Unfallversicherung wird zur Falle für die Kassen
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HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 13.04.2018

Unfallversicherung wird zur Falle für die Kassen

Verschiebt die Regierung Kosten von der AUVA zu den Kassen, belastet das kleine Firmen und das System.

••• Von Martin Rümmele

Für die Regierung ist klar: die Sozialversicherungen sind teuer und ineffizient. Ihre Reform soll ein Leuchtturmprojekt von ÖVP und FPÖ werden. Doch bei genauer Betrachtung zeigt sich: Schwarz-Blau griff bereits in den Nuller-Jahren nach den Kassen und übernahm die Führung im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, die seither von der ÖVP auch nicht mehr abgegeben worden ist. Stellvertretender Generaldirektorin damals: die aktuelle Ministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Ergebnis damals: ein Rekorddefizit, das die Kassen 2008 beinahe in die Knie zwang. Der damalige Hauptverbandsvorsitzende und spätere Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) und der damalige Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) einigten sich dann auf einen Sanierungskurs. Seither schreiben die Kassen unter dem Strich wieder ein Plus – und das ohne Erhöhung der Beiträge.

Neuer Versuch der Reform

Nun also greifen ÖVP und FPÖ erneut nach den Kassen; erstes Ziel: die Unfallversicherung. Über sie will Bundeskanzler Sebastian Kurz die angekündigte Senkung der Lohnnebenkosten schaffen. Die AUVA soll 500 Mio. € einsparen, der Beitragssatz um 0,8 Prozent sinken – nicht einfach, beträgt doch der gesamte Verwaltungsaufwand der Versicherung 92 Mio. €.

Wie also kommt die Regierung auf diese astronomische Summe?
Die AUVA hat sich im Sinne einer wirtschaftlich umsichtigen Gebarung in den vergangenen Jahren Einnahmenbereiche gesucht, mit denen die Kosten für Unfallheilbehandlung in sieben Spitälern und vier Rehazentren gedeckt werden können: Unfälle, die nicht in Unternehmen entstehen, sondern im Straßenverkehr, Haushalt oder der Freizeit. Das garantiert eine Auslastung und damit die Sicherung der Spitäler für Arbeitsunfälle. Das Problem: nicht der gesamte Aufwand wird auch abgegolten. Diese Geld soll sich die AUVA nun von Ländern und anderen Kassen holen. Das taktische Fiasko der Politik: Diese Umschichtung könnten ÖVP und FPÖ einfach mit einem Gesetz lösen. Allerdings würden sie damit Ausgaben zu den anderen Kassen verschieben und damit diese in wirtschaftliche Schieflage bringen.

Kritik von Ärzten

Nicht zuletzt deshalb laufen Ärzte und Sozialversicherungen auch gegen den Spardruck Sturm: „Gerade im Gesundheitsbereich sind Reformen gefährlich, deren einziges Ziel Einsparungen sind, sofern wir einen gewissen Standard im Gesundheitswesen erhalten wollen”, sagt der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres. Das österreichische Gesundheitswesen sei im weltweiten Vergleich ein hervorragendes, dessen Vorteile aber nur dann wahrgenommen und geschätzt werden, wenn die einzelne Person es wegen Krankheit, Verunfallung oder Reha in Anspruch nehmen müsse. Auch der ÖVP-nahe Vorsitzende des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Alexander Biach, lehnt eine Auflösung AUVA ab. Das wäre „gerade in der aktuellen Reformphase ein völlig falscher Schritt, der unser Sozialversicherungssystem nur zersplittert und destabilisiert.

Die ausgezeichnete Versorgungskette darf nicht durch politische Ad-hoc-Aktionen gefährdet werden”, sagt er. Der Hauptverbands-Chef spricht sich „sehr klar dafür aus, die volle Leistungsfähigkeit der AUVA, angefangen von der Unfallprävention über die Unfallbehandlung in den UKHs, der anschließenden Unfall-Rehabilitation bis hin zur Absicherung bei Invalidität, zu erhalten”. Eine Zerschlagung würde seiner Auffassung nach auch „massive Mehrkosten im System bedeuten und zu weiteren Schnittstellen führen, anstatt das System weiter zu integrieren”.
Doch was leistet die AUVA eigentlich und warum werden im Gegensatz zu den Krankenkassen die Beiträge nur von den Arbeitgebern bezahlt? Die AUVA ist, einfach formuliert, eine pauschalierte Haftpflichtversicherung für Unternehmen. Sie nimmt ihnen einen großen Teil der gesetzlichen Pflichten ab – von der sicherheitstechnischen Beratung über Eignungsuntersuchungen, Schadstoffmessungen bis zu den finanziellen Belastungen, wenn sich Beschäftigte verletzen oder eine Berufskrankheit erleiden. Dazu gehören die Entgeltfortzahlung und vor allem der Schutz vor existenzbedrohenden Forderungen der Arbeitnehmer durch das Haftungsprinzip und den Haftungsausschluss. Das hilft vor allem Klein- und Mittelbetrieben. Von der Senkung des Beitragssatzes würden allerdings vor allem die größten 100 Unternehmen des Landes profitieren, kritisieren Experten.

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