmen mit Jahresumsätzen unter zwei Mio. € (78%)

Die Großen und die Kleinen

Bislang verfolgten große und kleine Player der österreichischen Wirtschaft oft sehr unterschiedliche Wege, was den Stellenwert der Digitalisierung für das eigene Geschäft anbelangt.

Diese Lücke hat sich nun merklich verringert: Während 2020 jedes zweite Unternehmen mit Jahresumsätzen von mehr als 100 Mio. € (56%) digitalen Technologien eine sehr große Rolle für das eigene Geschäftsmodell zuschrieb, war es bei kleineren Unternehmen (Jahresumsatz unter 30 Mio. €) nur jedes vierte (26%) – ein Unterschied von 30 Prozentpunkten. Wirft man einen Blick auf das Bundesländer-Ranking, so sehen vor allem Kärntner und Oberösterreichische Betriebe die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft als Chance (je 87%), in Wien (neun Prozent) und dem Burgenland (acht Prozent) empfindet sie hingegen knapp jedes zehnte Unternehmen als Bedrohung.

Keine Bedrohung geortet

Als Bedrohung werden digitale Technologien nur von einer Minderheit betrachtet – bei kleineren Unternehmen mit Jahresumsätzen von weniger als zwei Mio. € liegt ihr Anteil bei neun Prozent, bei größeren Unternehmen bei lediglich zwei Prozent.

63% der mittelständischen Betriebe in Österreich bewerten die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung, bezogen auf den eigenen Standort, als positiv – das sind deutlich weniger als vor einem Jahr, als der Anteil bei 72% lag.
Nur jedes zehnte Unternehmen (zehn Prozent) bewertet sie als ausgezeichnet. Fast jeder Dritte (31%) bezeichnet die Rahmenbedingungen als mittelmäßig, sechs Prozent geben eine schlechte Note ab.

Zufrieden mit Infrastruktur

Vor allem die Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur – also der Zugang zu hohen Bandbreiten und Handyempfang – wird von fast drei Viertel (74%) positiv bewertet.

Die meisten guten Bewertungen stammen aus Salzburg (82% sind zufrieden), gefolgt von Tirol (81%). Kärnten (67%) belegt den letzten Platz im Zufriedenheits-Ranking. Mit den Kooperationspartnern vor Ort sind 67% zufrieden, mit den gebotenen Fördermöglichkeiten 68%. Auch hier ist Salzburg auf Platz eins – der Zugang zu Fördermöglichkeiten wird von drei Viertel (74%) positiv bewertet, Kärnten bildet erneut das Schlusslicht (sechs Prozent).

Digitale Zukunftsinvestition

„Eine stabile und leistungsstarke Digital-Infrastruktur wird für Unternehmen zu einem immer wichtigeren Standortfaktor. Das schnelle und mittelfristige Ziel sollte es daher sein, die digitale Infrastruktur auch in den aktuell noch oft unterversorgten ländlichen Regionen bestmöglich voranzutreiben. Ein kontinuierlicher, flächendeckender Ausbau ist für den Wirtschaftsstandort Österreich eine Investition in die Zukunft: Nur mit einer leistungsfähigen digitalen Infrastruktur kann es eine Chancengleichheit in allen Regionen geben”, so EY-Experte Preiss.

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