••• Von Helga Krémer
Die derzeitigen Digital-Investitionen des Bundes von jährlich 500 Mio. € sind laut dem Digitalbranchenverband Digitaloffensive Österreich zu wenig. Sie sollten auf eine Mrd. € erhöht werden, sonst drohe ein massiver Leistungsabfall in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung. Denn der österreichische Staat stehe in den nächsten fünf Jahren in vielen Bereichen vor wachsenden Problemen, etwa bei Gesundheit und Pflege, Wirtschaftswachstum, Sicherheit oder Migration. Zudem geht bis 2035 beinahe die Hälfte der Beamten in Pension (45% der Bundesbeamten, das sind rund 60.000 Personen; ähnliches Szenario bei Ländern und Gemeinden). Ihre Arbeitskraft und ihr Know-how werden nicht zur Gänze ersetzbar sein. Für die Zukunft des modernen „Hochleistungsstaats” sei daher eine umfassende Digitalisierung dringend notwendig. Auf anderem Gebiet hingegen, wie etwa dem Breitbandausbau, könne auf öffentliche Mittel verzichtet werden, ohne dass sich der Ausbau in Österreich verzögert. Dazu müsse nur die Genehmigungs-Bürokratie abgebaut und Rechtssicherheit bei behördlich genehmigten Tarifen hergestellt werden.
Es braucht mehr Geld
Patricia Neumann, CEO Siemens Austria AG und Präsidentin der Digitaloffensive Österreich: „Eine Milliarde Euro statt bisher 500 Millionen Euro pro Jahr Investitionen in die Digitalisierung der Verwaltung sind sinnvoll und notwendig, um den modernen Hochleistungsstaat Österreich für die kommenden Jahre abzusichern und gleichzeitig kosteneffizienter zu machen. Die Absicherung und notwendige Erweiterung der staatlichen Aufgaben muss höchste Priorität für die künftige Bundesregierung haben. Daher gehören die Digitalisierungsagenden unter Einbeziehung der Expertise der Digitalwirtschaft zentral im Bundeskanzleramt koordiniert.”
Thomas Arnoldner, Deputy CEO A1 Group, ergänzt: „Eine zentrale Governance-Struktur für die Digitalagenden ist auch angesichts von 15 verschiedenen EU-Rechtsakten in diesem Bereich notwendig, um Strukturen zu vereinfachen und die Digitalisierung in Österreich aktiv voranzutreiben. Die Gegenfinanzierung der Verwaltungsdigitalisierung kann im Übrigen durch eine massive Reduktion der Breitband-Fördermittel erfolgen – den Ausbau stemmen die großen Telekommunikationsunternehmen bei geeigneten Rahmenbedingungen auch durch private Investitionen.”
Die Digitalisierungsmilliarde ist ein notwendiges und rentables Investment – denn laut Berechnungen von Accenture bringt sie einen 13-fachen volkswirtschaftlichen Nutzen für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Michael Zettel, Country Managing Director Accenture Österreich und Vorstand der Digitaloffensive: „Leuchtturmprojekte alleine sind zu wenig. Die öffentlich Verwaltung braucht eine umfassende Staatsreform, um zukunftssicher aufgestellt zu sein. Dazu benötigen wir die konsequente digitale Transformation.”
Es würde sich rechnen
Im Bereich Gesundheit und Pflege würden digitale Prozesse sowohl die Steuerung der Patienten verbessern, aber auch Kosten und Personalbedarf dämpfen, etwa mit einem digitalen Gesundheitspfad – einer App mit Telemedizin und optimierter Terminkoordination im niederschwelligen Bereich. In der Pflege würde der gezielte Einsatz digitaler Systeme pflegebedürftigen Menschen ermöglichen, länger zu Hause betreut zu werden. Der Arbeitskräftemangel würde ebenso abgefedert wie eine drohende Kostenexplosion. Bei einer Investition von 200 Mio. € jährlich in die Digitalisierung des Gesundheitssystems ergäbe sich ein volkswirtschaftlicher Nutzen von rund einer Mrd. €.
Ein Ausbau der digitalen Identität (inkl. digitalem Postfach und Schnittstelle zur Wirtschaft) sowie eine Plattform, auf der alle Verwaltungsebenen integriert sind, würde als digitales Amt bei jährlichen Investitionen von 200 Mio. € einen Nutzen von über einer Mrd. € pro Jahr bringen.
Verwaltung & Cybercrime
Automatisierung und das Einsetzen eines Portals zur Nutzung von AI/GenAI in der Verwaltung bzw. für den dortigen „Zukunfts-Arbeitsplatz” wären ebenso notwendig. Bei jährlichen Investitionen von 300 Mio. € ergäbe sich in diesem Bereich ein Nutzen von sieben Mrd. € pro Jahr.
Der Ausbau der Unternehmens-Serviceplattform inklusive Öffnung für die Wirtschaft hätte bei jährlichen Investitionen von 100 Mio. € einen starken Hebel und würde einen Nutzen von drei Mrd. € bringen.
Für die unzähligen Daten der öffentlichen Verwaltung, die teils in Datensilos liegen und weder zwischen den Behörden noch mit den Bürgern, der Wirtschaft oder der Forschung geteilt werden, brauche es eine Datenstrategie, um dieses Synergie-Potenzial endlich zu heben und gleichzeitig Wachstum und Effizienz zu fördern.
Der rasant steigenden Cyberkriminalität könne nur mit neuen, sicheren Anwendungen begegnet werden. Harald Leitenmüller, Chief Technology Officer Microsoft Österreich und Vizepräsident der Digitaloffensive: „Die Cyberangriffe auf österreichische Unternehmen haben sich 2023 verdoppelt und sind eine enorme Belastung für die heimische Wirtschaft. Die rasche Umsetzung der NIS2-Verordnung ist essenziell, um den Unternehmen mehr Sicherheit zu bieten.” Investitionen von 200 Mio. € pro Jahr in den Kampf gegen Cyberangriffe stünden einem jährlichen Nutzen von über einer Mrd. € gegenüber.
Gesicherte Investitionen
Der wesentliche Schlüssel zum Erfolg ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Die führenden Telekommunikationsunternehmen Österreichs zeigen seit Jahren, wie mit privaten Milliarden-Investitionen der Weg in die digitale Zukunft Österreichs erfolgreich beschritten wird. A1, Magenta und Drei investieren pro Jahr eine Mrd. € in den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Bis 2030 rechnen die Netzbetreiber mit zehn Mrd. € Investitionen in den weiteren Netzausbau, was dem Steuerzahler Milliarden Euro an zusätzlichen Breitbandförderungen erspart – Geld, das als Gegenfinanzierung der Digitalisierungsmilliarde zukünftig erheblich besser aufgehoben wäre.
Die Investitionsstärke der heimischen Telekom-Branche sei jedoch massiv bedroht: „Tarife wie etwa die sogenannte Servicepauschale wurden von der Regulierungsbehörde schon vor Jahren bewilligt. Trotzdem gibt es immer weniger Rechtssicherheit, ob diese auch der geltenden Rechtsprechung standhalten. Diese Unsicherheit kann verheerenden Einfluss auf Investitionsentscheidungen in Österreich und damit auf den digitalen Netzausbau haben”, warnt Arnoldner und führt aus: „Wenn Investoren ihr Geld nicht mehr zurückverdienen können, werden sie ihr Engagement in Österreich zurückfahren. Wir fordern daher von der zukünftigen Bundesregierung dringend Rechtssicherheit für die Entscheidungen der Regulierungsbehörde und damit für die Tarifgestaltung der Vergangenheit und der Zukunft.”
Rudolf Schrefl, CEO Hutchison Drei und Vizepräsident der Digitaloffensive, ergänzt: „Wenn wir Rechtssicherheit für Wirtschaft und Konsumenten herstellen, sind auch unter schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Milliardeninvestitionen aus dem privaten Sektor gesichert. Die künftige Regierung soll statt der Gießkannenförderung für den Breitbandausbau lieber in die dringend notwendige digitale Transformation der Verwaltung investieren.”
Es geht vieles viel zu langsam
Zudem bremsen Bürokratie und lange Verfahrensdauern den Breitband-Ausbau in Österreich. Schrefl dazu: „Bei vielen Verfahren warten wir 18 Monate auf Genehmigungen. Das ist wirtschaftlich untragbar. Die nächste Bundesregierung ist dringend aufgerufen, sich dafür einzusetzen, dass die bürokratischen Hürden im Zusammenwirken von Gemeinden, Bezirken, Bund und Ländern so rasch wie möglich abgebaut werden. Das gelingt beispielsweise über einen One-Stop-Shop, über den als zentrale Anlaufstelle alle Anträge abgewickelt werden können. Die Telekom-Branche ist bereit, den Breitband-Ausbau zu schultern und damit dem Staat Milliarden an Breitbandförderungen zu ersparen. Wir brauchen aber auch die Rahmenbedingungen dafür.”