Globaler Stresstest Die für heuer erhoffte Markterholung wird wohl ausfallen, denn die von US-Präsident Trump angezettelten Handelskriege treffen auch die bisher krisenresistente Luxusbranche, deren Erfolg entscheidend an der Globalisierung hängt. Seite 4
Paris/Genf/Washington. Luxus gab es in allen Epochen der Menschheitsgeschichte und daran wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit auch nichts ändern. Kalkuliert man die große Krisenresistenz, die die Luxusmarken in den vergangenen Jahrzehnten unter Beweis gestellt haben, mit ein, scheinen die Aussichten für die Zukunft auf den ersten Blick nicht schlecht.
Laut der alljährlichen Marktanalyse von Bain & Company und Altagamma, der Vereinigung der italienischen Luxusindustrie, lagen die weltweiten Ausgaben in allen Luxusgütersektoren – von Autos über Gastronomie, Tourismus, Kunst und Yachten bis zu Möbeln, Mode und Kosmetik – bei 1,48 Bio. €. Zu aktuellen Wechselkursen entspricht das gegenüber 2023 einem kleinen Minus von ein bis drei Prozent, bei konstanten Wechselkursen ergibt sich ein Wert zwischen minus einem und plus einem Prozent. Die im Vergleich zu 2022 und 2023 eher schwache Entwicklung werten die Studienautoren als Normalisierung des Marktes und nicht als Zeichen einer neuen Krise.
Betrachtet man die Sektoren getrennt, ergibt sich ein deutlich differenziertes Bild: Luxusautos (579 Mrd. €, –5%), Luxushotellerie (242Mrd. €, –4%), Delikatessen (72 Mrd. €, +8%), Möbel & Homedecor (51 Mrd. €, –2%), Kunst (36 Mrd. €, –7%), Privatyachten (31 Mrd. €, +13%), Luxuskreuzfahrten (5 Mrd. €, +30%). Ein ungewohntes, wenn auch nicht überraschendes Ergebnis lieferte der Sektor Personal Luxury, der Mode, Kosmetik, Uhren und Schmuck umfasst. 363 Mrd. €. bedeuten (abgesehen vom Coronajahr 2020) den ersten Umsatzrückgang seit 15 Jahren.
Die Studienautoren schätzen, dass nur etwa ein Drittel der Luxusmarken im Vorjahr ein Wachstum verzeichnet hat, 2023 waren es im Gegensatz dazu noch 65% und in den beiden Jahren davor praktisch alle (95%). Auch die Rentabilität habe sich verschlechtert, und damit die Möglichkeiten, auf die Herausforderungen der Zeit zu reagieren. Und es sind hohe Hürden, vor denen die Luxusmarken stehen.
Weniger Umsatz und …
In den vergangenen Jahren haben die Luxury Brands auf den wachsenden wirtschaftlichen Druck mit Preiserhöhungen reagiert, auf die – so McKinsey im neuen Report „State of Luxury: Fashion” – rund 80% der Umsatzzuwächse der vergangenen fünf Jahren entfallen.
Jetzt scheint diese Strategie zumindest bis auf Weiteres ausgereizt. Das Gros der Luxuskunden sind Normalverdiener und diese müssen angesichts wachsender gepolitischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten notgedrungen die Ausgaben für alles reduzieren, was nicht wirklich notwendig ist.
Allein mit der vergleichsweise kleinen Gruppe der Reichen und Superreichen lässt sich das nicht kompensieren. Millionäre und Milliardäre machen zwischen zwei und vier Prozent der globalen Luxuskunden aus und bringen 30 bis 40% der gesamten Umsätze. Diese Gruppen wollen die Ausgaben für Personal Luxury, so der McKinsey-Report, künftig aber ebenfalls reduzieren und dafür lieber mehr in Wohnkultur, Reisen und Kulinarik investieren.
… sinkende Rentabilität
„Zum ersten Mal in der 23-jährigen Geschichte unseres Luxusberichts ist die Kundenbasis des Marktes geschrumpft. Wir schätzen, dass der Markt zwischen 2022 und 2024 weltweit um etwa 50 Millionen Kunden auf 350 Millionen geschrumpft ist”, kommentiert Claudia D’Aprizio, Seniorpartnerin bei Bain und Hauptautorin der Studie, einen Trend, auf den sich die Luxusmarken rasch einstellen müssen.
Der Generationenwechsel ist ein Grund dafür, dass die Zahl der Kunden sinkt – nicht nur, weil die Gen Z zahlenmäßig kleiner als frühere Bevölkerungskohorten ist.
In den westlichen Ländern und Japan interessieren sich die jungen Konsumenten immer weniger für typische Luxusgüter und wenden sich – sowohl aus Kosten- als auch aus Nachhaltigkeitsgründen – vermehrt Secondhand-Plattformen zu. Generell liegt Resale im Trend. Im Vorjahr ist der weltweite Umsatz um sieben Prozent auf 48 Mrd. € gestiegen. Der Großteil (gut 80%) entfällt auf Uhren und Schmuck, aber auch Mode aus zweiter Hand konnte stark zulegen.
In China, wo es aus wirtschaftlichen Gründen insgesamt für den Luxussektor derzeit schlecht läuft, und in Südostasien ist unter den Jungen das Faible für Highend-Produkte zwar weiterhin hoch, allerdings legen sie auch extrem großen Wert auf Qualität und Personalisierung, und da schwächeln etliche Marken.
Diese Meinung macht sich – das thematisieren sowohl Bain als auch McKinsey in ihren Reports – auch unter Kunden aus anderen Ländern und Altersgruppen breit. Weltweit ist die Kundenzufriedenheit mit Luxusmarken unter das Niveau vor der Corona-Pandemie gesunken und liegt bei der Gen Z um 25 bis 30 Punkte niedriger als bei den Käufern der Generation Y.
Die Top-Kunden fühlen sich von den Marken zu wenig verwöhnt und vermissen angesichts der rasanten Expansion der letzten Jahre echte Exklusivität. Die breite Masse mokiert sich über die hohen Preise, die mit den hohen Erwartungen an Produktqualität, Einkaufserlebnis und After Sales-Service nicht immer Schritt halten. Unabhängig davon, ob die Kritik gerechtfertigt ist oder nicht, wird sie in den sozialen Netzwerken verbreitet.
Stresstest für die Branche
Geopolitische Unsicherheiten, Wirtschaftskrisen und Änderungen im Kaufverhalten sind für die Luxusmarken aber nicht neu und wie die Vergangenheit gezeigt hat, Risiken, auf die sie in der Regel recht rasch Lösungen finden.
Ganz anders sieht es angesichts des neuen Handelskrieges aus, der das Geschäft mit den USA – neben China der wichtigste Markt für Luxusgüter – nachhaltig beeinflussen wird. Ursprünglich rechneten Analysten und CEOs damit, dass sich die Lage heuer bessern wird und hielten ein kleines Umsatzplus zwischen einem und drei Prozent für wahrscheinlich. Seit der US-Präsident den Zollhammer schwingt, geht man davon aus, dass 2025 nicht besser laufen wird als 2024, unter dem Strich ein Minus von zwei bis fünf Prozent stehen wird.
Mit Ausnahme von China hat Donald Trump die drastischen Zölle zwar bis Juli wieder ausgesetzt, aber eine Abgabe von zehn Prozent bleibt und damit auch die berechtigte Sorge, dass diese Raten jederzeit wieder nach oben revidiert werden könnten.
Und selbst zusätzliche Zölle im niedrigen Bereich wirken sich negativ auf die Kalkulation der Luxusmarken aus. Werden die Preise weiter erhöht, wie es bisher üblich war, fallen möglicherweise noch mehr Kunden weg. Nehmen die Unternehmen die Kosten auf die eigene Kappe, leidet die Rentabilität. Wie man es dreht und wendet, es bleibt ein Dilemma.
Ob hinter den Strafzöllen tatsächlich ein Plan steht – und wenn ja, welcher, darüber können sowohl politische Kommentatoren als auch Experten aus der Luxusindustrie nur spekulieren. Allerdings haben sich Trump und einige seiner Minister und Berater schon mehrfach dahingehend geäußert, dass es ihnen um zusätzliche US-Arbeitsplätze gehe.
Image verpflichtet
Selbst wenn das eine vernünftige Strategie wäre, hat die Sache einen Haken bzw. gleich mehrere. Da wären einmal die Marken, für die ein Made in USA auf ihren Produkten schon per se undenkbar ist, allen voran die Schweizer Uhrenhersteller oder die französischen Champagnerproduzenten. Auf der anderen Seite spricht in vielen Fällen das Image, das eng mit Handwerkskunst und Herkunft verbunden ist, gegen eine Übersiedlung. Eine Birkin Bag made in USA ist undenkbar – Hermès gehört übrigens zu den wenigen Luxusmarken, die weiter satte Zuwächse verbuchen und von denen die Analysten glauben, dass sich daran auch weiter nichts ändern wird.
Und mit einer Fabrik in den USA ist das Zollproblem nicht gelöst – das Material für die edle Ware muss ja mit entsprechenden Aufschlägen weiterhin importiert werden.
Trübe Aussichten
Der LVMH-Konzern, dessen Seniorchef Bernard Arnault zur Pro Trump-Fraktion gehört, betreibt schon seit längerem eine Produktionsstätte in Kalifornien und seit 2019 eine weitere in Texas. Allerdings mit mäßigem Erfolg, so eine aktuelle Recherche von Reuters. Ehemalige Mitarbeiter und Führungskräfte sprechen von gravierenden Qualitätsproblemen und einer im Vergleich zu anderen Fabriken des Konzerns insgesamt schlechten Performance.
Arnault hatte anlässlich der Eröffnung im Beisein von Trump 500 Arbeitsplätze versprochen und einen Ausbau auf 1.000 in Aussicht gestellt. Das Recruiting lief in der Folge aber schleppend und bisher war die Belegschaft nie größer als rund 300.
Mit dem Problem des Arbeitskräftemangels wären auch andere Firmen konfrontiert, die zumindest Teile der Fertigung über den Atlantik verlagern wollten.
Aktuell plant der LVMH-Konzern, das Werk in Kalifornien zu schließen und Kapazitäten nach Texas zu verlagern – die Bereitschaft der betroffenen Mitarbeiter zur Übersiedlung hält sich allerdings in Grenzen. Man habe unterschätzt, dass Texas weit von Kalifornien entfernt ist, wird Ludovic Pauchard, Produktionsleiter von Louis Vuitton, von Reuters zitiert.