Miliz trifft Wirtschaft
© Sebastian Freiler
Miliz trifft Wirtschaft bei Frequentis
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 12.09.2025

Miliz trifft Wirtschaft

Unter dem Motto „Industrielle Kooperation” wurde diskutiert, welche Rolle österreichische Unternehmen in einer zunehmend angespannten globalen Sicherheitsarchitektur spielen können.

WIEN. Anfang September luden Militär Aktuell und der Milizverband Österreich zur fünften Auflage der Reihe „Miliz trifft Wirtschaft” ins Frequentis-Headquarter nach Wien. Durch den Abend führte Chefredakteur Jürgen Zacharias, der zahlreiche hochrangige Gäste aus Militär, Wirtschaft und Gesellschaft begrüßte. „Es geht darum, neue Ideen zu entwickeln und Brücken zu schlagen”, betonte Zacharias einleitend.

Frequentis: Sicherheit als Kerngeschäft
Als Gastgeber sprach Norbert Haslacher, CEO von Frequentis. Er stellte das börsennotierte Familienunternehmen vor, das seit mehr als 70 Jahren erfolgreich am Markt ist und heute einen Wert von rund 800 Mio. € aufweist. Seit 2018 an der Spitze, unterstrich er die Ausrichtung auf sicherheitskritische Infrastruktur. „Wir sind ein Unternehmen, das fast ausschließlich mit Sicherheitsaufgaben befasst ist.”

Dazu gehören etwa die militärische Flugsicherung, Systeme für US-Spezialkräfte und der Schutz national relevanter Netze. Bereits ein Fünftel des Umsatzes entfalle inzwischen auf den Verteidigungssektor, eine direkte Folge der globalen Sicherheitslage. Besonderes Augenmerk legt man bei Frequentis laut Haslacher auf Drohnen. In zehn Jahren, so seine Prognose, würden mehr unbemannte als bemannte Objekte in der Luft sein. Österreich solle für Frequentis künftig eine stärkere Rolle spielen. „Für ein Unternehmen im sicherheitskritischen Bereich bleibt der Heimatmarkt immer der wichtigste.”

Unterschiedliche Perspektiven, gemeinsamer Auftrag
Zum Abschluss des Abends eröffnete Moderator Zacharias die Podiumsdiskussion – mit Henrietta Egerth-Stadlhuber (FFG), Wolfgang Peschorn (Finanzprokuratur), Severin Gruber (Wirtschaftsministerium), Christoph Götze (Frequentis), Reinhard Marak (Wirtschaftskammer) und Bernhard Müller (PwC Legal) saß Forschung, Recht, Politik und Industrie auf der Bühne.

Jurist Bernhard Müller machte den Anfang: Industrielle Kooperation werde in Österreich noch immer unterschätzt, erklärte er. Es gehe nicht um Theorien, sondern darum, heimische Betriebe in internationale Lieferketten hineinzubringen. „Nur wenn Leonardo auf österreichische Zulieferungen angewiesen ist, entsteht die notwendige Abhängigkeit”, erklärte er beispielsweise mit Blick auf die vom Österreichischen Bundesheer geplante Beschaffung von M-346 Advanced Jet Trainer beim italienischen Rüstungskonzern. Reinhard Marak von der Wirtschaftskammer forderte daraufhin klare staatliche Unterstützung. Projektvorschläge habe man zwar längst eingebracht, umgesetzt worden sei jedoch nichts. „Am Ende des Tages werden wir eine Verpflichtung brauchen.”

Severin Gruber aus dem Wirtschaftsministerium hob die sicherheitspolitische Dimension hervor. Strategisches Ziel sei die Integration in die Lieferketten, rechtlich eingebettet in den EU-Rahmen. „Wir kommen von null, aber wir haben umgedacht”, betonte er und verwies auf die Arbeit einer eigens eingerichteten Taskforce, in der auch die Finanzprokuratur vertreten sei. Deren Präsident Wolfgang Peschorn machte anschließend klar, dass für ihn die Rechtsstaatlichkeit an erster Stelle steht. Druck aus der Industrie nehme er nicht wahr, wohl aber die Verpflichtung, jedes Vorgehen juristisch abzusichern. „Ich nehme nur den Druck wahr, dass wir uns an die Regeln halten müssen.”

Henrietta Egerth-Stadlhuber brachte die Perspektive der Forschung ein: Es gehe um sicherheitstechnische Resilienz, erklärte sie, und um die Chance, wirtschaftliches Potenzial zu heben. „Wir würden nicht bei null beginnen, aber wir müssen ins Tun kommen.” Besonders wichtig sei es, frühzeitig Partnerschaften mit Staaten wie Italien oder Brasilien aufzubauen. Nur wer Teil internationaler Systeme sei, könne später von Beschaffungen profitieren. Von Ländern wie Finnland oder den Niederlanden könne man lernen, durch ihr langes Engagement hätten diese aber einen „deutlichen Vorsprung”.

Christoph Götze von Frequentis sprach schließlich aus Sicht der Industrie. Für sein Unternehmen sei der Auftragseingang entscheidend. Zwar sei das Thema in Bewegung geraten, doch er wünsche sich mehr Tempo: „Wir brauchen einen echten Push-Effekt.” Später wurde er noch deutlicher: „99 Prozent unserer Kunden sitzen im Ausland, dabei sind wir ein österreichisches Unternehmen. Passt das zusammen?”

Zwischen Götze und Gruber kam es zu einer kurzen Diskussion. Während Gruber auf die Notwendigkeit rechtlicher Absicherung verwies, zeigte Götze seine Ungeduld. Ob man ernsthaft bis 2028 warten wolle, fragte er. Informationsflüsse seien in der Tat ein Problem, räumte Gruber ein.

Zum Schluss mahnte Peschorn noch einmal zur Klarheit. Industrielle Kooperation sei die Ausnahme der Ausnahme und müsse auf einer klaren Strategie beruhen. „Das kann funktionieren, aber dem geht ein enormer Arbeitsprozess voraus.”

Es ist ein Spagat…
Die Diskussion machte deutlich, wie unterschiedlich die Perspektiven auf das Thema industrielle Kooperation sind. Industrievertreter wie Müller und Götze fordern Tempo und bessere Chancen für heimische Unternehmen. Die Wirtschaftskammer verlangt staatliche Verpflichtungen, das Wirtschaftsministerium betont rechtliche Absicherung, die Finanzprokuratur mahnt zur Rechtsstaatlichkeit, und die FFG verweist auf Forschung, Resilienz und internationale Partnerschaften.

Handlungsbedarf besteht zweifellos. Doch zwischen juristischer Vorsicht, wirtschaftlichem Drängen und politischem Anspruch muss Österreich erst den richtigen Weg finden, um nicht länger Zaungast zu bleiben, sondern aktiver Teil internationaler Sicherheits- und Industrienetzwerke zu werden. Der Abend im Frequentis-Headquarter führte eindrucksvoll vor Augen, wie eng sicherheitspolitische Fragen, wirtschaftliche Interessen und geopolitische Realitäten miteinander verflochten sind und wie wichtig es bleibt, den Dialog über sektorale Grenzen hinweg zu suchen.

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