Industrie kann immer ­weniger investieren
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY 23.10.2015

Industrie kann immer ­weniger investieren

Abgaben sowie Lohnkosten engen finanziellen Spielraum der Betriebe gefährlich ein, Österreich wird als Standort zunehmend unattraktiv.

••• Von Britta Biron

WIEN. Zwischen 2001 und 2014 ist die Nettoinvestitionsquote (Bruttoinvestitionsquote abzüglich Abschreibungen, bezogen auf den Bruttoproduktionswert) der österreichischen Unternehmen von 13,5% auf 5,2% eingebrochen.

„Damit stehen wir vor einem echten Problem. Denn wo keine Investitionen, da auch kein technischer Fortschritt, zu geringe Arbeitsproduktivität und eine sinkende Nachfrage”, kommentiert Sigi Menz, Obmann der Bundessparte Industrie der WKO, das Ergebnis der Mitte dieser Woche präsentierten Studie von WU-Professorin Eva Pichler.
Die Daten zeigen, dass in erster Linie die Investitionen der privaten Unternehmen sowie der privaten Haushalte rückläufig sind. Der Bausektor ist stark betroffen, aber auch Investitionen in Maschinen stagnieren seit 2011 oder sind real sogar rückläufig. Sogar bei Investitionen in F&E, angesichts des raschen technischen Fortschritts eigentlich ein Muss, gab es im Vorjahr keine Steigerung.
„Problematisch ist die Tatsache, dass diese Entwicklung keinen kurzfristigen Rückgang darstellt – wir erleben vielmehr einen langfristig sinkenden Trend bei den Investitionen”, so Pichler.
Die einzige Investitionskomponente, die kontinuierlich steigt, sind die Abschreibungen, vor allem für die teils zu hohen Investitionen, die die Unternehmen bis 2007 in allzu großem Optimismus getätigt haben.
Damit steht den Unternehmen ein immer geringer werdender Teil der Bruttowertschöpfung für andere Maßnahmen, wie etwa neue Maschinen oder F&E zur Verfügung, wodurch ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter sinkt. Und damit kommt die heimische Industrie in einen gefährlichen Sog, der durch die hohe Abgabenquote (diese liegt derzeit bei 50%) sowie steigende Lohnstückkosten noch verschärft wird.
Der Ruf nach höheren Lohnabschlüssen sei angesichts der aktuellen Lage kontraproduktiv und gefährde die österreichische Arbeitsproduktivität. Die Lohneinkommen entwickelten sich schwach, die Gewinneinkommen jedoch noch schwächer: Seit 2007 fiel die Nettogewinnquote der Unternehmen von 35,9 Mrd. € auf 25,4 Mrd. € – ein Rückgang um fast ein Drittel.
„Die Vorstellung, F&E könne langfristig im Land gehalten werden, wenn die kapitalintensiven Betriebe mit der Produktion ins Ausland abwandern, ist eine Illusion. Denn die österreichische Forschung ist anwendungsorientiert und damit produktionsnah”, so Menz. Und auch der Dienstleistungssektor könne eine schwächelnde Industrie nicht ausgleichen.
„Es ist Eile geboten: Produktivitätsorientierte Lohnpolitik, Strukturreform bei der öffentlichen Verwaltung, Förderalismusreform, ­Gesundheitswesen, Privatisierungen und Bildung müssen jetzt mehr als nur Schlagworte sein”, so Menz.
Eine Senkung der Lohnnebenkosten sei unabdingbar und ein erster wichtiger Schritt. Und angesichts der Tatsache, dass die Staatsquote nicht mehr gesteigert werden könne, gelte es, intelligente Investitionsanreize zu setzen, wie etwa eine rasche Umsetzung Wohnbau-Paket, Lohnnebenkostensenkung vor 2018.

Weniger Auslandsinvestitionen

Aber nicht nur die Investitionslaune der heimischen Unternehmen sinkt; wie eine aktuelle Studie der Österreichischen Nationalbank zeigt, machen auch Geldgeber aus dem Ausland derzeit um Österreich lieber einen Bogen und haben im ersten Halbjahr 2015 150 Mio. € an Eigenkapital abgezogen. Auch das Volumen der konzerninternen Kredite an österreichische Tochterunternhemen wurde um 300 Mio. € zurückgenommen.

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