Was Österreichs Bankern in Zukunft ins Haus steht
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FINANCENET Redaktion 10.05.2024

Was Österreichs Bankern in Zukunft ins Haus steht

Kearney-Studie: Die gestiegenen Zinsen ließen Gewinne sprudeln – was aber, wenn sich der Trend dreht?

••• Von Reinhard Krémer

Höchste Zinsen seit mindestens einem Jahrzehnt und wachsende Nettozins­margen bescherten den Privatkundenbanken 2023 ein weiteres Rekordjahr – das zweite in Folge – auch in Österreich. Zu diesem Ergebnis kommt das European Retail Banking Radar 2024, welches die globale Unternehmensberatung Kearney jährlich herausgibt. Demnach stiegen die Nettozinsmargen in Europa von 1,8% im Jahr 2021 auf 2,3% im Jahr 2023, und von jedem verdienten Euro flossen 39 Cent direkt in den Gewinn.

Das European Retail Banking Radar 2024 von Kearney deckt 90 Privatkundenbanken in 21 Märkten ab, 50 Banken in 13 westeuropäischen Märkten und 38 Banken in acht osteuropäischen Märkten.

Wenn die Zinsen wieder fallen

Das Radar analysiert mehr als zwölf Bereiche in Bezug auf Ertragsstärke, betriebliche Effizienz und Risikomanagement. Die langfristigen Daten, die Lehren aus Wirtschafts-, Finanz- und Gesundheitskrisen seit 2008 enthalten, helfen dabei, kommende Trends und zukünftige Notwendigkeiten für die Branche zu identifizieren.

Da die Inflation in der Eurozone im März 2024 auf 2,4% sank und die Europäische Zentralbank ihrem mittelfristigen Inflationsziel von zwei Prozent näherkam, rechnen Analysten mit der ersten Zinssenkung im Juni, weitere Zinssenkungen um 95 bis 125 Basispunkte könnten bis Dezember erfolgen. Ist der Performance-Höhepunkt der Privatkundenbanken damit auch in Österreich bald vorbei?
Daniela Chikova , Autorin und Partnerin Financial Services bei Kearney: „Auch in Österreich erlebten Retailbanken im Jahr 2023 einen bemerkenswerten Aufschwung, so das Ergebnis der Erhebung. Hier wurde eine Ertragssteigerung von etwas mehr als 37 Prozent verzeichnet. Der Ertrag pro Kunde in Österreich betrug 935 Euro im Jahr 2023 vs. 699 Euro im Jahr 2022. Der Ertrag pro Mitarbeiter stieg auf 375.000 Euro im Jahr 2023 vs. 272.000 Euro im Jahr 2022.”

Österreich nun an EU-Spitze

Das Ertragswachstum im Jahr 2023 brachte deutliche Verbesserungen beim Cost-Income Ratio. In Österreich sank die Quote signifikant um fast zwölf Prozentpunkte von 56% im Jahr 2022 auf 44%. Der Gewinn pro Kunde wuchs um etwas mehr als 73% von 268 € auf 464 €.

Österreich hat eine bemerkenswerte „Entwicklung” beim Cost-Income Ratio durchgemacht. Aktuell schneiden die österreichischen Banken mit 44% deutlich besser ab als der europäische Durchschnitt mit 53%. 2019 und die Jahre davor war Österreich allerdings Schlusslicht und hat sich mit Deutschland und Frankreich unter die drei Länder mit der niedrigsten Effizienz in Europa eingereiht.

Kostenbasis unter Einnahmen

Die Kostenbasis blieb 2023 insgesamt hinter dem Wachstum der Einnahmen zurück, trotz des hohen Inflationsumfelds für den größten Teil des Jahres.

Haushalte mit erheblichen ausstehenden Krediten verzeichneten einen Anstieg ihrer monatlichen Rückzahlungen, wobei Schätzungen zufolge die Zinsrückzahlung auf das verfügbare Bruttoeinkommen bis Ende 2025 von 2,2% zum Ende des zweiten Quartals 2023 für die Eurozone auf 2,6% steigen wird.
Während höhere Zinssätze zu einem Anstieg der Erträge bei den Privatkundenbanken führten, stellten sie für einige ihrer Kunden eine Belastung dar. Die Wohnkostenüberlastung stieg in mehreren EU-27-Ländern.

Was Kunden abschreckte

Die Kombination aus Zinserhöhungen und Inflation wirkte abschreckend auf Sparer und Kreditnehmer. Kundeneinlagen stiegen bei den im Radar erfassten europäischen Banken um magere 0,5% – deutlich unter der historischen CAGR 2008-2022 (Compound Annual Growth Rate) von 4,2%.

„Österreich lag von 2022 bis 2023 mit einem Rückgang der Privatkundeneinlagen um 1,8 Prozent und einem Anstieg der Privatkundenkredite um 0,3 Prozent unter dem Durchschnitt in Europa”, sagt Chikova.

Gratwanderung steht bevor

Der Blick nach vorn bringt für Privatkundenbanken eine Gratwanderung mit sich. Um diese zu meistern, müssen Banken ihre starke Finanzposition nutzen, um ihre Geschäfts- und Betriebsmodelle zukunftssicher und regenerativ zu gestalten, anstatt nur auf die Herausforderungen von heute zu reagieren. Konkret bedeutet das für Banken:
• Rückkehr zu den Grundlagen: Kosten angehen, trotz des anhaltenden Inflationsdrucks.
• Nutzung von Daten und Technologien, um Kundenbedürfnisse zu verstehen, zu antizipieren und darauf zu reagieren sowie um betriebliche Effizienz zu schaffen und das Risiko­management zu verbessern.
• Sorgfältige Überwachung und Steuerung von Risiken, insbesondere neuer Risiken, die in der sich verändernden Technologielandschaft auftreten, wie z.B. Cyberangriffe und KI-gesteuerter Betrug.
• Weiterentwicklung und Transformation des Geschäftsmodells sowie Aufbau von Ökosystemen, welche Regulierungsbehörden, Investoren und Kunden umfassen.
• Den Übergang zu einer grüneren und gerechteren Wirtschaft fördern.

Das Fazit des Reports

Durch regeneratives Wachstum können Privatkundenbanken die heutigen Herausforderungen bewältigen und gleichzeitig einen dauerhaften wirtschaftlichen Mehrwert für alle Beteiligten erzielen – so lautet das Fazit des European Retail Banking Radar 2024”.

Demnach kann regeneratives Wachstum den Blick für die Zukunft schärfen, indem es Menschen, digitale Technologien und operative Bausteine zusammenbringt und Banken dabei helfen, sich auf die Zukunft vorzu­bereiten.

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