Kunstmarkt im Corona-Fieber
© Ketterer Kunst
LUXURY BRANDS&RETAIL britta biron 20.11.2020

Kunstmarkt im Corona-Fieber

Lockdown sorgt für Umsatzminus, aber auch für kräftigen Digitalisierungsschub bei Galerien, Messen und Auktionshäusern.

Paris/Wien. Wenn in den vergangenen Monaten davon die Rede war, wie hart der Kunst- und Kultursektor vom Coronavirus betroffen ist, lag der Fokus meist auf Musikern, Konzertveranstaltern oder der Film- und Kinobranche. Kräftig infiziert hat sich aber auch der Kunsthandel.

Eine Befragung von Art Basel und der Vermögensverwaltung UBS von 795 Galerien aus dem Sektor moderne und zeitgenössische Kunst aus rund 60 Ländern zeigt, dass die Umsätze zwischen Jänner und Juni im Schnitt um 36% unter jenen der Vorjahresperiode liegen.
In anderen Kunstsparten sieht die Lage ähnlich aus, denn von Corona-bedingten Geschäftsschließungen und dem Ausfall der meis­ten großen Kunstmessen waren alle Galerien und Händler gleichermaßen betroffen.

Erholung frühestens 2021

Nur ein Fünftel der Befragten erwartet, dass die Geschäfte heuer noch in Schwung kommen, 53% fürchten einen weiteren Rückgang. Etwas optimistischer ist man für 2021; da rechnen immerhin 45% mit steigenden Umsätzen.
Einen kräftigen Dämpfer hat das Virus auch dem Auktionsmarkt verpasst. Der Sektor hatte schon im Vorjahr einen deutlichen Umsatzrückgang (–17,4% auf 24,1 Mrd. USD) hinnehmen müssen. Schuld war vor allem, dass das Angebot an Kunstwerken in der Preisklasse über zehn Millionen USD – seit 2009 ein wesentlicher Markttreiber – deutlich geringer war als 2018 (–35%).
Heuer kam laut der Artprice-Analyse insgesamt weniger Kunst (–21%) unter den Hammer, und der Umsatz brach von Jänner bis August sogar um fast die Hälfte ein.

Gewinner & Verlierer

Aber Corona hat nicht bei allen gleich heftig zugeschlagen. Bei Poly Auction, dem größten chinesischen Auktionshaus, das im Vorjahr mit einem Umsatz von 617 Mio. USD noch auf Platz 3 der Top 10-Liste von Artprice lag, ist das Geschäft heuer praktisch komplett zum Erliegen gekommen (–99%). Einen Einbruch um mehr als 50% musste Sotheby’s verzeichnen, bei Phillips fällt das Minus mit 49% fast ebenso hoch aus.
Im Vergleich dazu konnte sich das Dorotheum (–24%) deutlich besser schlagen: Bei der ersten großen internationalen Saalauktion nach dem Lockdown am 8. Juni konnte für ein Altarbild von Pieter Coecke van Aelst sogar ein Weltrekordpreis von 1.137.800 € erzielt werden. Hohe Steigerungen gab es auch für eine Reihe anderer Alter Meister sowie bei den Auktionen „Klassische Moderne” und „Zeitgenössische Kunst” Ende Juni.

Online-Sektor boomt

Wie in vielen anderen Branchen hat sich in der Pandemie auch für den Kunsthandel die Digitalisierung als Rettungsanker erwiesen, mit dem die Talfahrt der Umsätze zumindest etwas abgebremst werden konnte. Von den 64,1 Mrd. USD, die im Vorjahr am gesamten Kunstmarkt umgesetzt wurden, entfielen 10% auf den Onlinesektor, im ersten Halbjahr 2020 schnellte die Quote auf 37%.
Die Art Basel hatte den Launch ihrer Online Viewing Rooms auf März vorgezogen, als klar war, dass die Messe in Hongkong im März nicht stattfinden kann. Bei der ers­ten Ausgabe präsentierten sich 230 Galerien aus 31 Ländern mit mehr als 2.000 Kunstwerken auf der digitalen Plattform. 250.000 Sammler und Kunstfreunde besuchten die Online-Messe.
Thierry Ehrmann, Präsident und Gründer von Artmarket.com, gibt aber zu bedenken, dass „Online-Auktionen nicht automatisch für alle Preisklassen, Medien und Künstler geeignet sind. Ein flexiblerer Bricks & Clicks-Ansatz, bei dem die verschiedenen Vertriebskanäle kombiniert werden, scheint mittelfristig die beste Strategie zu sein.”
Dem deutschen Auktionator Ketterer Kunst, einem Pionier in Sachen Kunstversteigerung im Netz, gelang es sogar, das beste Halbjahresergebnis seit Bestehen – über 30 Mio. € – einzufahren.
„Ein Gesamterlös von rund zwei Mio. Euro im ersten Halbjahr zeigt, wie wichtig die digitale Auktionsplattform inzwischen ist. In unserer 500sten Auktion Ende Juni wurde erstmals ein Online-Gebot in Millionenhöhe abgegeben”, freut sich Robert Ketterer, Inhaber von Ketterer Kunst. Er sieht sogar durchaus positive Auswirkungen der Krise: „Gerade in Corona-Zeiten ist die Sehnsucht nach guter Kunst riesig. ”
Dass er mit dieser Einschätzung richtig liegt, zeigt die Studie des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Arts Economics, für die gemeinsam mit UBS 360 wohlhabende Kunstsammler rund um die Welt zu ihrem aktuellen Kaufverhalten befragt wurden.
92% gaben an, sich heuer trotz wochenlang geschlossener Galerien, weniger Auktionen und abgesagter Messen neue Kunstwerke zugelegt zu haben. Mehr als die Hälfte hat über 100.000 USD ausgegeben, 16% über eine Mio. USD investiert. Knapp 60% sagten, dass sich ihre Sammelleidenschaft seit Ausbruch der Pandemie noch gesteigert hat, bei den Millennials waren es sogar 70%. Auch besteht beim Großteil (82%) eine hohe Bereitschaft, trotz Corona Messen, Vernissagen und Auktionen zu besuchen.

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